Montag, November 25

Nach dem starken Jahresendrally war der Start der Aktienbörsen ins Jahr 2024 holprig. Die Hoffnungen auf deutliche Zinssenkungen der Zentralbanken haben einen Dämpfer erhalten – und damit auch die Aussichten für Aktien und Immobilien.

Spekulationen über die Entwicklung der Zinsen beherrschen derzeit die Börsen. Das Rally an den Aktienmärkten Ende 2023 fusste stark auf der Hoffnung der Investoren, dass die Zentralbanken – allen voran die US-Notenbank Federal Reserve – ihre Leitzinsen in diesem Jahr deutlich senken werden.

Ende September erwarteten die Marktteilnehmer noch drei Zinssenkungen des Federal Reserve, Ende Dezember waren es schon sechs. Dies könnte sich allerdings nun als übertrieben herausstellen. Dies scheint auch den Finanzmarkt-Akteuren zu dämmern, was den verhaltenen Start an den Aktienbörsen in das Jahr 2024 erklären würde.

Inflation dämpft Hoffnungen auf niedrigere Leitzinsen

Mit der Bekanntgabe der höher als erwartet ausgefallenen Inflation in den USA haben die Zinssenkungs-Hoffnungen in dieser Woche einen weiteren Dämpfer erhalten. Im Dezember ist sie mit 3,4 Prozent stärker gestiegen als die erwarteten 3,1 Prozent.

Der Preisdruck ist hartnäckiger als von vielen erwartet, und so sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Federal Reserve bereits im Frühjahr die Leitzinsen zum ersten Mal senkt. Viele Beobachter rechnen nun damit, dass dies erst im zweiten Quartal oder zur Mitte des Jahres passiert. Damit würden die Leitzinsen vorerst auf ihren höheren Niveaus bleiben. Das Federal Reserve beispielsweise hat die Leitzinsen im Zeitraum von 19 Monaten von 0,25 auf 5,5 Prozent erhöht. Das ist der höchste Stand seit 2001.

Die höheren Zinsen könnten negative Folgen an den Aktien- und Immobilienmärkten haben. Die liechtensteinische VP Bank weist darauf hin, dass deutliche Zinsanstiege in den vergangenen Jahrzehnten oft Krisen ausgelöst haben (vgl. Tabelle). Davon ist derzeit allerdings wenig zu spüren.

«Aktuell lösen die gestiegenen Zinsen erstaunlich wenig Stress aus», sagt Bernd Hartmann, Leiter Research bei der VP Bank. Das sei insofern erstaunlich, als die Periode von ungewöhnlich tiefen Zinsen sehr ausgedehnt gewesen sei. Ob das gestiegene Zinsniveau noch für grösseren Stress an den Finanzmärkten sorge, sei ungewiss. «Viele Folgen treten erst zeitverzögert auf», sagt Hartmann. Gewisse Konsequenzen der gestiegenen Zinsen hat es aber bereits gegeben. Dies sind die folgenden:

Krise bei den US-Regionalbanken: So kamen die US-Regionalbanken im März vergangenen Jahres unter Druck, als Kunden aus den unverzinsten Konten Geld abzogen. Daraufhin mussten sie Buchverluste auf Anleihen, welche wiederum durch den Renditeanstieg verursacht wurden, realisieren. Hier habe das schnelle und beherzte Eingreifen der Aufseher einen Flächenbrand bei den Banken vermieden, sagt Hartmann.

Verluste mit Aktien und Anleihen 2022: Auch die deutlichen Verluste bei Aktien und Anleihen im Jahr 2022 dürften wohl durch die Zinserhöhungen ausgelöst worden sein, sagt Thomas Härter, Investment-Stratege bei der Luzerner Kantonalbank (LUKB).

Sinkende Preise am Immobilienmarkt: Zudem haben die höheren Zinsen in einigen Ländern bereits dafür gesorgt, dass die Immobilienpreise gesunken sind. Dies gilt beispielsweise für Deutschland und Schweden. Dort haben die Häuserpreise im Jahr 2023 um 9,9 Prozent beziehungsweise 6,8 Prozent korrigiert. In den USA, Grossbritannien und der Schweiz waren die Preise hingegen bisher stabil.

Für die weitere Marktentwicklung dürfte entscheidend sein, wie schnell die Zinsen und Renditen herunterkämen, sagt Hartmann. Die Markterwartungen seien hoch, in den USA würden fünf oder sechs Leitzinssenkungen erwartet.

Die Experten der Bank Helaba weisen indessen darauf hin, die Aktienmärkte hätten mit dem beeindruckenden Jahresendrally «bereits einen kräftigen Schluck aus der Pulle genommen». Wenn die Erwartungen bezüglich Zinssenkungen über das Ziel hinausgeschossen seien, könnte es in diesem Jahr zu Enttäuschungen bei der Entwicklung von Aktienkursen kommen, schreiben sie.

Angst vor einer Krise wegen hoher Schulden der USA

Für die weitere Marktentwicklung dürfte unter anderem eine Rolle spielen, ob die immer höhere Staatsverschuldung der USA in den Fokus rückt. Hartmann weist darauf hin, dass sich die Verschuldung der USA in den vergangenen 15 Jahren fast verdoppelt hat. Trotz gut laufender Konjunktur beträgt das Budgetdefizit über 6 Prozent.

«Wenn die Verschuldung eines Staats so hoch ist, ist die Gefahr, dass eine Krise im Hintergrund lauert, hoch», sagt Härter. Selbst bei günstigen Finanzierungsmöglichkeiten würden die US-Staatsschulden bis 2050 auf nahezu 150 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) steigen. Dies wäre höher als der während des Zweiten Weltkriegs erreichte Rekordstand.

Der Investment-Stratege hält die Toleranz hoher Staatsschulden durch die Finanzmärkte für begrenzt. «Nach der Wahl des nächsten US-Präsidenten könnte der Geduldsfaden reissen.» Dann könnten die Finanzmärkte das Federal Reserve zum Eingreifen zwingen oder Haushaltssanierungen einfordern. «Dies könnte dadurch geschehen, dass der Markt die Zinsen nach oben drückt», sagt Härter. Die Risikoprämie für US-Staatsanleihen könnte deutlich steigen. Ein solcher Zinsanstieg wäre für alle Risikoanlagen, angefangen bei Aktien, ein Problem.

Der LUKB-Stratege erwartet aber, dass es den USA durch eine Kombination von Steuererhöhungen, Senkungen von Staatsausgaben und moderaten Zinsmanipulationen des Federal Reserve gelingen dürfte, «den Karren noch rechtzeitig aus dem Dreck zu ziehen». Auch Hartmann geht von einem glimpflichen Ausgang aus: «Ein Verlust des Vertrauens in die USA ist kaum denkbar, denn es fehlen die Alternativen zur Leitwährung Dollar und zum sicheren Hafen US-Staatsanleihen», sagt er.

Kommen die Preise für Immobilien unter Druck?

Härter empfiehlt Anlegern trotzdem, die langfristige Dollar-Quote bei ihren Anlagen zu überprüfen und sich allenfalls zu überlegen, sie zu senken. Das heisse nicht, beispielsweise auf US-Aktien oder andere in Dollar denominierte Anlagen im Portfolio zu verzichten, schliesslich könnten Franken-Anleger das Risiko von Währungsverlusten absichern. So gibt es am Markt zahlreiche Fonds und Exchange-Traded Funds (ETF), die dies tun.

Halten sich die Zinsen auf höheren Niveaus, könnten auch die Preise an den Immobilienmärkten in vielen Ländern noch deutlicher unter Druck geraten. Hartmann weist darauf hin, dass das Segment massgeblich von den niedrigen Zinsen profitiert hat. Hartmann hält Büroimmobilien für besonders exponiert, vor allem in den USA.

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