Mittwoch, März 19

Die Folgen der Überflutungen in Siders und in Valencia belasten Stadler Rail stark. Hoffnungen weckt das deutsche Infrastrukturprogramm.

Bilanzmedienkonferenzen beginnen selten mit Katastrophenbildern. Die Unternehmensleitung von Stadler Rail hielt es am Mittwoch aber für angebracht, die Auswirkungen der Hochwasser-Ereignisse des letzten Jahres in Erinnerung zu rufen. Der Thurgauer Schienenfahrzeughersteller war gleich an drei Standorten von Überflutungen betroffen: in Siders, im österreichischen Dürnrohr und in Valencia.

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Grosse Schäden bei Zulieferer im Wallis

In Siders traf es Ende Juni 2024 den Zulieferer Constellium, der aus Aluminium Profile für die Wagenkästen von Stadler produziert. Er ging erst diesen Februar wieder zum Normalbetrieb über. Nach Einschätzung des Stadler-Managements sollte er den Rückstand wegen des Produktionsunterbruchs bis im kommenden August aufholen.

Auch im Inbetriebsetzungswerk in Dürnrohr, das Stadler selbst betreibt, werde mittlerweile wieder auf Volltouren gearbeitet, sagte der Konzernchef Markus Bernsteiner. Noch nicht so weit sind manche Zulieferer in der Region Valencia, wo das Unternehmen ein grosses Werk für die Produktion von Lokomotiven besitzt. Gewisse Firmen, fügte Bernsteiner hinzu, seien noch immer mit Aufräumarbeiten beschäftigt.

Insgesamt suchten die Überschwemmungen in Valencia die Betriebsstätten von 40 Stadler-Zulieferern heim. Manche von ihnen hätten, wie der Finanzchef des Unternehmens, Raphael Widmer, am Rande der Bilanzmedienkonferenz am Hauptsitz in Bussnang sagte, einen derart grossen Schaden erlitten, dass sie ihre Tätigkeit wohl nicht wiederaufnehmen würden.

Betriebsergebnis halbiert sich beinahe

Im Geschäftsabschluss des Schienenfahrzeugherstellers hinterliessen die Folgen der Naturkatastrophen wie erwartet tiefe Spuren. Der Konzern hatte Mitte vergangenen Novembers gewarnt, dass die Umsatzrendite auf Stufe Betriebsergebnis (Ebit) um maximal zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr zurückgehen werde. Zudem rechne er damit, dass der zuvor angestrebte Umsatz von 3,5 bis 3,7 Milliarden Franken nicht mehr erreicht werden könne.

Wie sich nun herausgestellt hat, sanken die Verkäufe von Stadler 2024 um 10 Prozent auf knapp 3,3 Milliarden Franken. Bei der Ebit-Marge erfüllten sich die schlimmsten Befürchtungen: Weil das Betriebsergebnis um 45 Prozent einbrach, fiel sie um ganze zwei Prozentpunkte auf 3,1 Prozent.

Wegen der Produktionsausfälle im Zusammenhang mit den Naturkatastrophen konnten geplante Umsätze von 350 Millionen Franken nicht verbucht werden. Sie dürften erst 2025 oder 2026 eintreffen.

Weiterhin erfreulicher Auftragseingang

Fast unverändert gut lief es dem Schienenfahrzeughersteller bei der Akquisition von Aufträgen. Die Neubestellungen schwächten sich nur wenig auf 6,4 Milliarden Franken ab. Der Auftragsbestand kletterte auf den Rekordwert von 29,2 Milliarden Franken.

Die vielen Bestellungen zwangen den Konzern zu weiteren Investitionen in Produktionswerke in Spanien, Ungarn, Polen und den USA. Der Personalbestand stieg auf Vollzeitbasis um über 1000 erstmals auf über 15 000 Mitarbeitende. Die Expansionsschritte belasteten die Profitabilität zusätzlich.

Unter dem Strich verblieb ein Überschuss von 55 Millionen Franken. Wegen des Gewinneinbruchs von 60 Prozent soll auch den Aktionären eine deutlich geringere Dividende als im Vorjahr ausgeschüttet werden. Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung eine Kürzung von fast 80 Prozent auf 20 Rappen pro Aktie.

Offene Rechnung zwischen Patron und Aktionären

Grösster Leidtragender davon wird der Verwaltungsratspräsident und langjährige Konzernchef Peter Spuhler sein. Er ist mit einem Anteil von 42 Prozent nach wie vor der grösste Aktionär der Gesellschaft. Spuhler trat an der morgendlichen Bilanzmedienkonferenz nicht auf, wohl aber an der Investorenkonferenz, die am Nachmittag ebenfalls in Bussnang stattfand.

Der Patron, der Stadler vor mittlerweile fast sechs Jahren zum damaligen Emissionspreis von 38 Franken pro Aktie an die Börse geführt hatte, hat bei Investoren noch immer viel gut zu machen. Am Mittwoch fiel der Kurs bis zum frühen Nachmittag um knapp 4 Prozent auf 22.60 Franken.

Die geplante starke Dividendenkürzung dürfte manche Aktionäre enttäuscht haben – genauso wie der verhaltene Ausblick. Nach Erwartung des Managements werden die Auswirkungen der Naturkatastrophen auch 2025 noch nachwirken und lediglich eine Erholung der Ebit-Marge auf 4 bis 5 Prozent erlauben. Vom mittelfristigen Zielwert von 6 bis 8 Prozent bleibt Stadler damit weiterhin ein gutes Stück entfernt.

Alstom und Siemens Mobility arbeiten profitabler

Die beiden Hauptkonkurrenten Alstom und Siemens Mobility beweisen, dass sich in der Herstellung von Schienenfahrzeugen auch höhere operative Margen erzielen lassen. Alstom brachte es in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahrs, das noch bis Ende März läuft, auf fast 6 Prozent. Die Bahnsparte des deutschen Industrieriesen Siemens stellte Mitte Februar für das laufende Gesamtjahr (per Ende September 2025) 8 bis 10 Prozent in Aussicht.

Auf die Leistungswerte der Wettbewerber angesprochen, sagte der Finanzchef von Stadler, Raphael Widmer, deren Geschäftsaktivitäten würden sich deutlich unterscheiden. So sei Stadler noch immer primär auf die Herstellung von Rollmaterial ausgerichtet, während Alstom und Siemens erheblich mehr Aktivitäten im margenträchtigeren Servicegeschäft sowie in der Signaltechnik besässen.

In der Signaltechnik begann Stadler erst 2017 tätig zu werden. Im vergangenen Jahr trug dieser Bereich lediglich 2 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Laut Widmer soll sein Anteil künftig aber sukzessive zunehmen und mithelfen, die Profitabilität des Unternehmens deutlich zu verbessern.

Wie viele Milliarden fliessen in die Eisenbahn?

Was das neue Infrastrukturprogramm in Deutschland anbelangt, hielt sich das Stadler-Management bedeckt. Finanzanalytiker von Baader Europe erwarten, dass von den geplanten Investitionen im Umfang von 500 Milliarden Euro mindestens ein Fünftel der Eisenbahn zufliessen wird. Alstom, so schätzen die Branchenbeobachter, dürfte als europäischer Marktführer allein mindestens 20 Milliarden Euro an neuen Aufträgen erhalten.

Mit wie viel man in Bussnang rechnet, war an der Bilanzmedienkonferenz nicht zu erfahren. Wahrscheinlich will man sich aber auch nicht unnötig exponieren. Dass der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz ein guter Bekannter Spuhlers ist und jahrelang im Verwaltungsrat von Stadler sass, ist bekannt. Als die Pläne für das milliardenschwere deutsche Infrastrukturprogramm am 5. März erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden, reagierte der Aktienkurs von Stadler mit einem Kurssprung von fast 9 Prozent.

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