Dienstag, April 29

Bereits in 60 Prozent aller Briefkästen darf die Post keine Werbung einwerfen. Das will sie ändern: Sie forciert ein Programm, mit dem Empfänger Ausnahmen zulassen können.

Die Post ist unter Druck. Die Bargeldeinzahlungen an den Schaltern gehen zurück, die Menge der versendeten Briefe sinkt. Doch das sind noch längst nicht alle Probleme. Schweizer Briefkästen sind zunehmend mit einem Hinweis versehen, dass keine Werbung erwünscht ist. Die Anzahl entsprechender Vermerke steigt pro Jahr um 1,3 Prozent. Bereits 60 Prozent aller Briefkästen haben solche «Stopp Werbung»-Vermerke. Besonders unbeliebt ist Werbung in den Städten, wo 70 Prozent der Briefkästen entsprechend bezeichnet sind. In der Agglomeration sind es 55, in ländlichen Regionen 40 Prozent.

Die Post kämpft seit Jahren gegen diese Entwicklung an. Sie bietet etwa einen «Werbung OK»-Kleber an, mit dem Briefkästen wieder für Werbesendungen freigegeben werden können. Der Grund: Viele «Stopp Werbung»-Beschriftungen bleiben bestehen, obwohl die für die Anbringung verantwortlichen Mieter längst ausgezogen sind. Oder weil man die Kleber nur mit viel Aufwand von den Briefkästen kratzen kann.

Der Erfolg der Gegenmassnahmen ist bis jetzt allerdings überschaubar: Die Post schaffte es nur gerade, den Trend zu noch mehr «Stopp»-Klebern «leicht abzuschwächen», sagt die Sprecherin Silvana Grellmann. Sie fand aber heraus, dass sich viele Kunden nicht entweder für oder gegen Werbung im Briefkasten entscheiden wollen. «Sondern sie wünschen spezifische Werbung nach ihren persönlichen Bedürfnissen», erklärt Grellmann.

Werbung von der Lieblingsmarke

Wie die Post diesem Wunsch nachkommen will, zeigte sich in diesen Tagen in der Stadt Zürich. Dort fanden Einwohner ein persönlich an sie adressiertes Schreiben im Briefkasten. In diesem stellte ihnen eine Kunstfigur namens Paul ein Angebot vor: Empfänger müssen sich nicht mehr grundsätzlich für oder gegen Werbung im Briefkasten entscheiden, sondern können auswählen, von welchen Unternehmen sie Prospekte erhalten möchten.

Bei der Post läuft dieses Programm unter dem Titel «Angebot auf Wunsch». Es existiert seit 2016 und wurde seither weiterentwickelt. So können Empfänger Werbung nicht nur von einzelnen Firmen zulassen, sondern auch aus bestimmten Kategorien, zum Beispiel «Mode», «Haushalt» oder «Nahrungsmittel». Seit 2022 schreibt die Post die Empfänger im Namen ihres fiktiven Mitarbeiters Paul an. Er soll ihnen Werbung wieder schmackhaft machen. Paul, so heisst es im Schreiben, ist ein ehemaliger Türsteher, der heute Prospekte verträgt.

Die Botschaft dahinter ist klar: Lässt man Werbung wieder zu, hat Paul weiterhin einen Job. Die Post-Sprecherin Grellmann sagt, mit dem Angebot würden zwar keine zusätzlichen Arbeitsstellen geschaffen. Unadressierte Werbung wie zum Beispiel Broschüren trage «in der Zustellung und den vorgelagerten Branchen aber dazu bei, Arbeitsplätze zu erhalten».

Bestellt jemand die Werbung eines spezifischen Unternehmens, gibt die Post nicht etwa die Adresse an diese weiter. Vielmehr versieht sie die Broschüren in einem ihrer Verteilzentren mit der Adresse. Die Pöstler nehmen die Werbesendungen dann mit auf ihre normale Tour und verteilen sie gemeinsam mit anderen Briefen.

Briefmengen sinken immer schneller

Paul scheint seinen Job gut zu machen. Die Post nennt zwar keine Zahlen, der Service erfreut sich laut Grellmann aber steigender Beliebtheit und wird darum ausgebaut. Inzwischen lässt sich zwischen 50 Anbietern wählen, darunter etwa die Discounter Lidl und Otto’s, die Elektronik-Kette Fust und die Warenhauskette Manor. Die Post will den Bekanntheitsgrad ihres Angebotes steigern und deshalb weiterhin regelmässig Post-Kunden anschreiben, wie Grellmann sagt.

Das erstaunt nicht, denn das Tempo beim Rückgang der Briefmengen wird immer höher. 2023 trugen Pöstlerinnen und Pöstler 1647 Millionen adressierte Briefe aus. Das sind 5,6 Prozent weniger als 2022. Auch bei den unadressierte Briefen geht es abwärts. 2023 landeten 1246 Millionen Sendungen in den Briefkästen. Im Jahr zuvor waren es noch 1332 Millionen – ein Rückgang von 6,5 Prozent.

Das Angebot der Post zeigt: Obwohl die Digitalisierung auch in der Werbung stetig voranschreitet, ist die Werbebroschüre aus Papier noch längst nicht tot. Eine im Auftrag der Post erstellte Studie fand heraus, dass Werbung auf Papier noch immer überdurchschnittlich wirkungsvoll ist – insbesondere dann, wenn sie auch noch direkt an die Empfängerinnen und Empfänger adressiert ist. Bei der nicht digitalen Werbung gibt es zudem keinen Altersgraben: Sie wird von allen Altersgruppen stärker beachtet als digitale Werbung, so die Studie.

Lidl setzt auf Papierkatalog

Die Popularität des Papierkatalogs zeigt sich etwa beim Discounter Lidl. Seinen wöchentlich erscheinenden Prospekt gibt es zwar schon längst auch in digitaler Form. «Dennoch haben wir über alle Altersgruppen hinweg Kundinnen und Kunden, die den gedruckten Lidl-Prospekt zusätzlich als einen äusserst wertvollen Informationskanal schätzen», sagt Mathias Kaufmann, Sprecher von Lidl Schweiz.

Dieses Interesse sei ungebrochen, auch wenn die Dichte an «Stopp Werbung»-Klebern weiterhin zunehme, sagt Kaufmann. Lidl bietet seinen gedruckten Prospekt darum noch immer zum Mitnehmen in den Filialen an.

Inzwischen versendet die Post nicht nur Kataloge, sondern auch Warenmuster. Diese kommen meist gut an, wie die Post-Sprecherin Grellmann sagt: «Die Empfänger schätzen es, kleine Dinge des alltäglichen Gebrauchs zu erhalten, etwa Muster von Esswaren.» Bei Werbemustern gilt zudem das Gleiche wie bei Katalogen: Sie werden von allen Generationen gleichermassen geschätzt. Und sie haben noch einen anderen Vorteil: Die Empfänger nehmen sie oft gar nicht als Werbung wahr, wie Grellmann sagt. «Sondern als Geschenk.»

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