Mittwoch, März 12

Braucht es eine neue Veloabgabe? Im Kantonsparlament sorgt diese Frage für einen erbitterten Streit.

Die Zürcher Linksparteien sind in Aufruhr. «Strafsteuer!» – «Bürokratiemonster!» – «Absurde Doppelbesteuerung!» rufen sie. Und tönen dabei fast wie Bürgerliche.

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Eine neue Steuer? Ausgeschlossen. Mehr Geld in der Kantonskasse? Lieber nicht.

Die bürgerliche Gegenseite will derweil genau das: eine neue Abgabe, die der Grossteil der Bevölkerung an den Staat entrichten müsste. «Massvoll» sei das, «fair» und «vernünftig».

Es herrscht verkehrte Welt im Zürcher Kantonsparlament. Und warum? Wegen des liebsten Streitobjekts der hiesigen Verkehrspolitik – des Velos.

Ausgehend von der Einzelinitiative des ehemaligen FDP-Stadtparlamentariers Andreas Schlegel forderten die Bürgerlichen am Montag eine Veloabgabe, die den Bau der Strassen im Kanton mitfinanzieren und die Autofahrer entlasten soll.

Die Idee dahinter ist simpel: Wer ein Motorfahrzeug fährt, zahlt dafür mehrfach – via Mineralölsteuer, kantonale Motorfahrzeugsteuer und Autobahnvignette. Wer Velo fährt, zahlt diese Abgaben nicht.

Eine «Ungleichbehandlung» sei das, fand Ueli Bamert (SVP). Zumal der Veloverkehr durch den Ausbau von Velowegen stark gefördert werde. «Autofahrer sollen so ihre eigene Benachteiligung finanzieren.»

Das sei unfair, fand auch Doris Meier (FDP). Sie sagte: «Die Velofahrer profitieren von anderen.» Dabei zeige das Beispiel der vor 13 Jahren abgeschafften Velovignette doch, dass auch sie ohne grossen Aufwand zur Kasse gebeten werden könnten.

Gerecht oder absurd?

Der kantonale Strassenfonds, der momentan zu 70 Prozent aus der Motorfahrzeugsteuer finanziert wird, soll neu auch durch Beiträge von Velofahrerinnen und Velofahrern ergänzt werden. Das forderten FDP und SVP. Damit solle er seinem Ziel – den Strassenbau «verursachergerecht» zu bezahlen – näher kommen.

Wie hoch die neue Abgabe sein soll, liessen die Bürgerlichen offen. Nur eines betonten die Vertreter von FDP und SVP: Sie soll unter dem Strich nicht zu einer Steuererhöhung führen. Was das Velo mehr bezahlt, soll das Auto also künftig sparen können.

Nichts mit diesen Plänen anfangen können die velofreundlichen Linksparteien. Velofahren diene dem Klimaschutz, der Gesundheit und nicht zuletzt auch der Senkung der Infrastrukturkosten, sagte Rosmarie Joss (SP). Es sei deshalb schlicht absurd, «die Velofahrer zusätzlich zu schröpfen».

Gleich sah es Benjamin Walder (Grüne): «Das Velo führt zu weniger Stau, entlastet die Strassen und erhöht ihre Kapazität.» Die meisten Velowege seien zudem ohnehin kommunale Strassen und damit aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Das sind Mittel, zu denen alle Steuerzahler unabhängig von ihrer Fortbewegungsart beitragen.

Nicht einmal bei den Fakten einig

Dem Streit liegt eine Uneinigkeit über eine zentrale Frage der Verkehrspolitik zugrunde: Welche Kosten sind massgebend, wenn es um die Finanzierung der Strassen und Velowege geht? Sind es, ganz eng betrachtet, die Kosten für den Bau der Infrastruktur?

So sehen es die Bürgerlichen, die auf die ungleiche Finanzierung des Strassenverkehrsfonds nur durch die Autofahrer hinweisen.

Oder müssen auch die externen Kosten – also jene für Auswirkungen im Umwelt- und Naturschutzbereich oder der Gesundheitsversorgung –einbezogen werden?

Für dieses weite Verständnis plädieren die Linksparteien. Sie verweisen diesbezüglich auf Zahlen des Bundes zu den externen Kosten der verschiedenen Verkehrsträger. Demnach gebe es beim Velo unter dem Strich einen Nutzen von 26,8 Rappen, beim Auto aber ungedeckte Kosten von 16,5 Rappen pro Personenkilometer.

Links und rechts sind sich also nicht nur weltanschaulich, sondern auch bezüglich der relevanten Faktengrundlage komplett uneins. Eine Einigung, ein Kompromiss erscheint deshalb höchst unwahrscheinlich.

Seitenhieb gegen die SVP – durch ihren Ex-Präsidenten

Entscheidend für die allfällige Einführung einer Veloabgabe sind deshalb andere: die Mehrheitsmacher in der politischen Mitte. Und dort sieht es für den Vorschlag nicht gut aus.

Christoph Ziegler (GLP) sagte, eine neue Abgabe werde zu nichts führen ausser zu bürokratischem Aufwand. Was man von Velofahrern verlangen könne, sei so tief, dass es maximal die Verwaltungskosten decken werde. «Es ergibt keinen Sinn, Geld einzutreiben, nur um es dann wieder zu vernichten.»

Ähnlich argumentierte Konrad Langhart (Mitte). Kein anderer Kanton habe eine ähnliche Abgabe. Es sei schleierhaft, wie das Ganze ohne Riesenaufwand organisiert werden solle. Und überhaupt sei seine Partei jene, «die gegen neue Steuern und Abgaben ist».

Die Aussage war ein kleiner Seitenhieb an die Adresse der SVP, deren Kantonalpräsident Langhart vor seinem Übertritt zur Mitte einst war. Und die nun in seinen Augen offenbar die eigenen finanzpolitischen Grundsätze vergisst, sobald es um das Velo geht.

Trotz der mangelnden Unterstützung durch GLP und Mitte konnten die Bürgerlichen am Ende einen Etappensieg erzielen. Mit 69 Stimmen wurde die Einzelinitiative zur Veloabgabe an die Zürcher Regierung überwiesen. Sie muss nun einen Bericht und einen Vorschlag zum Thema erarbeiten, der dann wiederum ins Parlament kommen wird.

Die Veloabgabe, die schon in Luzern, Basel-Landschaft und im Bundesparlament gescheitert ist: Sie dreht nun in Zürich eine nächste Extrarunde durch die staatlichen Institutionen. Bevor sie – zumindest wenn man die momentanen Mehrheitsverhältnisse zum Massstab nimmt – voraussichtlich wieder scheitern wird.

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