Montag, Oktober 28

Am Dienstag fällt im Bundeshaus der erste Entscheid zum AHV-Ausbau. Die Fronten sind verhärtet. Aus der Mitte kommt ein Kompromissvorschlag.

Noch gut zwei Jahre müssen AHV-Rentner im In- und Ausland warten, bis sie zum ersten Mal ein «Weihnachtsgeld» von bis zu 2500 Franken erhalten. Im Dezember 2026 soll die 13. Monatsrente, die das Volk im März mit grosser Mehrheit beschlossen hat, zum ersten Mal ausbezahlt werden. Dieser Teil der Umsetzung des AHV-Ausbaus steht praktisch fest. Völlig unklar ist hingegen, woher das Geld kommen soll. Weil der Initiativtext der Gewerkschaften dazu keine Angaben macht, muss nun das Parlament entscheiden. Die Frage ist umstritten, der Zeitdruck hoch – das Absturzrisiko ebenso.

Am Dienstag findet im Bundeshaus die erste Sitzung dazu statt. Wie so oft bei dornenreichen Themen haben offenkundig Kräfte im Hintergrund dafür gesorgt, dass die Vorlage zuerst im Ständerat diskutiert wird. Man erhofft sich hier mehr Konzilianz als im Nationalrat. So ist es nun die Sozialkommission des Ständerats, die am Dienstag die erste Weichenstellung vornehmen wird.

Die Fronten sind verhärtet. Der Bundesrat schlägt vor, einmal mehr die Mehrwertsteuer zweckgebunden für die AHV zu erhöhen. Der Normalsatz soll von 8,1 auf 8,8 Prozent steigen, womit die Konsumenten jährlich etwa 2,5 Milliarden Franken zusätzlich abliefern müssten. Doch dieser Ansatz ist hüben und drüben umstritten.

SVP und FDP sind grundsätzlich gegen eine Zusatzfinanzierung für die 13. Rente. Sie verlangen eine «Gesamtschau»: Der Bundesrat soll die umfassende AHV-Reform, die sowieso schon lange geplant ist, zeitlich vorziehen. Die Linke hingegen möchte statt der Mehrwertsteuer lieber die Lohnbeiträge erhöhen. Als Einzige stellt sich die Mitte-Partei hinter den Vorschlag des Bundesrats.

Mitte: «Ein gangbarer Weg»

Die Mitte ist es nun auch, die versucht, einen Kompromiss einzufädeln. Vor allem eine Idee ist im Hinblick auf die Kommissionssitzung zu hören: Um die Steuererhöhung politisch verdaulich zu machen, könnte das Parlament sie zeitlich befristen. Das mag nach einem schlechten Witz klingen, zumal es in der Bundespolitik nur so wimmelt von angeblichen Befristungen, die immer wieder verlängert werden.

Aber die Mehrwertsteuer ist ein Spezialfall. Die maximalen Steuersätze sind nicht in einem Gesetz verankert, sondern in der Verfassung. Das bedeutet, dass jede Veränderung obligatorisch zu einer Abstimmung führt, auch wenn niemand das Referendum ergreift. Nebst dem Volks- braucht es dabei jeweils auch das Ständemehr. Somit könnte das Parlament zum Beispiel festlegen, dass die Mehrwertsteuer für die 13. Rente lediglich für fünf Jahre erhöht wird.

Eine darüber hinausgehende Verlängerung wäre nur mit erneuter Urnenabstimmung möglich. Das ist eine hohe Hürde. So ist vor sieben Jahren eine ebenfalls befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer für die IV tatsächlich wie geplant ausgelaufen. Ist das ein Vorbild für die 13. AHV-Rente?

«Das wäre zumindest ein gangbarer Weg», sagt Pirmin Bischof. Der Mitte-Ständerat, der Mitglied der Sozialkommission ist, nennt zwei Vorteile: Indem das Parlament die Zusatzfinanzierung befristet, kann es dafür sorgen, dass der Bundesrat die umfassende AHV-Reform nicht auf die lange Bank schiebt. «Gleichzeitig verhindern wir, dass die AHV wegen der 13. Rente grosse Defizite schreibt und wir die gesetzlichen Vorgaben verletzen.»

Das Gesetz schreibt vor, dass die AHV in ihrem Fonds «in der Regel» mindestens so viel Kapital als Reserve halten muss, wie sie in einem Jahr ausgibt. Diese Untergrenze wird ohne Gegenfinanzierung voraussichtlich ab 2027 unterschritten. Falls danach die umfassende Reform verzögert wird oder sogar scheitert, nehmen die Reserven rasch ab. «Dieses Risiko dürfen wir nicht eingehen», sagt Bischof.

FDP: «An uns wird es nicht scheitern»

Der FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt sieht das ganz anders: «Wir müssen endlich mit dieser Salamitaktik aufhören.» Tatsächlich hat die Politik in der Vergangenheit schon mehrfach isolierte Zusatzfinanzierungen für die AHV beschlossen, ohne gleichzeitig strukturelle Massnahmen zum Beispiel bei den Witwenrenten oder dem Rentenalter zu beschliessen. «Da machen wir nicht mehr mit», sagt Silberschmidt. Und er betont, die FDP-Fraktion sei in dieser Frage geschlossen.

Die Risiken hält Silberschmidt für überschaubar. Er hoffe doch sehr, dass die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider bereits jetzt intensiv an der umfassenden AHV-Vorlage arbeite und sie vorantreibe. In dem Fall sei es ohne Probleme möglich, die Reform rechtzeitig zu beschliessen und auf das Jahr 2030 in Kraft zu setzen.

Zudem dreht Silberschmidt den Spiess um: «Wenn die einseitige Zusatzfinanzierung für die 13. Rente gegen unseren Willen im Parlament eine Mehrheit findet, dann aber an der Urne scheitert – und davon ist fast sicher auszugehen –, haben wir unnötigerweise Zeit verloren.» Dann wäre man froh, so der Freisinnige, man hätte von Anfang an auf eine «vernünftige Gesamtvorlage» gesetzt.

Die Kernthemen dieser Reform lassen sich bereits abschätzen: Wegen der gegenwärtigen Pensionierungswelle und der steigenden Lebenserwartung wird es erneut um eine Zusatzfinanzierung und eine Erhöhung des Rentenalters gehen. Hinzu kommt die Diskussion über die Mitte-Initiative, die höhere Renten für Ehepaare verlangt.

Drittel der Renten geht ins Ausland

Der Mitte-Ständerat Bischof wiederum sieht ein weiteres Thema, das vertieft diskutiert werden müsse: die zahlreichen AHV-Renten, die ins Ausland fliessen. Mehr als jede dritte Rente geht heute an Frauen und Männer, die im Ausland leben. Weil sie relativ geringe Renten erhalten, beträgt der Anteil an der gesamten Rentensumme der AHV «nur» 15 Prozent. Aber auch dies macht immerhin 7,3 Milliarden Franken im Jahr aus.

Bischof betont zweierlei: Zum einen profitierten diese Bezüger davon, dass ihre Renten analog der Teuerung und der Löhne in der Schweiz und nicht analog jener in ihrem Wohnsitzland erhöht würden. Dadurch habe ihre Kaufkraft in der jüngeren Vergangenheit fast überall massiv zugenommen. Zum anderen habe die Politik keine Handhabe, um Rentenbezüger im Ausland an der Sanierung der AHV zu beteiligen. Weder von der Mehrwertsteuer noch von den Lohnbeiträgen sind sie betroffen, von einer Erhöhung des Rentenalters ebenso wenig.

«Wir müssen bei der nächsten Reform Wege finden, um diese ungerechte Situation zu verbessern», sagt Bischof. Er sieht zwei mögliche Ansätze: die Revision internationaler Abkommen, die heute die Gleichbehandlung von Auslandrentnern verlangen. Oder aber der Bund setze künftig stärker bei den Ergänzungsleistungen (EL) an. Diese sind gedacht für Rentner mit kleinen Einkommen und Vermögen, die finanziell nicht mehr über die Runden kommen.

Im Gegensatz zu AHV-Renten werden EL nur bei Wohnsitz in der Schweiz ausbezahlt. «Um nicht unnötig und ungewollt höhere Sozialleistungen ins Ausland zu exportieren, sollten wir dazu übergehen, die Besserstellung sozial schwacher Gruppen stärker über die EL umzusetzen und nicht mehr über die AHV», sagt Bischof.

Diese Idee dürfte bei der nächsten AHV-Reform noch zu reden geben. Vorerst aber dreht sich der Streit ganz um die 13. Rente. Der Bundesrat schlägt ein horrendes Tempo an. Der Ständerat soll bereits im Dezember über die Finanzierung entscheiden, der Nationalrat im März 2025 und das Volk im September. Schon kleinste Verzögerungen führen dazu, dass sich die Diskussionen über die 13. Rente und die umfassende AHV-Reform zeitlich überschneiden werden. Letztere muss der Bundesrat auch schon im Jahr 2026 vorlegen.

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