Dienstag, Oktober 1

Der deutsche Chemiekonzern Covestro und der Ölkonzern Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten haben eine Investitionsvereinbarung unterzeichnet. Danach will Adnoc den Leverkusener Kunststoffhersteller für 11,7 Milliarden Euro übernehmen.

Nach über einem Jahr Verhandlungen hat sich der deutsche Kunststoffhersteller Covestro mit dem Ölkonzern Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten geeinigt: Er unterstützt auf Basis einer gemeinsamen Investitionsvereinbarung ein öffentliches Übernahme-Angebot des arabischen Staatskonzerns an alle Covestro-Aktionäre. Dies teilte Covestro am Dienstag mit. Adnoc will 62 Euro pro Aktie bezahlen, was einen Eigenkapitalwert von 11,7 Milliarden Euro impliziert. Darüber hinaus will Adnoc bei Vollzug der Transaktion im Rahmen einer Kapitalerhöhung um 10 Prozent neue Covestro-Aktien zum selben Preis zeichnen, womit dem deutschen Unternehmen 1,17 Milliarden an frischen Mitteln zufliessen werden.

Adnoc diversifiziert

Damit der Deal gelingt, braucht Adnoc eine Mindestannahmequote von 50 Prozent. Vorstand und Aufsichtsrat von Covestro unterstützen das Angebot und wollen es vorbehaltlich der Prüfung der Angebotsunterlagen den Aktionären zur Annahme empfehlen. Die Transaktion bedarf noch diverser behördlicher Genehmigungen.

Covestro-Chef Markus Steilemann erklärte, die Unterstützung von Adnoc sichere seinem Unternehmen ein noch stärkeres Fundament für nachhaltiges Wachstum in hochattraktiven Branchen. Man sei überzeugt, dass die unterzeichnete Vereinbarung im Interesse des Unternehmens, der Mitarbeiter, der Aktionäre und aller weiteren Stakeholder sei.

Sultan Ahmed Al Jaber, der Chef von Adnoc, lobte die «einzigartige Expertise» von Covestro im Bereich Hightech-Spezialchemikalien und -materialien. Die Partnerschaft passe nahtlos in die Vision von Adnoc, eines der fünf weltgrössten Chemieunternehmen zu werden. Der Erdölkonzern will seit längerem diversifizieren, um sich von Öleinnahmen unabhängiger zu machen.

Steilemann bleibt Chef

In der Investitionsvereinbarung haben sich die beiden Firmen auf Eckpfeiler der Partnerschaft verständigt. Adnoc hat unter anderem die volle Unterstützung für die «Sustainable Future»-Strategie von Covestro zugesichert. Dazu zählt die Vision, sich vollständig auf die Kreislaufwirtschaft auszurichten. Die deutschen Betriebsvereinbarungen, Tarifvereinbarungen und Mitbestimmungsrechte werden anerkannt; Veräusserungen, Schliessungen oder wesentliche Reduzierungen der Geschäftstätigkeiten von Covestro im Rahmen der Transaktion werden ausgeschlossen.

Covestro soll als Aktiengesellschaft mit Sitz in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen) erhalten bleiben, auch dann, wenn das Unternehmen dereinst von der Börse genommen werden sollte. Der Covestro-Vorstand werde «in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung weiterhin eigenverantwortlich für die operative Steuerung und die strategische Ausrichtung der Gesellschaft zuständig sein», heisst es in der Pressemitteilung weiter.

Mit 62 Euro liegt der Angebotspreis rund 54 Prozent über dem Schlusskurs vom 19. Juni 2023, dem Tag vor den ersten Presseberichten über eine mögliche Transaktion. Erst im September 2023 hatte Covestro die Aufnahme «ergebnisoffener Gespräche» mit Adnoc bekanntgegeben, seit Juni 2024 wird konkret verhandelt. Am Dienstag lag der Kurs der Covestro-Aktie am frühen Nachmittag bei rund 58 Euro.

Erst seit 2015 selbständig

Covestro ist erst 2015 aus einer Abspaltung des Bayer-Konzerns entstanden: Dieser wollte sich auf die Pharma- und Agrarchemiesparten fokussieren und brachte deshalb die Kunststoffabteilung Material-Science an die Börse. Dort zählt Covestro zu den 40 grössten und liquidesten Unternehmen, die der deutsche Aktienindexes DAX abbildet. Der Konzern ist für viele Branchen, darunter die Autoindustrie, ein wichtiger Zulieferer.

Er hat letztes Jahr mit 17 500 Mitarbeitern einen Umsatz vn 14,4 Milliarden Euro und einen Betriebsgewinn (Ebitda) von 1,1 Milliarden Euro erzielt. Das entspricht einem Rückgang um 20 Prozent und 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Covestro verwies auf geopolitische Krisen, die die globale Nachfrage und die Verkaufspreise beeinträchtigt hätten, sowie auf hohe Energie- und Rohstoffpreise in Europa. Im ersten Halbjahr 2024 sanken der Umsatz um 3,5 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro und der Ebitda um 11,6 Prozent auf 593 Millionen Euro. Im Juni kündete Covestro eine Verschärfung des Sparprogramms zur Reduktion der Sach- und Personalkosten an, schloss aber betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland bis Ende 2032 aus.

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