Freitag, Oktober 18

Die kleine Kammer stimmt einem Vorstoss zu, der auf Hauptstrassen Tempo 50 verlangt. Die Gegner warnen vor einer zentralistischen Politik nach französischem Muster.

Während der Corona-Pandemie regten sich Linke besonders eifrig über den «föderalen Flickenteppich» der Massnahmen auf. Am Mittwoch stand im Ständerat nun eine Debatte zum Verkehr unter umgekehrten Vorzeichen an. Ein von bürgerlicher Seite unterstützter Vorstoss des Luzerner FDP-Nationalrats Peter Schilliger will Tempo 30 auf Hauptstrassen in Städten und Gemeinden stoppen. Mit einer Gesetzesanpassung soll der Bundesrat sicherstellen, dass die verschiedenen Strassentypen ihre Funktion behalten.

Auf Hauptstrassen soll innerorts Tempo 50 gelten, von Ausnahmen für Strassen in Wohngebieten abgesehen. Schilliger argumentiert, die Begrenzung der Geschwindigkeit verbreite sich auf chaotische Weise und behindere den Verkehrsfluss. Hintergrund des Vorstosses ist die flächendeckende Ausdehnung von Tempo-30-Zonen, besonders in den Städten, aber auch auf dem Land – obwohl das Stimmvolk vor mehr als 25 Jahren eine entsprechende Volksinitiative des Verkehrsclubs (VCS) verworfen hat.

Nicht von Bern aus regeln

Spannend war, wie der Ständerat als «Hüter des Föderalismus» argumentieren würde. Baptiste Hurni (SP) sprach von einer «frontalen Attacke» auf die kommunale Souveränität und den Föderalismus. Der Bund solle in den Gemeinden nichts zu Tempo 30 zu sagen haben, meinte er im Namen der Kommissionsminderheit, die den Vorstoss ablehnt. Die lokalen Behörden sollten darüber entscheiden. Zudem sagte er mit Blick auf die Staus in Städten, es sei ein Mythos, dass man den Verkehrsfluss mit einer Reduktion der Tempo-30-Zonen verbessern könne. Die Begrenzung sei die beste Massnahme für den Lärmschutz.

Auch der Glarner Ständerat Matthias Zopfi (Grüne) wehrte sich gegen eine starre Regelung der Geschwindigkeit auf Ebene des Bundes. Er wolle nicht, dass dieser dem Gemeinderat seines Heimatdorfes Engi hineinrede. Zopfi sprach von einem staatspolitisch problematischen Vorstoss. Pragmatische Lösungen würden aus ideologischen Gründen von oben herab verunmöglicht, sagte er. «Wir sind nicht in Frankreich und müssen das nicht von Bern aus regeln.»

Die Befürworter argumentierten mit der Funktion der Strassentypen und der Sicherheit. Der FDP-Ständerat Thierry Burkart sagte, Tempo 30 auf Hauptstrassen sei hoch umstritten, wie fast 20 Vorstösse und Petitionen zeigten. Es brauche eine klare Hierarchie zwischen verkehrs- und siedlungsorientierten Strassen, wofür der Bund zuständig sei. Ausnahmen würden schwieriger werden, aber möglich bleiben. Das sei auch der Kommissionsmehrheit, die den Vorstoss befürwortet, wichtig. Burkart verwies darauf, dass der öffentliche Verkehr Tempo 30 auf Hauptstrassen ebenfalls kritisch gegenüberstehe.

Sein Ratskollege Fabio Regazzi (Mitte) wehrte sich gegen den Vorwurf, der Vorstoss greife die föderalistische Zuständigkeit an. Die Bundesgesetzgebung müsse in Ordnung gebracht werden. Für kleine und mittlere Unternehmen seien die zunehmenden Verkehrshindernisse problematisch, sagte der Präsident des Gewerbeverbandes. Die Anpassung sei ein wichtiger Beitrag an ein funktionierendes Strassennetz.

Überraschende Wortmeldung aus Appenzell

Die Debatte im Ständerat verlief nicht alleine entlang den bekannten Links-rechts-Linien. Daniel Fässler (Mitte), der das stramm bürgerliche Appenzell Innerrhoden vertritt, empfahl, der Minderheit zu folgen. Die Motion greife in die Kompetenz der Kantone ein und bringe keinen Mehrwert.

Auch Bundesrat Albert Rösti (SVP) argumentierte, der Vorstoss erfülle das eigentliche Anliegen – weniger Tempo-30-Zonen auf Hauptstrassen – nicht. In der Verordnung zum Strassenverkehrsgesetz sei bereits festgeschrieben, dass innerorts generell Tempo 50 gelte. Rösti erinnerte daran, dass die Geschwindigkeit nur aufgrund eines Gutachtens herabgesetzt werden dürfe. Die Motion verursache einen administrativen Aufwand und ändere nichts an der Praxis. Um Tempo 30 zu verhindern, müsste im Gesetz stehen, dass auf verkehrsorientierten Strassen Tempo 50 gelte. Das wäre eine harte Formulierung, gab er zu bedenken.

Der Ständerat hatte für die bundesrätlichen Einwände wenig Gehör. Mit 25 zu 15 Stimmen bei 3 Enthaltungen stellte er sich hinter Schilligers Vorstoss. Der Nationalrat hatte diesem bereits im September zugestimmt. Auch mit einer Konkretisierung des Gesetzestextes dürfte das Ringen um Tempo 30 jedoch nicht beendet sein.

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