Freitag, Oktober 25

Auch die jüngsten Schätzungen der deutschen Steuereinnahmen helfen nicht: Bis Mitte November muss die Ampelkoalition ein beträchtliches Loch im Haushaltsentwurf 2025 schliessen. Der Finanzminister hätte dazu ein paar Ideen.

«Es gibt keine Spielräume für Verteilungspolitik. Im Gegenteil, es steigt die Dringlichkeit für eine wirtschaftspolitische Wende.» Mit diesen Worten hat der deutsche Finanzminister Christian Lindner am Donnerstag eine aus Washington übertragene Pressekonferenz zur Vorstellung der Resultate der sogenannten Steuerschätzung eingeleitet. Zweimal im Jahr schätzt ein Arbeitskreis von Experten die erwarteten Steuereinnahmen neu ein. Seine Prognosen bilden eine Grundlage für die Haushaltsplanung von Bund, Ländern und Kommunen.

Schwache Konjunktur

Für alle drei Ebenen erwarten die Experten für 2025 Steuereinnahmen von 982,4 Milliarden Euro. Das sind 12,7 Milliarden Euro weniger als noch im Frühjahr geschätzt. Der Rückgang erklärt sich vor allem daraus, dass die Regierung inzwischen mit einer Rezession im laufenden und einem schwächeren Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr rechnet. Auch im laufenden Jahr dürften die Steuereinnahmen unter den bisherigen Annahmen bleiben.

Damit könnten die politischen Spannungen in der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP mit Blick auf die im Bundestag anstehende Verabschiedung des Bundeshaushalts 2025 nochmals steigen.

Auf Bundesebene allein dürften die Einnahmen im nächsten Jahr zwar mit 389,7 Milliarden Euro um geringe 0,7 Milliarden Euro höher liegen als im Frühjahr erwartet. Dies ist vor allem auf geringere Abführungen an den EU-Haushalt zurückzuführen. Doch die Haushaltnöte der «Ampel» werden trotzdem nicht geringer, zumal das bereits eingepreist war. Lindner sagte vor den Medien, es gebe im Vergleich zum vorliegenden Haushaltsentwurf einen «Handlungsbedarf» im Umfang von 13,5 Milliarden Euro.

Mehr Schulden zulässig

Für eine gewisse Entlastung sorgt dabei die schwache Konjunktur. Weil die deutsche Schuldenbremse bei schlechter Konjunkturlage im Rahmen einer Konjunkturkomponente etwas mehr Schulden erlaubt, kann der Bund nächstes Jahr rund 5 Milliarden Euro mehr Kredite aufnehmen als bisher geplant. Dieser Spielraum werde vollständig zur Kompensation der konjunkturellen Mindereinnahmen verwendet werden müssen, sagte FDP-Minister Lindner.

Zudem fordert er, dass die Mittel, die für die Subventionierung eines nun auf unbestimmte Zeit aufgeschobenen neuen Chip-Werks des US-Konzerns Intel in Magdeburg vorgesehen waren, zum Stopfen des Haushaltslochs verwendet werden, statt sie für andere Ausgaben umzuwidmen. Das würde den Haushalt um 7 Milliarden Euro entlasten.

Doch selbst bei voller Nutzung dieser beiden Massnahmen bleibt ein Rest an Konsolidierungsbedarf. Lindner sagte, es gehe um einen einstelligen Milliardenbetrag, der näher bei 10 Milliarden als bei 1 Milliarde Euro liegen werde. Denn es können auch zusätzliche Ausgaben unter anderem für das Bürgergeld (Sozialhilfe) oder die EEG-Umlage (für erneuerbare Energien) anfallen.

Der Finanzminister ruft deshalb dazu auf, die Subventionspraxis des Bundes insgesamt zu überprüfen und das Wachstum des Sozialstaats zu begrenzen. Dieser Tage hatte er bereits Korrekturen beim Bürgergeld angeregt.

Reste eines alten Streits

Lindners «Handlungsbedarf» schliesst auch 2,4 Milliarden Euro ein, die aus einem bisher ungelösten Streit übriggeblieben sind. Dabei geht es um die «globale Minderausgabe» (GMA), ein Standardinstrument der Finanzpolitik. Dahinter steht die Erfahrung, dass nie alle budgetierten Ausgaben auch tatsächlich abfliessen, weil sich zum Beispiel die Realisierung von Projekten verzögert.

Nur war dieser Posten bisher noch nie so hoch wie im Haushaltsentwurf 2025. Im August hatte die Ampelregierung die GMA nach langem Tauziehen zwar auf 12 Milliarden Euro reduziert, was aber noch immer als unrealistisch hoch gilt. Lindner will sie nun auf maximal 2 Prozent der budgetierten Bundesausgaben oder 9,6 Milliarden Euro begrenzen, was eine Reduktion um die erwähnten 2,4 Milliarden Euro erfordert.

Nächste Klippe für Koalition

All das soll in die Haushaltsberatungen im Bundestag einfliessen, die Mitte November abgeschlossen werden. Lindners Vorschläge dürften bei den Sozialdemokraten und den Grünen jedoch auf wenig Begeisterung stossen. Umgekehrt erteilte der Finanzminister deren anhaltenden Rufen nach einer Lockerung, Aussetzung oder Umgehung der Schuldenbremse abermals eine Absage. Er wies zudem erneut darauf hin, dass auch die neuen EU-Fiskalregeln dem Ausgabenwachstum Grenzen setzen würden. Die Verhandlungen des deutschen Finanzministeriums mit der EU-Kommission über die Anwendung der neuen Regeln sind laut Lindner noch nicht abgeschlossen.

Damit könnte es zu erneuten Konfrontationen innerhalb der «Ampel» kommen, zumal die drei Koalitionsparteien schon bisher um jede Milliarde zäh gefeilscht haben. Der Staatshaushalt ist angesichts ihrer höchst unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Überzeugungen seit je eine Art Sollbruchstelle der Ampelregierung. Auch diesen Herbst wird immer wieder darüber spekuliert, ob die Koalition nicht doch noch am Streit über den Haushalt zerbrechen werde. Was dagegenspricht: Angesichts miserabler Umfragewerte kann eigentlich keine der drei Parteien Interesse an einem vorzeitigen Aus haben.

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