Vor drei Jahren stand der Inselstaat vor dem Bankrott. Wenn Donald Trump mit seinen Zöllen Ernst macht, gefährdet das die Textilexporte. Dem Land droht dann eine neue Schuldenkrise.
Für Sri Lanka war Donald Trumps Zollpolitik ein Schock: 44 Prozent will der amerikanische Präsident künftig auf die Exporte des Inselstaats erheben. Das ist deutlich mehr, als auf Waren aus Indien, Bangladesh oder Thailand anfallen sollen.
Zwar hat Trump die Zölle kurz nach ihrem Inkrafttreten für 90 Tage ausgesetzt, doch die Gefahr ist damit nur aufgeschoben. Sollten die Zölle wie angekündigt kommen, droht Sri Lanka nicht nur ein Einbruch der wichtigen Textilexporte. Die Erholung der gesamten Wirtschaft geriete in Gefahr.
«Trumps Zölle haben uns völlig unerwartet getroffen. Sie sind ein ernster Rückschlag für die Wirtschaft», sagt der frühere Finanzminister Ravi Karunanayake bei einem Gespräch in seiner Villa in Sri Lankas Hauptstadt Colombo. Sri Lanka habe turbulente Zeiten erlebt und sich gerade erst von der Krise erholt. Der neuen, linken Regierung von Präsident Anura Kumara Dissanayake fehle es an Erfahrung. Sie müsse nun Mut fassen und rasch die nötigen Entscheidungen treffen.
In Sri Lanka ist die Erinnerung an die Wirtschaftskrise vor drei Jahren noch frisch. Das Missmanagement der Regierung liess damals die Steuereinnahmen einbrechen. Es mangelte an Devisen, um wichtige Güter wie Kochgas, Dünger und Benzin zu importieren. Als auch noch das Geld ausging, um die Schulden zu bedienen, stand der Staat vor dem Bankrott. Nur die Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) verhinderte, dass Sri Lankas Wirtschaft kollabierte.
Die Textilexporte in die USA sind essenziell für Sri Lanka
Seither hat sich die Wirtschaft zwar stabilisiert, doch die strengen Sparauflagen des IWF haben der Bevölkerung viel abverlangt. Die Armut ist gestiegen, und auch die finanzielle Lage des Staates bleibt prekär. «Wir haben das letzte Jahr in einem falschen Gefühl von Sicherheit gelebt, weil die Schlangen vor den Geschäften verschwunden sind», sagt der Ökonom Dhanusha Pathirana vom Institute of Political Economy. Zwar drohe allen Entwicklungsländern wegen Trumps Zöllen eine Schuldenkrise. Sri Lanka sei aber besonders verletzlich.
In den vergangenen Jahren entfiel etwa die Hälfte aller Exporte Sri Lankas auf die Textilbranche. Der Sektor beschäftigt etwa 15 Prozent der Arbeitskräfte im Industriebereich und ist die wichtigste Devisenquelle des Landes – noch vor den Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten und dem Tourismus. Der grösste Abnehmer des Textilsektors sind die USA. Wenn diese nun 44 Prozent Zölle auf die Exporte schlagen, werden Sri Lankas Firmen nicht mehr wettbewerbsfähig sein.
Laut dem Ökonomen Pathirana erwägen die Textilfirmen bereits die Verlagerung ihrer Produktion in Länder wie Ägypten oder Bangladesh, wo die Zölle niedriger und die Kosten geringer seien. Da die Unternehmen die höheren Preise nicht einfach an ihre Kunden in den USA weitergeben könnten, versuchten sie zudem, bei den Löhnen zu sparen. Das könne zu einer humanitären Krise in Sri Lanka führen.
Die Näherinnen haben in der Krise stark gelitten
Die Aktivistin Chamila Thushari sagt, dass die Löhne der Textilarbeiterinnen aufgrund der hohen Teuerung bei den Lebensmitteln kaum ausreichen würden, um ihre Kinder zu ernähren. 80 Prozent der 350 000 Beschäftigten im Textilsektor seien Frauen, viele von ihnen alleinerziehend und dadurch stark von der Krise betroffen. Gemäss Studien seien 60 Prozent dieser Frauen unterernährt, so Thushari, deren NGO Dabindu Collective sich für die Rechte der Textilarbeiter einsetzt.
Die Ärmsten haben wegen der Lohneinbussen und der Preissteigerungen ihren Konsum von Strom und Gas reduzieren müssen. Vielen ist der Strom ganz abgestellt worden, weil sie die Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten. Familien haben ihre Ernährung umgestellt, da Fleisch und Fisch für sie zu teuer geworden sind. Verkäufer auf einem Markt in Colombo berichten, die Kunden würden von Fleisch auf Eier und von Reis auf Brot ausweichen, um etwas Geld zu sparen.
Der Tourismus hat sich seit der Krise von 2022 zwar erholt. Er erreicht aber noch nicht das Vorkrisenniveau. Daran haben auch staatliche Werbekampagnen und die Abschaffung der Visapflicht für viele Länder nichts geändert. Zudem konzentriert sich der Tourismus auf die Küsten im Süden und im Westen der Insel. Viele Strand- und Wellnesshotels dort richten sich heute exklusiv an die zahlungskräftige Klientel aus dem Westen. Dabei haben sie die Preise so weit angehoben, dass diese inzwischen teilweise westliches Niveau erreichen.
Das IWF-Programm hat Sri Lanka eine Atempause verschafft
Der Tourismus allein kann auch nicht die Antwort auf die wirtschaftlichen Probleme Sri Lankas bieten. Durch das Hilfsprogramm des IWF hat das Land zwar einen Aufschub erhalten. Doch wenn es der Regierung nicht gelingt, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, droht 2028 eine erneute Schuldenkrise. Denn dann läuft das IWF-Programm aus, und die ersten Kredite werden fällig. Sollten aufgrund von Trumps Zöllen die wichtigen Textilexporte in die USA einbrechen, werden dem Staat die Devisen fehlen, um die hohen Schulden zu bedienen.
Viele Ökonomen und Aktivisten fordern vor diesem Hintergrund, die Konditionen des IWF-Programms anzupassen. «Die Regierung muss den Deal neu verhandeln, sonst droht uns eine riesige Krise», sagt der Soziologe und Aktivist Sandun Thudugala von der NGO Law and Society Trust in Colombo. Die Regierung von Dissanayake müsse die nötigen strukturellen Reformen angehen, solange sie noch das Vertrauen der Wähler habe.
Dissanayakes Partei JVP hatte vor der Präsidentenwahl im vergangenen September versprochen, das IWF-Hilfsprogramm neu zu verhandeln. Die linke Partei hat einst für die Abschaffung des Kapitalismus gekämpft und war während ihrer Zeit in der Opposition eine scharfe Kritikerin der Politik des IWF. Seitdem sie selbst an der Macht ist, übt sie sich jedoch in Pragmatismus. Es gebe keine Alternative zur Kooperation mit dem IWF, sagt die Regierung heute.
Colombo schwankt zwischen Indien und China
Der frühere Finanzminister Karunanayake meint, die Regierung habe eine steile Lernkurve hingelegt. Dass sie an der Kooperation mit dem IWF festhält, findet der konservative Politiker richtig. Ebenso, dass die JVP ihre langjährige Abneigung gegen Indien überwunden und Mitte April dessen Premierminister Narendra Modi empfangen hat. «Wir sollten mit allen befreundet und mit niemandem verfeindet sein – weder mit Indien als unserem grössten Nachbarn noch mit China», sagt er.
Beide sind wichtige Kreditgeber. So ist Indien Sri Lanka in der Krise mit einem Milliardenkredit zu Hilfe gekommen. China hatte bereits zuvor im Rahmen seiner Seidenstrassen-Initiative grosse Darlehen für den Bau von Autobahnen, Häfen und Flughäfen gesprochen. Nicht alle diese Prestigeprojekte waren allerdings wirtschaftlich sinnvoll, weshalb das Verhältnis zu China etwas abgekühlt ist. Rund die Hälfte der Staatsschulden halten aber ohnehin private Kreditgeber. Um ihr Vertrauen zu bewahren, bleibt die Unterstützung des IWF essenziell.
Mitarbeit: Maneshka Borham