Samstag, Oktober 5

«Perfect Match» erzählt von der Liebe des «deutschen Roboters» zum «Rockstar des Tennis». Am Ende freut man sich, wie die beiden friedlich auf einer Alm sitzen und sich versprechen, dass ihre Kinder nicht Tennis spielen müssen.

Tennis ist ein dramatischer Sport, filmästhetisch gesehen. Zwei Männer oder zwei Frauen mit grundverschiedenem Naturell, daraus lässt sich ein dramaturgisch schlüssiger Zweikampf machen. Tennisfilme sind immer auch Erzählungen von Einsamkeit, das liegt schon in der Natur des Sports. Anders als Fussballspieler steht der Tennisplayer buchstäblich alleine da. Es gibt kein Team, auf das sich der Stress und die Scham über das Scheitern verteilen liessen.

Steffi Graf und Andre Agassi waren die Tenniswunderkinder der neunziger Jahre. Beide wurden von ihren Vätern gecoacht, wobei Coaching hier nur ein anderes Wort für Ausbeutung ist. Beide gewannen Wimbledon, beide galten als Ikonen ihrer Zeit. Graf, der «deutsche Roboter», wie sie Agassi einmal nennt. Agassi, der «Rockstar des Tennis», ein junger Wilder, dessen Renitenz nicht ganz so weit ging wie bei John McEnroe, aber doch ausreichte für viele Skandälchen auf den globalen Courts.

Drill von Kindesbeinen an

«Perfect Match» (auf Amazon) erzählt die Love-Story dieser beiden als Emanzipationsgeschichte. Zueinanderfinden ist Wegkommen vom Tennis als Schicksalsmacht und Zwangsverhältnis. Das ist die Grundidee des brav im Fernsehspielstil inszenierten Films; sie gehört ins Vorstellunsgrepertoire einer Genieästhetik, die das grosse Talent auch immer als Leidenden begreift. Und es war ja auch so: Peter Graf drillte seine Tochter von Kindesbeinen an und hetzte sie von Turnier zu Turnier. Agassis Vater kommentierte den Wimbledon-Sieg seines Sohnes knapp: «Glückwunsch, aber der 4. Satz am Ende war mies. Darüber reden wir noch.»

Der Regisseur Florian Gallenberger rollt die Geschichte der beiden chronologisch auf. Erzählerisch ist das wenig ambitioniert, aber die stilistische Anspruchslosigkeit passt zu einem Film, der eine klare moralische Linie verfolgt. Graf und Agassi sind Opfer ihres Könnens und jener Nutzniesser, die es bewirtschaften. Die Prämisse dieses Szenarios hat etwas märchenhaft Simples. Zwei Königskinder, die lange nicht zueinanderkommen, schlimme Prüfungen bestehen und am Ende glücklich werden.

Dass «Perfect Match» kein plumpes Bilderbuch über zwei Tennisstars geworden ist, liegt an den exzellenten Darstellern: Lena Klenke verkörpert die Nüchternheit von Steffi Graf, ihren vielbeschworenen Pragmatismus, und porträtiert sie zugleich als junge Frau, deren rigide Leistungsethik nur die Kehrseite einer grossen inneren Zartheit ist. Wie alle echten Künstlerinnen erlebt sie ihr Talent als Bürde und Geschenk, und wie Agassi wünscht sie sich in eine Zeit zurück, in der Tennis keine Ressource, sondern ein Vergnügen war.

Toby Sebastian spielt Agassi als «angry young man», genervt vom Klassendünkel des Tennisbetriebs. Sein Rocker-Image ist so wenig authentisch wie die Soldatenrolle, die Graf zu spielen hat. Hinter der Fassade des wütenden Profis hofft ein empfindsamer Mann auf Erlösung.

Die Erlösung liegt in der romantischen Verbindung, so zeigt es jedenfalls «Perfect Match». Man kann das kitschig finden, aber die Geschichte ist erstens von den biografischen Tatsachen beglaubigt – Agassi und Graf sind seit 2001 verheiratet –, und zweitens ist eine gelungene Romanze ein Trostpflästerchen für alle, denen Scheidungsquoten und Dating-Miseren die Laune verhageln.

Am Ende freut man sich, dass die beiden von Eltern und Medien durch die Jahre gescheuchten Spieler friedlich auf einer Alm beisammensitzen. Ein keuscher Kuss und das Versprechen, dass, sollte man später Kinder haben, sie keinesfalls Tennis spielen müssen: So einfach sieht manchmal der Auftakt eines gelungenen Lebens aus.

Kein zweiter «Challengers»-Film

Im Angebot der Tennisfilme rangiert «Perfect Match» weiter unten in der Rangliste. «Borg/McEnroe» ist erzählerisch deutlich vertrackter (unbedingt sehenswert: Sverrir Gudnason als abgründiger Björn Borg), «King Richard» über die Schwestern Venus und Serena Williams sehr viel ehrgeiziger, was Schauwerte und dramatische Volten angeht. Jüngst konnte man Zendaya in «Challengers» als gescheiterten Tennisstar zwischen zwei Spielermännern beim Liebeskampf zusehen, ein exzellentes Porträt des Profis, dessen Ehrgeiz in Zerstörung umzuschlagen droht.

Aber «Perfect Match» macht, was der Stoff hergibt. Man muss Biografien nicht mit Ideen aufladen, die gar nicht in ihnen angelegt sind. Steffi Graf und Andre Agassi spielten gross auf in den neunziger Jahren, entsprechend sind sie Repräsentanten einer Ära, die zwar politisch bewegt, aber längst nicht so katastrophal belastet war wie unsere Gegenwart. Deutschland meisterte eine Wiedervereinigung, die Kohl-Regierung versprach wirtschaftliche und soziale Solidität.

Auch für Amerika lief es wirtschaftlich und politisch einigermassen gut, die grossen Brüche wie Finanzkrise und Terror kamen erst später. Heute wirken persönliche, in den Medien ausgetragene Befreiungskämpfe immer ein wenig narzisstisch. Die private Misere eines Tennisprofis verblasst im Angesicht globaler Krisen. Das Perfect Match von Graf und Agassi ist deshalb ein nostalgisches Vergnügen, ein tröstliches Zusammenspiel von Sport und Romantik.

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