Die modischen Stimmungen, von denen Stiefel erzählen, reichen von Lockerheit bis hin zu unerschütterlicher Eleganz.
In der laufenden Saison sind wieder vermehrt Stiefel auf den Laufstegen zu sehen. Die Tendenz dazu deutete sich zwar schon vergangenes Jahr an, das Design scheint sich jedoch noch weiter verfeinert zu haben. Die derzeitigen Stiefel sind fein im Schnitt, weich im Leder und mit Absätzen eine Alternative zu den viel zu wenig wärmenden High Heels während der kalt-nassen Jahreszeit. Elegant wie bei Chloé und Hermès, unterstreichen sie die Silhouetten von Kleidern oder führen diese bis zum Boden weiter.
Stiefel in allen Höhen: Overknee-Stiefel von Chloé (links), rechts ein Look mit Stiefeln von Hermès für die gegenwärtige Herbst/Winter-Kollektion 2024.
Schon 2023 experimentierten die Labels mit auffallenden Farben – auch diesbezüglich scheint sich die Entwicklung dieses Jahr fortzusetzen: weg von Modellen in zurückhaltendem Schwarz und Braun hin zu Farben, die nicht mehr nur Akzente setzen, sondern Statements sind.
Es wird gespielt: mit der Form der Absätze und den Farben. Links zu sehen sind Stiefel aus der derzeitigen Kollektion von Dries van Noten, rechts knallblaue Stiefel von Fendi.
Wohl kein anderes Schuhwerk vermag derart viel Charakterliches auszudrücken wie der Stiefel. Zwar verzichten auch heute noch viele in ihrer Garderobe darauf – so zumindest der Eindruck, wenn man sich auf den Strassen umschaut –, doch sobald jemand einen trägt, kommen mit der Entscheidung zwischen bequem und hoch, geschmeidig und derb, auffallend und dezent, elegant und grob-nachlässig ungefragt Haltungen zum Ausdruck.
Bequem, aber nie langweilig
In den 1960ern und 1970ern, den Jahren, als ohne Stiefel modisch gar nichts ging, waren diese vor allem sehr bequem: Die Absätze waren niedrig und das Leder geschmeidig, der Schaft oft sockenartig am Bein anliegend. Schwer oder gar steif wirkte das Schuhwerk selten. Stiefel waren Accessoires, um sich in gesellschaftlich befreiteren Zeiten schnell und angenehm zu bewegen. Zur Popularität des Schuhwerks trug sicher auch bei, dass Röcke und Kleider immer kürzer wurden – und Stiefel gaben dem Look etwas Unverwundbares, Schützendes, oder sie betonten auf selbstbewusste, schalkhafte Weise die Kürze der Kleider. Dabei sahen die Stiefel bei weitem nicht unelegant oder gar langweilig aus.
Derbe Cowboy-Boots sah man in den 1950er Jahren und dann erst wieder ab den 1980ern. Dazwischen pausierten sie modisch. Plateaustiefel hingegen kommen in beinahe jedem Jahrzehnt an die Füsse: In den 1970ern discomässig mit Glitzer verziert, in den Neunzigern mit durchgehendem Plateauabsatz, zehn Jahre später mit richtig hohen Schuhsohlen unter den Fersen. Der Blick in die Vergangenheit zeigt vor allem eins: die Vielfalt der Stiefel.
