Samstag, September 28

Ein Feuer zerstörte im Mai ein Fabrikgebäude des Rüstungskonzerns Diehl in Berlin. Laut einem Bericht des «Wall Street Journal» handelte es sich dabei um Sabotage.

Ein völlig zerstörtes Gebäude und ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe: Anfang Mai brach beim deutschen Unternehmen Diehl in Berlin ein grosses Feuer aus. Um die Brandursache gab es von vornherein Spekulationen, weil Diehl Flugabwehrsysteme produziert, die in der Ukraine eingesetzt werden, um russische Angriffe abzuwehren. Nun berichtet das «Wall Street Journal», dass es sich um einen Brandanschlag gehandelt habe. Die amerikanische Tageszeitung beruft sich dabei auf zwei Quellen aus dem deutschen Sicherheitsapparat.

Zuerst hatte die «Bild»-Zeitung über den Verdacht berichtet. Gemäss dem Artikel hat ein ausländischer Nachrichtendienst deutsche Geheimdienste darüber in Kenntnis gesetzt, dass es konkrete Hinweise für eine Beteiligung des russischen Staats gebe. Die deutsche Regierung gehe den Hinweisen nach.

Das «Wall Street Journal» berichtet von abgefangener elektronischer Kommunikation, die eine russische Beteiligung belege. Dies sei aber vor deutschen Gerichten nicht verwertbar, weshalb die deutschen Ermittler die Attacke nicht klar Russland zuordnen würden. Laut den Quellen der Zeitung habe es seit dem russischen Überfall auf die Ukraine möglicherweise Dutzende Vorfälle in Europa gegeben, die darauf abgezielt hätten, die Waffenproduktion zu stören und Verunsicherung zu verbreiten.

Alle Überwachungsvideos bei Brand vernichtet

Bei dem Brand in Berlin seien alle Aufzeichnungen der Überwachungskameras zerstört worden. Bei den potenziellen Tätern handele es sich möglicherweise um Kriminelle, die vom russischen Geheimdienst angeheuert worden und eventuell per Kryptowährung bezahlt worden seien.

Diehl teilte am Freitag hingegen mit, dass man nach bisherigem Ermittlungsstand von einem technischen Defekt als Brandursache ausgehe. Zu diesem Schluss seien die Versicherungsgutachter gekommen. «In der reinen Theorie» könne aber auch Sabotage zu dem Defekt geführt haben, so zitiert der Rundfunk Berlin Brandenburg den Geschäftsführer. Die deutsche Regierung wollte sich zu den Spekulationen nicht äussern, die Polizei ermittelt weiter.

Der Brand in Berlin betraf das Unternehmen Diehl Metal Applications, das zur Diehl-Gruppe gehört, die für ihre Lenkflugkörper und Flugabwehrsysteme bekannt ist. Am Berliner Standort werden vor allem Teile für die Automobilindustrie hergestellt. Das Werk ist auch nach dem Grossbrand weiterhin in Betrieb.

Die deutsche Regierung hatte der Ukraine zwei Flugabwehrsysteme von Diehl geliefert. Die Systeme vom Typ Iris-T gelten als hochmodern und sehr treffsicher. Die ukrainische Armee setzt sie vor allem dafür ein, den Luftraum über Kiew gegen russische Angriffe mit Marschflugkörpern zu verteidigen. Russland hatte die westlichen Staaten, die der Ukraine Waffen liefern, immer wieder davor gewarnt, dass dies Konsequenzen haben werde.

Allem Anschein nach ist Deutschland mittlerweile im Visier der russischen Geheimdienste. Im April waren in Bayern zwei Deutsch-Russen verhaftet worden, die mutmasslich für Moskau spioniert hatten. Sie sollen Militärstützpunkte ausgespäht und Sabotageaktionen geplant haben. Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock bestellte daraufhin den russischen Botschafter ein.

In Berlin steht derzeit ein Mitarbeiter des deutschen Nachrichtendienstes BND vor Gericht, der brisante Informationen an Russland verraten haben soll. Obendrein steckt Moskau mutmasslich hinter Cyberattacken auf das deutsche Parlament sowie die Parteizentrale der SPD.

Russland mordete mitten in Berlin

Schon im Jahr 2019 zeigte sich, wie skrupellos russische Geheimdienste in Deutschland vorgehen. Ein von ihnen beauftragter Krimineller erschoss in einem Berliner Park den Kommandanten einer tschetschenischen Miliz, der in Deutschland Asyl gesucht hatte. Nach dem sogenannten Tiergartenmord warf ein Berliner Gericht Russland Staatsterrorismus vor.

Diese Attacke fand lange vor dem russischen Überfall auf die Ukraine und den aggressiven Drohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen Deutschland statt. Sie fällt in einen Zeitraum, in dem das bilaterale Verhältnis vergleichsweise intakt war.

Deutschlands Regierung trieb damals – gegen den Widerstand der USA – gemeinsam mit Russland den Bau der mittlerweile zerstörten Gaspipeline Nord Stream 2 voran. Wenn die russische Regierung selbst in dieser Phase vor einem Mord mitten in Berlin nicht zurückschreckte, scheint ein Brandanschlag in Kriegszeiten zumindest plausibel.

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