Donnerstag, Oktober 3

Er machte sich über alle lustig, egal ob Promi oder Aussenseiter. Um die Folgen seines Humors kümmerte er sich nicht. Das ist unsympathisch – kann aber immer noch funktionieren.

Er war einer der grössten Entertainer des deutschen Fernsehens. Doch junge Menschen von heute wissen kaum noch, wer er ist. Die Rede ist von Stefan Raab, dem Mann mit dem dünn rasierten Rundumdenmundbart, den Schlabberhosen und dem fiesen Grinsen.

Sein Vermächtnis lässt sich so zusammenfassen: In der deutschen Fernsehunterhaltung gibt es eine Zeit vor Raab und eine Zeit nach ihm. Dazwischen liegt eine Revolution.

Für Raab sassen in den nuller Jahren Teenager und Erwachsene bis in die Nachtstunden vor dem Bildschirm. Sein Humor war anders, provokativ, unanständig und hämisch – und vor allem quotenstark. Raab war ein lässiger Dilettant, der sich alles selbst beibrachte. Er konnte nichts richtig, aber das dafür richtig gut. Er machte Musik, moderierte Sendungen und erfand TV-Formate.

Der Star dieser neuen Shows war immer Raab selber.

2015 wurde es plötzlich still um ihn, der Entertainer trat ab. Fast zehn Jahre hörte man nichts mehr. Doch am Samstag kehrt er zurück – und zwar mit einem Format, das um die Jahrtausendwende ein riesiger Erfolg war: einem Boxkampf gegen eine Frau.

Es fragt sich: Welche Art von Humor steht da möglicherweise vor einem Comeback?

Um das herauszufinden, haben wir uns drei typische Sendungen angeschaut. Reise in eine vergangene Zeit.


Der boxende Metzger – Schaukampf (22. März 2001)

Stefan Raab tänzelt zur Musik von James Brown aus seiner Kabine und macht sich auf den Weg in den Boxring. Er trägt eine Pilotensonnenbrille und einen goldenen Bademantel mit der Aufschrift «Killerplauze». In Köln, wo Raab herkommt, bedeutet Plauze Bierbauch.

Raab, ein 34-jähriger, bleicher Mann, stellt sich in die Ringmitte und hebt siegessicher die Arme. Egal, was als Nächstes passiert: Er hat schon gewonnen. Sein Sieg liegt im Fernsehspektakel, das er gleich erschaffen wird. Einen Kampf zwischen einem Entertainer und einer Boxweltmeisterin gab es in Deutschland noch nie.

Das Duell zwischen Raab und Regina Halmich wollen alle sehen: die, die Raab mögen, genauso wie die, die hoffen, dass er endlich einmal richtig verprügelt wird. Knapp acht Millionen Zuschauer sehen sich den Kampf auf Pro Sieben an, gleich viele Männer wie Frauen.

Es ist 22 Uhr, und der Kampfansager sagt: «Bitte erheben Sie sich für die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland.» Einen Moment herrscht Stille. Dann wird eine dunkelhäutige Frau eingeblendet, die ungelenk tanzt und immer die gleiche Liedzeile singt: «Ich liebe deutsche Land, ich liebe deutsche Land, ich liebe deutsche Land.»

In der Halle bricht das Publikum in Gelächter aus. Die Frau ist Verna Mae Bentley-Krause, eine Amerikanerin, die in den 1980er Jahren nach Kaiserslautern auswanderte und ein Blumengeschäft eröffnete.

Das kurze Video ist ein Muster für Raabs Humor: Er führt Menschen vor, die komisch reden, komisch aussehen und komische Dinge tun. Ob diese Menschen reiche Promis oder arme Aussenseiter sind, ist Raab egal.

Er verspottet alle, ist ja nur Spass.

Damals lachen viele über Raabs Scherze, in Deutschland, in Österreich und auch in der Schweiz. Es ist die Lust am Unglück der anderen, das die Leute vor die Fernsehgeräte lockt.

Bevor der erste Gong ertönt, spaziert eine Pornodarstellerin durch den Ring und kündigt die Runde an. Ein Boxexperte wirft ein paar anzügliche Bemerkungen ein und erklärt, Raab müsse aufpassen, nicht zu früh zu kommen, wenn er Regina Halmich wirklich flachlegen wolle.

Dann beginnt der Kampf.

Raab ist grösser und schwerer als Halmich. Aber er boxt so, wie er durch seine Sendungen führt: unvorbereitet. «Wer übt, kann nix», sagte er einmal. Bei jedem Schlag ins Gesicht des Entertainers jubeln die Zuschauer in der Halle.

Die Show steht unter dem Motto «Schluss mit lustig», es ist ein richtiger Kampf, mit richtigen Schlägen und richtigem Blut. Irgendwann schlägt Regina Halmich so hart zu, dass sie Raabs Nasenbein bricht. Raab macht trotzdem weiter. Nach fünf Runden verliert er nach Punkten.

Schluss mit lustig! Der Boxkampf: Stefan Raab vs. Regina Halmich | TV total

Nach dem Kampf steht Stefan Raab schwitzend an einem Tischchen und sagt, er hätte keine weitere Runde durchgehalten, «Frauenboxen ist ja doch keine Mami-Sportart».

Der Moderator hatte mit der Niederlage gerechnet. Aber ans Verlieren gewöhnte er sich nie. Er sah sich auch dann noch als Gewinner. Ein Ehrgeiz, den er später noch vergolden wird.

Stefan Raab wurde 1966 in Köln geboren. Er war Messdiener, besuchte ein katholisches Jesuiten-Internat, studierte nach dem Abitur fünf Semester Jura – und brach dann ab. Nebenbei machte er im Betrieb seiner Eltern eine Lehre. Diese führten im Stadtteil Sülz eine Metzgerei.

In einem Interview mit dem «Spiegel» sagt Raab später: «Als mein Vater seine Metzgerei eröffnen wollte, gab’s schon fünf oder sechs in der Strasse. Papa Raab wusste: Macht er die beste Wurst, wird sein Laden funktionieren. Genau so kam’s.»

Dieses Prinzip übernahm der Sohn vom Vater: Wenn man etwas tut, was es schon gibt, muss man besser sein als die anderen.

Stefan Raab verkaufte zwar nicht Würste, aber Unterhaltung. Und er tat das so wie kein deutscher Moderator vor ihm: Er wagte, was allen anderen Fernsehmachern zu albern war oder unmöglich erschien: Raab liess Prominente in asiatischen Gemüsebratpfannen einen Eiskanal runterfahren, spielte mit Autos Fussball und veranstaltete Wettspringen von Zehnmetertürmen. 2007 kämpfte er noch einmal gegen Regina Halmich und verlor erneut.

An diesem Samstag, im Alter von 57 Jahren, steigt Stefan Raab noch einmal gegen die frühere Boxweltmeisterin in den Ring. Raab kopiert seine Erfolgssendung so wie andere vor ihm. Retrofernsehen liegt im Trend. «Wetten, dass . . .?» kam zurück, «Benissimo» auch oder die Spielshow «Geh aufs Ganze» mit der roten Plüschfigur Zonk.

Die Frage aber ist: Was folgt nach Raabs Boxkampf? Bekommt er eine neue Sendung, in der er noch immer die gleichen Witze erzählt wie früher? Und kann das immer noch funktionieren?


Die Häme – «TV total» (12. September 2004)

Ja, es kann noch funktionieren. Mit «TV total» hat Raab von 1999 bis 2015 auf sein immergleiches Erfolgsrezept gesetzt. Die Schadenfreude.

So auch an diesem Sonntag im September 2004. Die Sendung beginnt mit funky Big-Band-Musik und einem bunten Einspieler mit dem ikonischen Logo von «TV total»: ein comicartiger Röhrenfernseher mit Teufelshörnern.

Die Showbühne hebt Stefan Raab auf ein Podest, Schlabberjeans, unförmiger Cardigan, graues T-Shirt.

Sein Look sagt: Ich kümmere mich nicht um mein Aussehen. Ich bin ein normaler Typ, so wie ihr. Gleichzeitig ist da dieses Grinsen, das ein Versprechen ist: Von diesem Mann kann man Witze erwarten, die sich sonst keiner zu erzählen getraut. Wenn einer dieser Witze wieder einmal besonders weh tut, lacht Raab selbst am lautesten.

Hinter dem Moderator erscheinen auf einem Bildschirm Schlagzeilen oder Videoschnipsel mit Peinlichkeiten aus der Welt des TV-Trashs – die Grundlage für Raabs Humor. Die Sendung vom 12. September 2004 ist perfektes Beispiel dafür.

Witz 1: Eine Schlagzeile über Saddam Hussein, der damals gerade im Gefängnis sitzt und offenbar hinter Gittern gärtnert. Raab setzt einen Ausländerakzent auf: «Der geht wahrscheinlich von Zelle zu Zelle und sagt: Wolle Rose kaufe?»

Witz 2: Eine Schlagzeile über britische Männer, die gerne weinen. Das Publikum macht ein höhnisches «Ooohhh . . .». Dann sucht Raab nach den Gründen, warum «jeder dritte Brite» einmal im Monat heult: «Schlechtes Essen, schlechtes Wetter oder weil sie so hässlich sind.»

Witz 3: Ein Pop-Sternchen geht aufs Oktoberfest. Dort trifft die Frau mit indischen Wurzeln drei Schotten mit Schottenröcken. Die Sängerin schaut unter einen der Röcke und erschrickt. Nach dem Einspieler äfft Raab die Frau nach und sagt: «Aaah, es hat mich angeguckt! Es hat nur ein Auge!»

Stefan Raab stand fast 2400 Mal für «TV total» vor der Kamera. Die meiste Zeit mehrmals wöchentlich. Seit 2021 läuft die Sendung im Zuge des Nostalgiefernsehens mit einem neuen Moderator. Aufwärmen, was einst erfolgreich war.

Raabs Humor war zwar immer der gleiche, aber er hat ihn immer wieder kreativ verpackt. Am legendärsten waren die vielen Knöpfe auf seinem Moderatorenpult, oder «Nippel», wie sie Raab nannte.

Per Knopfdruck konnte er peinliche Videoschnipsel einblenden. Einen Kandidaten aus der Sendung «Schwiegertochter gesucht» etwa, der an einer Stelle sagt: «Ich bin fett, ja und?» Oder eine Frau aus derselben Sendung, die über einen Mann sagt: «Er ist zwar nicht der Schönste, aber er ist nett.»

Diese Schnipsel waren eine Art GIF vor dem Smartphone-Zeitalter. Sie waren lustig, weil sie komplett aus dem Zusammenhang gerissen wurden.

Die Schattenseite dieses Humors zeigte sich aber auch in diesen Miniclips: Raab zog Menschen auf eine Bühne, auf die sie nicht gehörten. Übergewichtige, Randständige, Wehrlose. Zwar traten einige von ihnen mehr oder weniger freiwillig an die Öffentlichkeit, in TV-Trash-Formaten oder in Talentshows.

Raab rechtfertigte sich jeweils so: Wer ins Fernsehen drängt, muss sich nicht wundern, wenn er vorgeführt wird. Doch der Entertainer steigerte die Bekanntheit dieser Menschen um ein Vielfaches – mit teilweise belastenden Folgen.

Zum Beispiel bei Lisa Loch, einem damals 16-jährigen Mädchen, das an einem Schönheitswettbewerb teilgenommen hat. Raab witzelte, dass Loch nur ihr Künstlername sei, in Wirklichkeit heisse sie Petra Pussy.

Den Namen der Jugendlichen verwendete Raab als Running Gag. Auf die politische Forderung, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken, hielt der Moderator ein vermeintliches Wahlplakat in die Kamera. Abgebildet war eine Blondine beim Sex, die Lisa Loch ähnelte. Aufschrift oben: «Lisa-Loch-Partei». Aufschrift unten: «Loch für alle».

Die junge Frau sagte später, sie habe jahrelang unter Mobbing gelitten. Sie habe obszöne Anrufe erhalten, sei auf offener Strasse beleidigt und mit Spottgesängen verhöhnt worden. Eine Zeitlang habe sie sich gar nicht mehr aus dem Haus getraut und habe eine Psychotherapie machen müssen. Loch verklagte Raab und hatte Erfolg: Der Entertainer musste später 70 000 Euro Schadenersatz zahlen – wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung.

Ähnlich wie Lisa Loch erging es Regina Zindler. 1999 besuchte sie die TV-Show «Richterin Barbara Salesch» auf Sat. 1. Es ging um einen Nachbarschaftsstreit, um einen Maschendrahtzaun. Die Art, wie die Frau mit dem sächsischen Dialekt das Wort «Maschen-Draht-Zaun» aussprach, reichte Raab, um sie zur Witzfigur zu machen. Er komponierte einen Countrysong, der Platz eins der deutschen Charts belegte und zum Millionenseller wurde.

Für Zindler waren die Folgen nicht lustig. Fernsehteams belagerten ihr Grundstück, Schaulustige schnitten Teile aus ihrem Maschendrahtzaun, das Haus musste von der Polizei bewacht werden. Am Ende verkaufte Zindler ihr Haus und zog nach Berlin. Auch sie musste eine Therapie machen.

Auf den Fall angesprochen, sagte Raab 2001 in einem seiner seltenen Interviews, man habe «Frau Zindler» nie in der Sendung gehabt, nie mit ihr gefilmt. Der Ausschnitt stamme aus einer TV-Sendung, an der Zindler freiwillig teilgenommen habe.

Dass «Frau Zindler» nur wegen Raab diese Bekanntheit erlangt hatte, verschwieg Raab. Sie selbst sagte Jahre später gegenüber der «Bild»-Zeitung: «Der Raab hat sich nie für uns interessiert, nie gefragt, wie es uns geht. Er hat viele Menschen durch den Dreck gezogen, uns auch.»

Neben dem Spott über Teilnehmende von TV-Trash-Shows machte sich Raab auch immer wieder über Homosexuelle lustig. Zu sehen ist das etwa bei einer Reportage von einem Fussballturnier für Schwule und Lesben.

Raab läuft an Frauen mit kurzen Haaren vorbei («Irgendwie sehen die alle aus wie Scooter»), spricht mit Sanitätern («Schwule brauchen sich vor dem Spiel ja nicht warmlaufen», oder: «Ist sonst etwas passiert? Rosettenzerrung?»), und er überreicht einem Anwesenden ein Heft mit dem Namen «Ficker» (anstatt «Kicker», das bekannte Fussballmagazin).

Nicht wenige scheinen sich diesen Humor zurückzuwünschen. Schaut man sich auf Youtube die neusten Kommentare unter dem Video an, ist der Tenor eindeutig: Hach, war das damals schön, als man noch Witze über alles machen konnte. So sollte es wieder sein. Heute darf man ja über gar nichts mehr lachen.

Raabs Humor ist destruktiv, hämisch. Damit traf er den Geschmack eines grossen Teils des TV-Publikums der nuller Jahre. Der Trick ist einfach: Wer sich über andere lustig macht, erlebt ein Gefühl der Überlegenheit. Häme als Egobooster.

Lange wurde Raab deshalb von den Kulturkritikern verachtet. Sie bezeichneten ihn als TV-Dödel, als König des Pimmelwitzes, als Garantiesiegel des schlechten Geschmacks.

Doch das änderte sich, als Stefan Raab eine andere, eine ernsthafte Seite zeigte. Eine, die ihn eigentlich schon seit Beginn seiner Karriere beim Musiksender Viva begleitete: die Musik.

Zwar waren seine ersten Erfolge noch Blödeleien. Auch bei seinen Teilnahmen am Eurovision Song Contest (ESC) war noch viel Klamauk dabei – als Komponist und Produzent von «Guildo hat euch lieb» (1998, Platz 7) oder als Sänger von «Wadde hadde dudde da?» (2000, Platz 5).

Doch allmählich verdrängte die Ernsthaftigkeit die Blödeleien. Stefan Raab wurde zum Musikproduzenten und damit zum Förderer von Talenten. In seinen eigenen Castingshows unter dem Label «TV total» entdeckte er Künstlerinnen und Künstler wie Max Mutzke oder Stefanie Heinzmann.

Seinen grössten Triumph feierte Raab aber 2010. In seiner Show «Unser Star für Oslo» entdeckte er die 18-jährige Lena Meyer-Landrut, eine damals unbekannte Abiturientin. Im selben Jahr holte sie für Deutschland den ersten ESC-Sieg seit 1982.

Sogar in die Politik durfte Raab sich nun einmischen: 2013 konnte er das Kanzlerduell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück mitmoderieren.

Spätestens jetzt merkten auch die letzten Kritiker: Diesen Raab müssen sie ernst nehmen.


Der krankhafte Ehrgeiz – «Schlag den Raab» (4. Juni 2011)

Stefan Raab hasst es zu verlieren. Wenn er Spiele spielt, verwandelt er sich in ein Kind. Um zu gewinnen, tut Raab alles. Er trickst, er beschwert sich beim Schiedsrichter, und er wird wütend. Vom Clown aus «TV total» bleibt wenig übrig.

Es ist schon ziemlich genial, dass es Raab schafft, auch aus dieser eher unsympathischen Eigenschaft Kapital zu schlagen. 2006 erfindet er die TV-Sendung «Schlag den Raab», eine Art Gladiatorenkampf. In 15 Spielen tritt Raab gegen Kampfpiloten an, gegen Kriminalkommissare oder Sportstudenten. Mann gegen Mann – nur selten gegen eine Frau.

Man duelliert sich im Kistenstapeln, Kopfrechnen, Eisstockschiessen oder Speed-Badminton. Zu Spitzenzeiten schalten bei «Schlag den Raab» vier Millionen Zuschauer zu. Die Show ist ein Marathon. Die längste Sendung dauerte über sechs Stunden bis halb drei Uhr morgens.

Das Format ist so erfolgreich, dass es in 18 Länder verkauft wird, nach Amerika, Grossbritannien, Australien oder Ungarn. Es gibt Brettspiele zur Sendung und Videogames. Raab sagte einmal: «Was wir mit unserer Show machen, ist die älteste Auseinandersetzung der Welt. Mich hat gewundert, dass noch nie jemand vor mir auf die Idee gekommen ist.»

Am 4. Juni 2011 spielt Raab gegen einen Bundeswehrarzt, 29 Jahre alt und durchtrainiert. Raab sagt: «Ich bin so fit und so aggressiv wie selten zuvor und möchte eine richtige Klatsche verteilen.» Nach einem viel zu langen Intro duellieren sich die beiden im Fussball-Golf, im Inline-Langlauf oder im Spaghetti-Schnappen. Kinderspiele, von Erwachsenen ausgetragen.

Nach über vier Stunden sitzen sich die beiden beim letzten Duell gegenüber: Sie spielen das Kinderspiel «Kofferpacken». Wer hier gewinnt, gewinnt alles. Für den Bundeswehrarzt geht es um eine Million Euro. Dann macht er den entscheidenden Fehler und verhaspelt sich.

Raab springt vom Sessel auf und schreit: «Ja! Ja! Ja!» Er ballt die Fäuste, schreit nochmals «Ja! Jaaaa!», so dass sich seine Stimme überschlägt, während der Arzt konsterniert sitzen bleibt.

So ist es immer bei «Schlag den Raab»: Am meisten Freude scheint Raab zu haben, wenn er die anderen um ihr Geld bringt. Das tut er oft. In 54 Sendungen gewinnt er 38 Mal. Nie würde es ihm in den Sinn kommen, einem Kontrahenten etwas zu schenken oder ihn sogar gewinnen zu lassen. «Schlag den Raab» überträgt das absolute Leistungsprinzip auf eine Familienshow.

Die Zuschauer wissen: Raab macht immer weiter – auch wenn er mit dem Mountainbike stürzt und das Bewusstsein verliert, wenn er sich das Jochbein bricht oder mit der Faust nach einer falschen Antwort das Spielpult kaputtschlägt.

Bis zum Dezember 2015. Dann ist plötzlich Schluss, Raab tritt zurück. Die Zeitungen spekulieren: Will er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, die er erfolgreich von den Medien abschottete? Oder hat er einfach keine Lust mehr auf den Zirkus? Bis heute weiss man nicht so genau, was wirklich passiert ist.


Der Neubeginn – Boxkampf (14. September 2024)

Klar ist: Richtig aufgehört hat Raab nicht. Hinter der Kamera erfand er neue TV-Shows, häufig für Pro Sieben und gemeinsam mit der Firma Brainpool, mit der er bereits seit 1998 zusammenarbeitete. Doch vor ein paar Jahren kam es zum Bruch. Der Entertainer zog sich aus dem Unternehmen zurück und verlor damit die Rechte an «TV total» oder «Schlag den Raab».

Die Beziehung mit Pro Sieben bekam ebenfalls Risse. Zwei Jahrzehnte lang war Raab das Gesicht des Senders. Doch nach seinem Rücktritt erfand Raab auch Formate für den grossen Rivalen RTL. Sendungen wie das «TV-total-Turmspringen», «Blamieren oder Kassieren» oder «Schlag den Besten» (eine Art Nachfolge von «Schlag den Raab») zogen zur Konkurrenz.

Irgendwann wurde es Pro Sieben wohl zu viel. Der Senderchef Hannes Hiller formulierte es gegenüber dem Branchenmagazin DWDL.de so: «Wenn jemand seit Jahren regelmässig für den BVB aufläuft, aber dann immer häufiger im Fanblock den FC Bayern anfeuert, dann stellt sich doch zwangsläufig eine Frage: Wann ist die richtige Zeit für einen Vereinswechsel?»

Diesen Vereinswechsel hat Stefan Raab nun scheinbar vollzogen. Der Moderator gründete im Januar zusammen mit dem Ex-Pro-Sieben-Boss Daniel Rosemann eine eigene Firma: Raab Entertainment GmbH. Eine Heimat scheinen die beiden bei RTL gefunden zu haben. Der Boxkampf gegen Regina Halmich wird neu auf diesem Sender zu sehen sein.

Und das soll erst der Anfang sein. Wie DWDL.de munkelt, hat Raab mit RTL einen Megadeal von 90 Millionen Euro abgeschlossen – für die Zusammenarbeit in den Folgejahren.

Der TV-Dino Stefan Raab scheint dem Sender RTL viele Millionen Euro wert zu sein. Ein Zeichen dafür, dass sein Humor auch heute noch Erfolg haben könnte. Die Schadenfreude stirbt zuletzt.

Sie funktioniert, seit es Menschen gibt.

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