In London hätten westliche Aussenminister mit der Ukraine über den amerikanischen Friedensplan verhandeln sollen. Kiews Ablehnung zentraler Punkte des Plans führt jedoch zum Eklat.
Die Gespräche über den amerikanischen Friedensplan für die Ukraine haben zu einem weiteren Tiefpunkt im amerikanisch-ukrainischen Verhältnis geführt. Präsident Donald Trump warf auf der Plattform Truth Social seinem ukrainischen Amtskollegen vor, den Friedensprozess mit Russland schwer beschädigt zu haben. Man sei einem Abkommen sehr nah. Selenski, der Mann, der keine guten Karten in der Hand halte, müsse dieses nun aber auch abschliessen, schrieb Trump. Selenski hatte am Dienstag kategorisch ausgeschlossen, die Krim als russisches Hoheitsgebiet anzuerkennen.
Es ist bereits der zweite Eklat um die Gespräche, die am Mittwoch in London ursprünglich zwischen westlichen Aussenministern und der Ukraine hätten geführt werden sollen. Der amerikanische Chefdiplomat Marco Rubio hatte jedoch am Dienstagabend kurzfristig seine Teilnahme abgesagt. Daraufhin schickten Frankreich und Deutschland nur eine niederrangige Delegation nach London. Auch dabei stand die ukrainische Ablehnung territorialer Zugeständnisse im Fokus.
Territoriale Neuordnung entlang des Frontverlaufs
Die USA hatten bei der letzten Gesprächsrunde in Paris der Ukraine einen Plan zur Beendigung der Kämpfe vorgelegt, der an Kiew und Moskau Bedingungen stellt. Washington verhandelt parallel auch mit Russland.
Offizielle Informationen über den Inhalt des Vorschlags gibt es nicht. Mehrere westliche Medien zitieren jedoch aus dem Papier. Demnach sind die USA bereit, die seit 2014 besetzten Krim als russisches Hoheitsgebiet anzuerkennen, was Selenski am Dienstagabend als inakzeptabel bezeichnete. Kurz darauf sagte Rubio seine Reise ab.
Ausserdem müsste die Ukraine die De-facto-Kontrolle Moskaus über die besetzten Gebiete in den vier Oblasten Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischja akzeptieren. Im Gegenzug würden sich die russischen Truppen aus der Oblast Charkiw, wo sie ein kleines Gebiet halten, zurückziehen.
Russland werden zudem die Aufhebung der Sanktionen sowie der ukrainische Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft zugesichert. Ein Beitritt zur Europäischen Union wäre aber möglich. Die Ukraine erhielte eine nicht konkret definierte «Sicherheitsgarantie» von europäischen und möglicherweise auch aussereuropäischen Staaten, nicht aber von den USA, sowie die Zusicherung der freien Schifffahrt auf dem Dnipro, der teilweise an russisch kontrolliertes Gebiet grenzt.
Zudem werden Unterstützungszahlungen für den Wiederaufbau in Aussicht gestellt. Woher diese Gelder stammen, wird dabei nicht erwähnt. Ausserdem enthält der Plan Ausführungen zum Atomkraftwerk Saporischja, das künftig von den USA betrieben werden soll, sowie ein Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine.
Verhandlungen ja, Kapitulation nein
Laut Washington verlangt der Plan beiden Kriegsparteien schmerzhafte Konzessionen ab. Besonders in territorialen Fragen muss Moskau jedoch kaum Kompromissbereitschaft zeigen. Russland könnte nahezu alle seit 2014 besetzten Gebiete behalten und müsste lediglich vom Ziel abrücken, das gesamte Territorium der vier genannten Oblaste zu erobern.
Laut der «Financial Times» hat sich Präsident Putin gegenüber dem amerikanischen Unterhändler Steve Witkoff zu dieser Bedingung bereit erklärt. Diese für Putin ungewöhnliche Kompromissbereitschaft lässt erkennen, wie weit der amerikanische Vorschlag russischen Forderungen entgegenkommt.
Die Ukraine macht ihrerseits einen umfassenden Waffenstillstand zur Vorbedingung für Friedensgespräche. Die stellvertretende Regierungschefin Julia Swiridenko sagte am Mittwoch, ihr Land sei zu Verhandlungen bereit, nicht zu einer Kapitulation.
Unterstützung erhielt die Ukraine aus Brüssel. Die Krim gehöre zur Ukraine, sagte die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas. Dass die Halbinsel nicht als Teil Russlands anerkannt werde, sei für alle, die unter Besetzung lebten, von zentraler Bedeutung.
Russischer Raketenangriff auf Bergarbeiter
Wie es nun weitergeht, ist ungewiss. Die USA haben ihren Vorschlag im Vorfeld als letzten Vermittlungsversuch bezeichnet. Rubio hatte nach dem Treffen in Paris gesagt, sein Land werde sich nicht an endlosen Gesprächen beteiligen. Am Mittwoch erklärte Vizepräsident J. D. Vance während einer Indienreise, Washington werde sich aus den Verhandlungen verabschieden, falls sich Russland und die Ukraine nicht einig würden.
Fest steht, dass auch am Mittwoch eine Waffenruhe in weiter Ferne lag und Russlands Angriffskrieg erneut zivile Opfer forderte. Unter anderem traf eine russische Rakete in der Stadt Marhanez in der Oblast Dnipro einen Bus mit Angestellten eines Bergbauunternehmens. Neun Personen wurden dabei getötet, vierzig weitere verletzt.