Für eine absolute Mehrheit im französischen Parlament könnte es die rechtspopulistische RN knapp werden. Angesichts der Alternativen sehen Börsianer Stillstand im Land noch als das beste Szenario.

Nach dem weniger deutlich als erwartet ausgefallenen Sieg des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) in der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen haben die Aktienmärkte mit einem Plus eröffnet. Auch die europäische Gemeinschaftswährung Euro legte gegenüber dem Dollar und dem Franken zu.

Als sich das Wahlergebnis im Verlauf des Sonntags abzeichnete, gewann der Euro. Gegenüber dem Dollar kletterte die europäische Gemeinschaftswährung über die Marke von 1,0750 Dollar. Auch gegenüber dem Franken gewann der Euro. Am Montagmorgen wurden für einen Euro 0,9676 Franken bezahlt, nach 0,9628 Franken am Freitagabend.

Am Montagmorgen eröffneten die europäischen Börsen freundlich. Besonders deutliche Gewinne verzeichnete der französische Börsen-Leitindex CAC-40 mit einem Plus von bis zu 2,8 Prozent. In den vergangenen Wochen hatte das Barometer deutlich nachgegeben.

Sieg des RN bei Parlamentswahlen

Am Sonntag hatte der RN mit 33,2 Prozent der Stimmen einen Sieg erzielt. Das linke Bündnis Nouveau Front Populaire («Neue Volksfront») landete auf dem zweiten Platz mit 28 Prozent der Stimmen. Das Mitte-Bündnis des amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron erhielt indessen lediglich 20,8 Prozent der Stimmen.

Der RN könnte damit im Parlament mit 230 bis 280 Sitzen zur stärksten Kraft werden. Für die absolute Mehrheit von 289 Sitzen könnte es aber nicht reichen. Präsident Macrons Lager und die linke Neue Volksfront haben bekanntgegeben, in der zweiten Runde der Parlamentswahlen am 7. Juli eine absolute Mehrheit des RN verhindern zu wollen. Die beiden Bündnisse kündigten an, in den Wahlkreisen, in denen ihre Kandidaten auf dem dritten Platz gelandet sind, zugunsten des besser platzierten Kandidaten der anderen Seite zurückzutreten. Dies soll eine absolute Mehrheit des RN am kommenden Sonntag verhindern.

Würde der RN diese erreichen, müsste Präsident Macron wohl einen Premierminister der Oppositionspartei ernennen. Als Top-Kandidat hierfür gilt RN-Chef Jordan Bardella, ein Protégé der starken Frau in der Partei, Marine Le Pen. Träte dies ein, könnte Frankreich in Zukunft in der Aussenpolitik weniger zuverlässig agieren und einen kritischeren Kurs gegenüber Brüssel verfolgen.

Frankreichs hohe Schulden im Fokus

Unter den Finanzmarkt-Akteuren herrschte indessen auch Erleichterung darüber, dass das ausgabenfreudige Linksbündnis Nouveau Front Populaire («Neue Volksfront») nicht noch mehr Stimmen gewonnen hat. Sorgen über die Entwicklung der französischen Staatsfinanzen hatten im Vorfeld der Wahl zu einem Vertrauensverlust bei Investoren gesorgt. Allerdings gibt es auch die Befürchtung, der RN könnte die Ausgaben des stark verschuldeten Staats weiter nach oben schrauben.

Beobachter rechnen indessen nicht mit einem weiteren deutlichen Erstarken des Euro, der in den Wochen vor der Wahl deutlich gegenüber dem Franken nachgegeben hatte. Macron hatte die Parlamentswahlen nach dem Sieg des RN bei den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni dieses Jahres vorgezogen und damit Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst.

«Anstieg des Euro ist begrenzt»

Es gebe trotzdem eine nicht zu vernachlässigende Chance, dass der RN in der zweiten Runde der Wahlen am 7. Juli die absolute Mehrheit erreiche, kommentierte die Finanzanalytikerin Ipek Ozkardeskaya von der Online-Bank Swissquote. Dieses Risiko dürfte dafür sorgen, dass der Euro nicht zu stark zulegen dürfte, bevor es mehr Klarheit gibt.

In der vergangenen Woche hatte zudem der Risikoaufschlag von zehnjährigen französischen Staatsanleihen gegenüber ihren deutschen Pendants mehr als 0,8 Prozentpunkte erreicht. Dies war der höchste Stand seit den französischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2017, als es ebenfalls Unsicherheit über den Wahlausgang gegeben hatte.

Stillstand in der Politik hätte auch ihr Gutes

Gemäss den derzeitigen Prognosen könnte in der zweiten Runde der Parlamentswahlen am kommenden Sonntag auch kein Bündnis eine absolute Mehrheit erreichen. Es besteht also auch die Möglichkeit, dass die derzeitige Regierung im Amt bleibt oder dass eine sogenannte Technokratenregierung eingesetzt wird.

Die Ökonomen der Bank J. Safra Sarasin haben indessen in einer Analyse die Möglichkeit eines Parlaments ohne klare Mehrheitsverhältnisse als das beste Szenario für die Finanzmärkte bezeichnet. Obwohl dies zu Stillstand im Land führen dürfte, würde wahrscheinlich immerhin die Reform der Altersvorsorge nicht zurückgeschraubt. Zudem könnten wohl weder die Links- noch die Rechtspopulisten ihre angekündigten Ausgabenprogramme in die Tat umsetzen. Dies würde die Staatsfinanzen Frankreichs immerhin nicht noch weiter verschlechtern und die Kurse der französischen Staatsanleihen unterstützen. Dies würde auch das Risiko von Herabstufungen Frankreichs durch die Rating-Agenturen verringern.

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