Montag, September 30

Die Abstimmung zum Bildungsgesetz im Kanton Zürich stürzt die Stimmbürger in ein Dilemma.

Es gibt Vorlagen, die stellen die Stimmbürger auf eine harte Probe. Ein Ja oder ein Nein an der Urne bringt etwa gleich viele Vor- wie Nachteile mit sich. Über eine solche Vorlage stimmen die Zürcherinnen und Zürcher am 22. September ab.

Es geht um eine Änderung des kantonalen Bildungsgesetzes. Neu sollen sich vorläufig aufgenommene Ausländer schon ab Tag 1 um Stipendien für eine Lehre oder ein Studium bewerben dürfen. Zurzeit ist das erst fünf Jahre nach dem Asylentscheid möglich.

Die SVP hat gegen die Änderung das Referendum ergriffen. Zu Recht weist die Partei darauf hin, dass vorläufig Aufgenommene, also Personen mit einem Status F, in der Schweiz nur geduldet sind. Sie haben einen negativen Asylentscheid erhalten und müssen das Land verlassen.

Das passiert nur deshalb nicht, weil sie von ihren Herkunftsländern nicht zurückgenommen werden oder weil eine Rückkehr als unzumutbar gilt. Rund 45 000 Personen mit Status F leben in der Schweiz. Die Zahl hat sich seit 2012 verdoppelt. Es liegt im Interesse aller, die für eine glaubwürdige Asylpolitik einstehen, dass hier eine Umkehr stattfindet.

Es ist Aufgabe des Bundes, das Problem mit der nötigen Ernsthaftigkeit anzugehen. Die Situation ist unbefriedigend, und das schon seit Jahren. Was es unter anderem braucht, ist clevere Asyldiplomatie. Es kann nicht sein, dass sich Länder wie Eritrea partout dagegen wehren, ihre eigenen Staatsbürger wieder aufzunehmen.

Die SVP handelt also durchaus konsequent, wenn sie sich im Kanton Zürich gegen Verbesserungen für vorläufig Aufgenommene einsetzt. Sie sieht in der geplanten Änderung des Stipendienwesens einen Fehlanreiz. Wer hierzulande nichts zu suchen hat, muss auch keine Ausbildung mit staatlicher Beihilfe beginnen. Das spricht für ein Nein an der Urne.

Es gibt aber auch die andere, pragmatische Sicht. Tatsache ist, dass gemäss Asylstatistik 90 Prozent der vorläufig Aufgenommenen langfristig in der Schweiz bleiben. Es ist ein Umstand, mit dem sich die Kantone – auch wenn er stossend ist – arrangieren müssen.

Und da gilt: Ein vorläufig Aufgenommener, der eine Lehre beginnt und in die Arbeitswelt eintritt, ist besser als einer, der in der Sozialhilfe versauert, in eine Parallelgesellschaft abdriftet oder gar kriminell wird.

Kommt hinzu: In der Gesamtbetrachtung fällt die Änderung finanziell kaum ins Gewicht. Was der Kanton – nach eingehender Prüfung – an Stipendien zahlt, sparen die Gemeinden in der Sozialhilfe. Insgesamt geht der Kanton von einem Betrag von 3 bis 4 Millionen Franken aus, der umgeschichtet wird.

Langfristig dürfte es positive Effekte für die Volkswirtschaft geben: Die vorläufig Aufgenommenen werden weniger arbeitslos, helfen Branchen mit Arbeitskräftemangel und tragen etwas zur Wertschöpfung bei. Zudem geht der Kanton von einer überschaubaren Zahl an Fällen aus. Zu Stipendien berechtigt sind in Zürich laut Schätzungen weniger als 500 vorläufig Aufgenommene.

Entscheidend ist, dass das Schweizer Asylrecht mit einem Zuschlag für ein Stipendium nicht ausgehebelt würde. Wenn der Bundesrat beispielsweise über Nacht eine Lösung mit Eritrea zu Rückführungen findet, muss ein vorläufig aufgenommener Eritreer die Schweiz dennoch verlassen – auch wenn er zuvor einen staatlichen Zustupf für eine Ausbildung in Zürich erhalten hat.

Letztlich steht am 22. September eine zentrale Frage im Zentrum: Legt man ein konsequentes Nein ein, im Wissen darum, dass man das eigentliche Problem nicht löst? Oder entscheidet man sich für ein pragmatisches Ja, mit der Gefahr, dass die Änderung als Aufweichung des Asylsystems verstanden wird? Auf diese Frage gibt es keine wirklich befriedigende Antwort.

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