Sonntag, September 29

Der Zahnimplantatehersteller stösst die defizitäre Tochter DrSmile ab. Entsprechend kann das Management die Prognose für 2024 nach oben anpassen. Der mutige Entscheid weiss zu gefallen.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Sich strategische Fehler einzugestehen fällt nie leicht. Doch im Rückblick entpuppt sich eine schnelle Korrektur meist als die bessere Variante als ein Aussitzen und Abwarten auf Besserung. Das Straumann-Management hat sich zu einem solchen mutigen Schritt durchgerungen und sich nach wenigen Jahren von DrSmile getrennt.

Für die verlustbringende Tochtergesellschaft ist ein besserer Eigentümer gefunden worden. Anfang Woche wurde die Veräusserung der im Direktverkauf mit transparenten Zahnschienen (Clear Aligners) tätigen Kette an den spanische Impress Group unterzeichnet. Der Abschluss der Transaktion soll «in Kürze» erfolgen.

Kostspielige Fehlinvestition

Vor vier Jahren erwarb Straumann knapp drei Viertel des deutschen Start-up DrSmile und übernahm es ein Jahr später vollständig. Das Unternehmen betrieb damals rund fünfzig Praxen, setzte rund 40 Mio. Fr. jährlich um, war jedoch nicht profitabel. Mit dem Einstieg in den Direktvertrieb sollte das durch den Kauf des Schienenherstellers Clear Correct neu erschlossene Geschäftsfeld der Kieferorthopädie gestärkt werden. Es kam aber nie auf einen grünen Zweig und dürfte Jahr für Jahr rote Zahlen geschrieben haben. Allein im vergangenen Jahr musste Straumann wegen DrSmile Wertberichtigungen in Höhe von 153 Mio. Fr. vornehmen.

Im ersten Halbjahr 2024 schrumpfte der Umsatz von DrSmile auf 45,1 (i.V. 73) Mio. Fr., während der Verlust auf 35,5 (19,3) Mio. Fr. zunahm. Die Kosten der laufenden Restrukturierung wird Straumann finanzieren müssen. Auch in Zukunft werde Straumann für Impress indes ein bedeutender Lieferant transparenter Zahnschienen bleiben, heisst es.

Bei Impress, die in Europa zu den führenden Zahnschienenanbieter gehört, wird DrSmile besser aufgehoben sein. Für die Spanier bedeutet der Schritt eine geografische Verbreiterung, weil DrSmile in Ländern tätig ist, die bisher weisse Flecken waren.

Die Trennung wird für Straumann indes kostspielig. Geld werden die Basler für die mit 95 Mio. Fr. bewertete Transaktion nicht erhalten, sondern sie wird mit einer 20%-Beteiligung an Impress beglichen. Eine spätere Erhöhung der Beteiligung schloss Straumann-Konzernchef Guillaume Daniellot explizit aus. Ich gehe davon aus, dass Straumann die Impress-Beteiligung früher oder später abstossen wird.

Das Management erhöht die Prognose

Mit der Beseitigung der Verlustquelle ist das Straumann-Management in der Lage, die Prognose für das laufende Geschäftsjahr nach oben anzupassen. Im fortgeführten Geschäft, also ohne DrSmile, soll der Umsatz organisch im niedrigen zweistelligen Prozentbereich wachsen. Zuvor war ein hoher einstelliger Wert angepeilt worden. Im ersten Halbjahr lag das organische Umsatzwachstum bei soliden 16,1%.

Ohne DrSmile wird sich auch die Profitabilität von Straumann verbessern. Neu soll die Marge auf Stufe Ebit 27 bis 28% erreichen. Bereinigt um Sonderfaktoren wie Restrukturierungskosten, Rechtsfälle und Wertminderungen lag die Marge im ersten Halbjahr bei 27,8 (i.V. 29)% . Zu konstanten Wechselkursen verbesserte sich die Marge indes um 70 Basispunkte gegenüber der Vorjahresperiode.

Die Trennung von DrSmile und ein allgemein recht solides Halbjahresergebnis geben den Aktien Auftrieb. Am Mittwoch stiegen die Titel zunächst rund 14%, verloren dann aber etwas an Schwung. Damit konnte die schwache Entwicklung seit Jahresbeginn teilweise wettgemacht werden.

Die Zahlen zum zweiten Quartal bestätigen, dass Straumann weiterhin zweistellig wachsen kann. Der Umsatz erhöhte sich knapp 15%; vor allem die Region Asien-Pazifik wuchs stark und erwirtschaftete um einen Drittel höhere Einnahmen. Weiterhin schleppend verläuft das Geschäft in Nordamerika (+5,3%), was der zurückhaltenden Nachfrage der Kunden zuzuschreiben ist, die mit teuren Zahnoperationen warten oder auf ästhetische Zahnkorrekturen durch Zahnschienen verzichten.

In den USA entwickelt sich Clear Correct nach Angaben des Konzernchefs stagnierend bis leicht rückläufig. Insgesamt verzeichnet Clear Correct jedoch weiterhin zweistellige Wachstumsraten. Noch ist es ein relativ kleines Geschäft, das die Rentabilität der Gruppe belastet, aber es ist der Pfeiler der Wachstumsstrategie des Unternehmens, das bis 2030 einen Umsatz von 5 Mrd. Fr. kommen will (2023: 2,4 Mrd. Fr.).

Traditionell hohe Bewertung

Auf Basis der Konsensschätzungen für 2025 werden die Titel von Straumann derzeit mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 34 bewertet. Dies ist ein stolzer Wert, aber ein vertretbares Niveau für dieses allgemein zuverlässige Wachstumsunternehmen. Ohne DrSmile dürften sich die Gewinnschätzungen der Analysten tendenziell nach oben bewegen und die Aktien stützen.

Nach der zuletzt enttäuschenden Performance – über drei Jahre notierte die Aktie vor dem heutigen Kurssprung um ein Drittel tiefer, seit Jahresbeginn um 18% – dürften nun wieder bessere Zeiten für Straumann anbrechen.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Giorgio Müller

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