Montag, November 25

Deutsche Konzerne von Bayer bis SAP machen Schlagzeilen mit Stellenabbau-Plänen. Sie wollen ihr Überleben in einer sich rasch ändernden Welt sicherstellen. Der Staat sollte sich ein Beispiel daran nehmen.

Die deutsche Wirtschaft hat derzeit einen schlechten Lauf. Sie stecke in der Rezession fest, konstatierte das Münchner Ifo-Institut bei der Veröffentlichung seines jüngsten Geschäftsklimaindexes, der eine weitere Verschlechterung der Stimmung unter den Unternehmen im Januar zeigte. Vergangenes Jahr ist das deutsche Bruttoinlandprodukt um 0,3 Prozent gesunken, für das laufende Jahr erwarten die meisten Auguren bestenfalls eine marginale Verbesserung.

Konzerne bauen Stellen ab

Strukturelle Schwächen, Pandemie, geopolitische Verwerfungen, die Energiekrise, Inflation und höhere Zinsen lasten auf der Volkswirtschaft. Die Deindustrialisierung, vor der sie lange gewarnt hätten, habe eingesetzt, klagen Unternehmer.

Ins Bild passen sich häufende Meldungen über einen Stellenabbau in deutschen Grossunternehmen. Am Mittwoch hat der Softwarekonzern SAP die Streichung von weltweit 8000 Stellen angekündigt. Eine Woche zuvor gab der Pharma- und Agrochemiekonzern Bayer bekannt, seine Restrukturierung werde allein in Deutschland «einige tausend Stellen» kosten. Der Autozulieferer Bosch bestätigt, dass insgesamt rund 3200 Arbeitsplätze, die meisten davon in Deutschland, wegfallen dürften. Auch bei den Autozulieferern Continental und Zf Friedrichshafen stehen einschlägige Schritte an.

Rezession ohne Arbeitslose?

Ist die Krise im Arbeitsmarkt angekommen? Bisher hat sich dieser für eine Rezession untypisch gut gehalten. Im Dezember lag die Arbeitslosenquote mit 5,7 Prozent nur 0,3 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert. Wegen der Alterung der Bevölkerung herrscht weiterhin Arbeitskräftemangel. Viele Stellen lassen sich über vorgezogene Renteneintritte und den Verzicht auf Nachbesetzungen reduzieren; wer entlassen wird, hat meist Chancen auf einen neuen Job.

Zudem lohnt sich ein differenzierender Blick auf die Einzelfälle. Bei SAP fallen 2024 zwar 8000 Stellen weg, aber da der Konzern zugleich in Wachstumsbereichen wie der künstlichen Intelligenz aufbaut, soll die Gesamtzahl der Mitarbeiter per Ende Jahr bei weltweit rund 107 000 stagnieren. Per saldo ist es ein Umbau, kein Abbau, und auch keine Flucht aus Deutschland.

Bürokratie lähmt Bayer

Bayer korrigiert hausgemachte Fehlentwicklungen: Nicht nur der deutsche Staat leidet unter der Bürokratie, auch manche Konzerne tun es. Bill Anderson, der neue Konzernchef, klagt, dass zwischen ihm und dem Kunden in manchen Unternehmensbereichen zwölf Ebenen lägen. Flachere Hierarchien, weniger Bürokratie und mehr Eigenverantwortung der Mitarbeiter sollen den unter Erblasten der Monsanto-Übernahme ächzenden Konzern nun wieder fitter machen.

Bei den Autozulieferern schlägt der Strukturwandel der deutschen Automobilindustrie durch: Die Branche tut sich schwerer bei der Umstellung zum Elektromotor und zum «intelligenten», Software-getriebenen Auto als manch ein ausländischer Konkurrent. Zudem führen die hohen deutschen Arbeits- und Energiekosten zu Produktionsverlagerungen an kostengünstigere Standorte.

¨Überleben durch Wandel

So unterschiedlich die einzelnen Fälle sind, so haben sie doch einen gemeinsamen Nenner: Es ist der Versuch von Unternehmen, sich an veränderte Umstände anzupassen und damit wieder «vor die Kurve zu kommen» – oder dort zu bleiben. Sie werden damit nicht jede einzelne Produktionsstätte in Deutschland halten können. Aber das Sich-selbst-immer-wieder-neu-Erfinden kann das langfristige Überleben sichern.

Auf diesem Weg müsste der Staat die Firmen durch kluge Rahmenbedingungen unterstützen. Stattdessen wirkt er in Deutschland allzu oft als Hemmschuh. Die Klagen über zu viel Bürokratie und zu wenig Digitalisierung, zu hohe Steuern und zu schlechte Infrastrukturen waren schon unter den Merkel-Regierungen ebenso laut wie folgenlos. Mit der «Ampel» sind lähmender interner Streit, Detailversessenheit und Unberechenbarkeit hinzugekommen. Auch der Staat müsste endlich wieder vor die Kurve kommen.

Sie können dem Berliner Wirtschaftskorrespondenten René Höltschi auf den Plattformen X und Linkedin folgen.

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