Freitag, April 25

Wegen der Blockade rund um den veralteten Arzttarif haben sich am Freitag in Bern die wichtigsten Akteure getroffen. Die Curafutura-Krankenkassen fehlten.

Sie stand von Anfang an unter Druck. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hatte nach dem Wechsel in das Innendepartement Anfang Jahr einen steilen Start. Bisher waren es vor allem Abstimmungskämpfe, die sie gefordert haben. Anfang März ging es um die AHV, zurzeit laufen die Debatten über die Initiativen zu den Gesundheitskosten und den Prämienverbilligungen, über die am 9. Juni abgestimmt wird.

Nun wächst der Druck aber auch hinter den Kulissen in einem der vielen dornenreichen Dossiers der Gesundheitspolitik. Der epische Streit um die Einführung eines neuen ambulanten Arzttarifs steht vor der nächsten Eskalation. Obwohl der heutige Tarif Tarmed heillos veraltet ist, ist er immer noch in Kraft. Ärzte und Spitäler rechnen darüber Leistungen von 13 Milliarden Franken im Jahr ab.

Nach einer vorübergehenden – offensichtlich nur vordergründigen – Entspannung haben sich die Fronten erneut verhärtet. Am Donnerstag hat sich der Ärzteverband FMH in scharfen Worten gegen Baume-Schneiders Pläne ausgesprochen. Die Intervention kam just einen Tag vor einem hochrangigen Treffen in Bern: Für Freitag hat das Departement Baume-Schneider eigens die Chefs aller relevanten Verbände von den Ärzten über die Spitäler bis zu den Krankenversicherern zur Aussprache geladen.

Aber nicht alle kamen. Einer der beiden Krankenkassenverbände, Curafutura, hat aus Protest nicht teilgenommen. Er verlangt, dass der Bundesrat ohne weitere Verzögerungen den neuen Tarif Tardoc einführt, den Curafutura gemeinsam mit der FMH eingereicht hat.

Eigenartige Fronten

Die Fronten in diesem Konflikt sind seltsam. Zu erwarten wäre, dass sie zwischen den Zahlern auf der einen und den Anbietern auf der anderen Seite verlaufen. Aber so ist es nicht. Es gibt zwei Lager, wobei einerseits die Krankenkassen gespalten sind, andererseits aber auch die Ärzte und die Spitäler unterschiedliche Positionen vertreten.

Das eine Team besteht aus Curafutura und den Ärzten (FMH). Ihnen gegenüber stehen Santésuisse, der andere Krankenkassenverband, und die Spitäler. Dieses Duo hat ebenfalls einen neuen Tarif eingereicht, der – ein Novum für die Schweiz – aus ambulanten Pauschalen besteht. Die Politik setzt hohe Erwartungen in Pauschalen, weil sie Effizienz belohnen sollen. Ein Bericht des Bundes weckt jedoch Zweifel, indem er verdeutlicht, dass grundsätzlich auch Pauschalen unerwünschte Mehrkosten bewirken können. Im Lager FMH/Curafutura ist zudem zu hören, die vorliegenden Pauschalen seien noch nicht ausgereift. Deshalb müsse der Tardoc vorab separat eingeführt werden.

Spitäler gegen gestaffelte Einführung

Während FMH und Curafutura öffentlich Druck machen, halten sich die Spitäler und Santésuisse bedeckt. Beide Verbände erklärten am Freitag sinngemäss, man arbeite konstruktiv an einer guten Lösung für einen neuen Tarif. Diese Gespräche seien vertraulich, daran wolle man sich halten. Die Direktorin des Spitalverbands, Anne-Geneviève Bütikofer, betonte, die inhaltliche Kritik an den Pauschalen greife in vielerlei Hinsicht zu kurz. Und sie gab ihrem «Befremden über das kommunikative Vorpreschen der FMH» Ausdruck.

Santésuisse wiederum wies Warnungen vor den finanziellen Folgen der Pauschalen zurück: Die gesetzlichen Vorgaben der Kostenneutralität würden eingehalten, damit die neue Tarifstruktur nicht zu Mehrkosten führe. Klar ist zudem, dass vor allem Spitalvertreter auf eine gleichzeitige Einführung der beiden neuen Tarife pochen. Eine gestaffelte Umsetzung würde aus ihrer Sicht im Betrieb zusätzliche Komplikationen und administrativen Mehraufwand bewirken.

Genau dies verlangen aber die Ärzte: Zuerst solle jetzt der Tardoc eingeführt werden, der auch eine Besserstellung der Hausärzte bewirke, danach die Pauschalen, sobald sie reif seien. Curafutura hat am Freitag den Druck ebenfalls erhöht: «Es gibt keinen Grund für weitere Gespräche», erklärte Direktor Pius Zängerle. Es sei nun an der Gesundheitsministerin Baume-Schneider und am Gesamtbundesrat, endlich zu entscheiden und die Genehmigung nicht noch länger hinauszögern. Alle Informationen lägen auf dem Tisch.

«Gegen Treu und Glauben»

Zängerle kritisiert, bereits unter dem früheren Gesundheitsminister Alain Berset habe es immer wieder neue Auflagen gegeben. Wenn Baume-Schneider und ihre Fachleute jetzt weiter verzögerten, sei dies «ein Verstoss gegen Treu und Glauben». Zängerle macht dem Bundesrat Vorwürfe, weil er den neuen Tarif bisher nicht genehmigt hat, obwohl er «laut Aussagen des Departements die Anforderungen erfüllt». Irgendwann sei der Tarif veraltet. Er basiere auf dem Stand von 2019 und könne erst nach der Einführung aktualisiert werden.

Hinter den Kulissen arbeiten die Zuständigen beim Bund offenbar daran, die Einführung auf 2027 zu verschieben. «Dazu können wir nicht Hand bieten», sagt Zängerle. Deshalb habe Curafutura die Teilnahme am Gespräch vom Freitag abgesagt.

Baume-Schneiders Departement wollte inhaltlich keine Stellung nehmen, weder zum Treffen noch zu den Vorwürfen. Es zeigte sich stattdessen «erstaunt» über die Kommunikation der FMH. Das Thema habe «höchste Priorität». Der nächste Entscheid des Bundesrats soll noch vor der Sommerpause fallen.

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