Die niederländischen Universitäten haben viele Studenten aus dem EU-Raum, unter anderem weil viele Kurse in Englisch angeboten werden. Die Regierung will das nun ändern. Die Universitäten und die Wirtschaft wehren sich gegen die Pläne.

Dass das Land dereinst 20 Millionen Einwohner haben könnte und es deshalb immer enger wird, ist in den Niederlanden ein Politikum. Es sei ein schönes Land, auf das man stolz sein könne, steht am Beginn des Koalitionsvertrags, den die rechtsextreme Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders, die liberalkonservative VVD, die neue christlichdemokratische NSC und die rechtspopulistische Bauernpartei BBB abgeschlossen haben. Die Politik habe die Sorgen der Menschen in den vergangenen Jahren jedoch nicht immer ernst genommen.

Am 2. Juli wird das Bündnis mit der Regierungsarbeit beginnen, und die Zuwanderung ist aus seiner Sicht eine Sorge der Niederländer, um die es sich kümmern will. Dabei ist eine Gruppe in die Schusslinie geraten, die man mit der Migrationsdebatte nicht in Verbindung brächte: die ausländischen Studenten. Ihr Anteil an den Universitäten liegt bei einem Drittel, und das erachten viele als zu hoch. Die vier Parteien haben deshalb im Koalitionsvertrag vereinbart, die studentische Migration zu beschränken.

Beliebt bei Deutschen

Rechtlich ist das allerdings schwierig. EU-Bürger dürfen ein Studium in den Niederlanden aufnehmen, wenn sie die Anforderungen einer Universität erfüllen – das gehört zum Binnenmarkt. Die Regierung muss daher andere Wege finden, um die Zahl der Studenten zu reduzieren. Unter anderem will sie, dass die Universitäten die hohe Zahl englischsprachiger Studiengänge zugunsten von solchen auf Niederländisch vermindern. Das soll ausländische Studenten davon abhalten, ins Land zu kommen.

Die Universitäten der Niederlande sind vor allem bei Deutschen beliebt. «Ich habe bei meiner Ausbildung sehr viel von dort mitgenommen», sagte Friederike Leppert, die in Maastricht den Bachelor erworben hat und danach an der London School of Economics studierte. Aber auch Spanier, Franzosen und Italiener studieren gerne dort. Das hängt nicht nur mit der Qualität der Lehre zusammen, sondern auch mit den Jobaussichten. In Nordwesteuropa sind sie besser als im Süden des Kontinents.

Gerade Deutsche haben den Eindruck, dass die Niederlande mehr Geld in die Bildung investieren als ihre Heimat. «Ich ging nach Maastricht, weil ich in einem sehr internationalen Umfeld, an einer guten Uni und auf Englisch studieren wollte», sagt Yago Hecht, der in Maastricht den Bachelor gemacht hat. Gleichzeitig sind die Studiengebühren in den Niederlanden moderat. Sie liegen für EU-Bürger je nach Universität und Fach bei 1000 bis 4000 Euro pro Jahr. Kostendeckend ist das bei weitem nicht, was eine Ursache ist für den Unmut, den die ausländischen Studenten in gewissen politischen Kreisen ausgelöst haben.

Weiteres kam hinzu. Der Zustrom ausländischer Studenten hat in den Städten dazu geführt, dass Wohnraum noch knapper geworden ist. Für In- und Ausländer ist es schwierig, eine Wohnung oder auch nur ein Zimmer zu finden. Junge Erwachsene leben in den Niederlanden daher länger zu Hause als früher. 46 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sind «Nesthocker», vor 20 Jahren waren es erst 40 Prozent. Um die Wohnungsnot zu entschärften, hat zum Beispiel die Universität Groningen eine Containersiedlung auf dem Areal einer ehemaligen Zuckerfabrik errichtet.

Trotz solchen Bemühungen ist die Atmosphäre in den Uni-Städten teilweise frostiger geworden. «Viele Einheimische schätzen die internationale Atmosphäre, manche scheinen es aber auch etwas sattzuhaben, mit den Studenten so viel Englisch sprechen zu müssen», sagt Hecht.

Auch sonst seien gewisse Einheimische genervt, sagen Absolventen. Die Bewohner beklagten sich, dass die vielen Studenten laut seien und zu viele Fahrräder in den Gassen herumständen – ein gewisser Unmut über Ausländer und Akademiker scheint in solchen Klagen zusammenzukommen. Denn so international die niederländischen Universitäten sind – einheimische und ausländische Studenten bewegen sich in getrennten Sphären. Laut Aussagen von Absolventen überschneiden diese sich kaum.

Die Uni als Job-Motor

Gleichzeitig sind Universitäten und ihre ausländischen Studenten für gewisse Städte ein Wirtschaftsfaktor, etwa für Maastricht. Die Stadt ist in den Niederlanden peripher gelegen, aber mit dem belgischen Lüttich gut verbunden und befindet sich nahe der deutschen Stadt Aachen sowie dem Ruhrgebiet. Das ist ein weiterer Grund für ihre Beliebtheit bei Deutschen.

Maastricht hat 125 000 Einwohner, und an der jüngsten Universität des Landes sind über 22 000 Studenten eingeschrieben, 57 Prozent von ihnen kommen aus dem Ausland. Die Regierung hat in Maastricht auch deshalb eine Universität angesiedelt, weil sie eine ökonomische Alternative schaffen wollte zum untergegangenen Bergbau.

Diese Funktion der Universität sehen deren Verantwortliche in Gefahr. Wenn die Regierung darauf abziele, die Zahl ausländischer Studenten zu reduzieren, litten darunter nicht nur die Universität und ihre Angestellten, sagt Rianne Letschert, die Präsidentin der Universität Maastricht. Auch Handwerker und Dienstleister verlören Einnahmen, wenn weniger Ausländer in der Stadt studierten.

Unzufrieden mit den Absichten der Regierung ist auch die Wirtschaft. Die Niederlande sind eine hochentwickelte Volkswirtschaft, die sich nur an der Spitze halten kann, wenn sie gut ausgebildete Arbeitskräfte erhält. Besonders lebhaft ist die Nachfrage nach Spezialisten in der Region Eindhoven, wo sich um den Chipmaschinenhersteller ASML ein bedeutender High-Tech-Cluster gebildet hat.

Reduktion der Kurse in Englisch

Das Argument der internationalen Wettbewerbsfähigkeit bringen auch die Universitäten vor. Sie anerkennen zwar, dass aufgrund der hohen Studentenzahlen Probleme entstanden seien, so am Wohnungsmarkt. Um der Regierung entgegenzukommen, sind sie bereit, die Anzahl Kurse in Englisch zu reduzieren. Im Jahr 2023 sind im Fach Wirtschaft 54 Prozent von ihnen in dieser Sprache abgehalten worden, künftig sollen es noch 20 Prozent sein. «Ausländische Studenten sind jedoch wichtig für die Qualität unserer Universitäten», sagt Ruben Puylaert von UVN, dem Verband der 14 niederländischen Universitäten.

Besonders aufgebracht sind Hochschulvertreter, weil die neue Regierung unter dem Ministerpräsidenten Dick Schoof den jährlichen Beitrag für Studenten, die aus der EU sowie aus Norwegen, Island und Liechtenstein kommen, um 293 Millionen Euro kürzen will. Die Universitäten erhalten die Finanzmittel pro Kopf, und falls die Regierung ihren Plan umsetzt, bedeutet das laut ihnen: bis zu 40 000 weniger ausländische Studenten, weil für sie dann die finanziellen Mittel fehlen. «Das macht das internationale Fundament der Universitäten zunichte», sagt Puylaert.

Die Universitäten werden sich deshalb wehren. Aus ihrer Sicht steht viel auf dem Spiel – für die Hochschulen und die Wirtschaft des Landes.

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