Europa braucht Flüssiggas und könnte dieses bei den Amerikanern finden. Doch bei den Energiegütern sind die Lieferbeziehungen mit der EU bereits enger, als der US-Präsident glaubt.
Mit US-Präsident Donald Trump einen Deal schnüren und so die Zölle abwenden: Anfang dieser Woche sagte EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, sie habe Trump eine Abschaffung der Industrie- und Autozölle vorgeschlagen, sofern die USA diese ebenfalls rückgängig machten.
Trumps Antwort kam sofort: Das reiche nicht aus, sagte der US-Präsident. Damit er seine Zollpolitik doch noch überdenke, müsse die EU umgehend mehr amerikanische Güter kaufen.
Das Defizit der USA in der Handelsbilanz mit der EU betrage 350 Milliarden Dollar, sagte Trump. Es müsse schleunigst verschwinden, und der Präsident hatte auch eine Vorstellung, wie: «Wir können das innert einer Woche beheben. Die Europäer müssen einfach in diesem Umfang Energiegüter von uns kaufen.» Mehr amerikanisches Erdöl und Flüssiggas (LNG) für Europa, und schon gibt sich der US-Präsident zufrieden.
Doch kann Europa so leicht 350 Milliarden Dollar mehr für amerikanisches Erdöl und Gas ausgeben, wie Trump es suggeriert?
Verfünffachung der bisherigen Nachfrage
Unbestritten ist, dass die EU-Mitgliedstaaten stark von Einfuhren von Mineralöl, Gas und Kohle abhängig sind. Mehr als die Hälfte der verbrauchten Energiegüter muss die EU importieren – etwa Pipeline-Gas aus Norwegen oder Kohle aus Australien. 2024 betrug der Wert der importierten Energiegüter 410 Milliarden Dollar.
Trump behauptet immer wieder, die EU kaufe keine Güter von den USA. Dabei bezieht die EU sehr wohl amerikanisches Erdöl und Gas: Die Energieimporte aus den USA hatten im vergangenen Jahr einen Wert von rund 70 Milliarden Dollar.
Für Trumps Rechnung heisst das: Die 350 Milliarden Dollar, die Trump von der EU fordert, sind das Fünffache der Nachfrage von 2024. Rechnet man sie zu den bisherigen Lieferungen dazu, müssten die Europäer bei gleichen Preisen für die Güter aus den USA mehr bezahlen, als sie für die weltweiten Importe im vergangenen Jahr ausgegeben haben.
Zu beachten gilt dabei jedoch, dass der Wert von Rohstofflieferungen stark schwankt. Wie viel Öl und Gas die Europäer mit 350 Milliarden Dollar tatsächlich kaufen könnten, hängt stark vom jeweiligen Preis ab.
Europas LNG-Nachfrage ist zu klein für Trump
Trump dürfte mit seiner Forderung vor allem LNG im Blick haben. Denn Europas Nachfrage nach Flüssiggas hat seit Kriegsausbruch in der Ukraine stark zugenommen, weil die Europäer den Wegfall von Lieferungen von russischem Pipelinegas kompensieren mussten.
Doch der LNG-Markt ist zu klein, um Trumps Vorstellungen gerecht zu werden: Europas gesamte LNG-Importe im vergangenen Jahr hatten einen Wert von 45 Milliarden Dollar. Fast die Hälfte davon kam aus den USA, das Land ist bereits heute mit Abstand der wichtigste Lieferant von Flüssiggas.
In Brüssel gab es in den vergangenen Wochen durchaus Politiker, die Trump mit dem Kauf von amerikanischem LNG besänftigen wollten. Die Gasspeicher sind weniger gefüllt als in den Vorjahren, weshalb europäische Energieunternehmen im Sommer kräftig zukaufen dürften, um so die Gasversorgung für den kommenden Winter abzusichern.
Doch 350 Milliarden Dollar sind viel mehr, als die Europäer brauchen – sofern amerikanische Produzenten überhaupt in der Lage wären, die Nachfrage so zügig zu bedienen. Normalerweise dauert es Jahre, bis neue Gasvorkommen erschlossen sind und die Infrastruktur zu deren Verschiffung bereitsteht.
Zudem sind europäische Politiker bestrebt, die Abhängigkeit von einzelnen Lieferstaaten bei der Energieversorgung möglichst gering zu halten. Zu schmerzlich war die Erfahrung, die der Kontinent mit Russlands Einmarsch in die Ukraine und dem darauffolgenden Wegfall der russischen Gaslieferungen gemacht hat.
Trump hat sich in der Zahl geirrt
Zwar könnten die europäischen Verhandler Trump darauf hinweisen, dass er sich bei den Zahlen vertan hat. Laut dem Amt des US-Handelsbeauftragten (USTR) betrug das Handelsbilanzdefizit im Güteraustausch mit der EU im vergangenen Jahr nicht 350, sondern 236 Milliarden Dollar.
Dennoch bleibt die Ausgangslage kompliziert. Das Ungleichgewicht in der Handelsbilanz ist zu gross, als dass die EU den US-Präsidenten mit etwas mehr Erdöl- und LNG-Importen ruhigstellen könnten.