Freitag, November 29

Nach den Bankern sind nun gewisse Anwälte und Treuhänder ins Visier der US-Behörden geraten. Amerika wendet dabei erneut zweierlei Massstäbe an. Doch darüber zu lamentieren, hilft wenig. Es gilt die Reputation des Finanzplatzes rasch und effektiv zu schützen.

Scott Miller, der gegenwärtige amerikanische Botschafter in Bern, ist kein Mann der leisen Töne. Anders als sein republikanischer Vorgänger Edward McMullen, der viel Energie darauf verwandte, zu vermitteln und seiner Regierung die Schweiz zu erklären, ist Miller der Aktivist geblieben, der er vor seiner Botschafterkarriere war. Und diesen Aktivismus setzt der Parteigänger der Demokraten nun dafür ein, vermeintlich fragwürdige Finanzpraktiken und Sanktionsumgehungen öffentlichkeitswirksam zu bekämpfen.

«Die Schweiz ist sowohl ein globales Finanzzentrum wie auch ein Schlüsselelement des internationalen Sanktionsregimes. Sie kann und muss mehr tun, um sicherzustellen, dass ihr Rechtsrahmen nicht für undurchsichtige finanzielle Aktivitäten gebraucht wird», liess sich Miller diese Woche in einer Mitteilung an die Medien zitieren, mit der amerikanische Sanktionen gegen die beiden Zürcher Anwälte Andres Baumgartner und Fabio Delcò bekanntgegeben wurden.

Stossend ungleiche Standards . . .

Das sind Worte, die ungute Erinnerungen wecken an den Streit um das Bankgeheimnis. Nachdem sich der schweizerische Finanzsektor im Nachgang zum Steuerstreit mit den USA eine Weissgeldstrategie verpasst hat und Geldwäschereivorschriften, Sorgfaltspflichten und Sanktionen fast schon übereifrig umsetzt, sind es nun als nichtfinanzielle Berater tätige Anwälte, die das amerikanische Misstrauen geweckt haben.

Störend daran ist, dass die USA dabei gegenüber der kleinen Schweiz erneut in empörender Weise andere Massstäbe anwenden als gegenüber sich selbst. Die Financial Action Task Force (FATF) der OECD, die beurteilt, inwieweit die Vorschriften in den verschiedenen Staaten den globalen Standards entsprechen, ist diesen Sommer nämlich zu dem Schluss gekommen, dass die eidgenössische Gesetzgebung nun zu 74 Prozent den Vorschriften zur Verhinderung von Beihilfe zur Geldwäscherei durch nichtfinanzielle Intermediäre entspricht. Das Urteil zu den USA hingegen ist vernichtend ausgefallen: 0 Prozent.

Bloss wird das der Schweiz wenig helfen, wie die Geschichte zeigt. Sie mag versuchen, im Staatenverbund der OECD die USA davon zu überzeugen, für sich weniger Sonderwege in Anspruch zu nehmen. Aber sie wird den nicht völlig unberechtigten Zorn der USA über einige inzwischen als «schwarze Schafe» geltende Anwälte damit nicht ausräumen können.

. . . aber nicht ganz unberechtigter Unmut

Das Beispiel der auf russische Kunden spezialisierten beiden Zürcher Anwälte ist illustrativ. Auch für sie gilt die Unschuldsvermutung. Doch ihre Aussagen im NZZ-Interview sind erhellend widersprüchlich. Wer behauptet, sich in Russland bestens auszukennen und wer derart enge Geschäftsbeziehungen mit den russischen Bankern des Kremls unterhielt, hätte sich besser Gedanken dazu angestellt, woher die Millionen des Petersburger Cellisten Sergei Roldugin stammten und wieso sie dieser über ein verschachteltes Konstrukt von Firmen nach Panama transferieren wollte, wie die sogenannten «Panama Papers» implizierten. Schon damals waren Fotos von Putin mit Roldugin als Pate bei der Taufe von Putins Tochter Mascha öffentlich zugänglich.

Es kann gut sein, dass sich die beiden nun von den USA mit Sanktionen belegten Anwälte mit ihrer nur vermittelnden und beratenden Tätigkeit im engeren rechtlichen Sinn nichts haben zuschulden kommen lassen und ihre Tätigkeit auch für sinnvoll und rechtens hielten. Doch darin liegt wohl das Problem.

Die Zeiten haben sich geändert. Ein Transparenzregister über die an Firmen wirtschaftlich Berechtigten und schärfere Sorgfaltspflichten für nichtfinanzielle Intermediäre wie Anwälte und Treuhänder, wie sie ein Gesetzespaket vorsieht, das der Bundesrat zur Schliessung der noch bestehenden Lücken vorschlägt, sind überfällig.

Schnell, passgenau und unbürokratisch

Im Parlament gibt es Widerstand von juristischer Seite. Anwälte warnen vor einer Aufweichung des Anwaltsgeheimnisses und vor unsinnigem zusätzlichem Aufwand für die ganze Branche. Doch so wichtig das Anwaltsgeheimnis ist, so wenig ist zumindest für den juristischen Laien einsichtig, wieso etwa eine Beratungstätigkeit beim Aufsetzen von Firmenkonstrukten in die gleiche Kategorie fallen soll wie die Verteidigung im Strafprozess. Auch Banker sind ihren Kunden gegenüber an das Bankgeheimnis gebunden, welches beim Verdacht auf kriminelle Handlungen und Geldwäscherei zu Recht an seine Grenzen stösst.

Sicher gilt es Augenmass zu wahren und die Sorgfaltspflichten für Nichtbanker so zu formulieren, dass sie möglichst passgenau und unbürokratisch ausfallen. Aber Luxemburg mit seinem Finanzplatz hat die globalen Standards in dem Bereich laut der FATF bereits zu 100 Prozent umgesetzt, Singapur zu 98, Grossbritannien zu 97 und Dänemark zu 95 Prozent. So schwierig kann es nicht sein.

Statt sich einen weiteren Abnützungskampf mit amerikanischen Behörden zu liefern, sollte das Parlament jetzt vorwärtsmachen und mit der Verabschiedung des Gesetzespakets die Schweiz rasch und effektiv aus der Schusslinie nehmen. Jammern bringt nichts. Die Schweiz braucht als sauberer, aktiv Geldwäscherei und Finanzkriminalität bekämpfender Finanzplatz die internationale Konkurrenz nicht zu fürchten. Aber es darf nicht sein, dass einige wenige «schwarze Schafe» den Schweizer Finanzplatz erneut in eine Auseinandersetzung zwingen, die er nicht gewinnen kann.

Exit mobile version