Montag, November 25

Bologna hat flächendeckend Tempo 30 eingeführt, andere italienische Städte wollen folgen. Die Politiker, allen voran Matteo Salvini, wittern Profilierungschancen.

Italien hat nicht nur «Slow Food» erfunden, die Gegenbewegung zur hektischen und ungesunden Schnellverpflegung, jetzt will es auch den Verkehr in seinen historischen Städten verlangsamen. Seit einer Woche wird in Bologna ein Tempo-30-Limit durchgesetzt, das auf 70 Prozent des Strassennetzes gilt. Die Hauptstadt der Emilia-Romagna soll nach dem Willen der Stadtregierung die erste grosse sogenannte «Città 30» des Landes werden.

Eingeführt wurde die Limite schon im vergangenen Sommer, seit dem 16. Januar werden nun auch Strafen für die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit verhängt. Der Bürgermeister Matteo Lepore vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) habe schon das erste Bussgeld in die städtische Kasse getragen, meldeten die Medien.

Viele Verkehrstote

Als Hauptgrund für die Einführung des Limits nennen die Verantwortlichen die hohe Zahl der Todesopfer im Strassenverkehr. Bologna, das rund 380 000 Einwohner zählt, beklagte nach Angaben von Lepore im Jahr 2022 23 Verkehrstote, im Jahr 2023 waren es 30. Italien steht im europäischen Vergleich schlecht da: Auf eine Million Einwohner kamen 2022 58 Verkehrstote (verglichen mit 31 in der Schweiz, 34 in Deutschland, 41 in Österreich). Verkehrsunfälle sind die häufigste Ursache für Todesfälle von Personen unter 50 Jahren in Italien.

Ganz neu ist das Limit auch für Italien nicht. In kleineren Quartierstrassen ist es schon heute nicht unüblich. Und mit Olbia (Sardinien) und Treviso (Veneto) haben es auch zwei von Mitte-Rechts regierte Städte nahezu flächendeckend eingeführt.

Aber Bologna, «la rossa», die Hochburg der Linken, ist von einem anderen Kaliber. Was die Stadt tut und beschliesst, wird in der Regel im ganzen Land genau beobachtet – umso mehr, als der ambitionierte Stadtpräsident auch gerne mit seinen Errungenschaften hausiert. Vor zwei Jahren hat er eine Regelung eingeführt, wonach Ausländerkinder in Bologna automatisch das Ehrenbürgerrecht erhalten, wenn sie in der Stadt geboren wurden oder dort mindestens einen Schulzyklus absolviert haben – eine symbolische Massnahme, die aber ziemlich grosses Aufsehen erregt hat.

In Sachen Verkehr trifft Lepore nun auf einen anderen Politiker mit unbändigem Profilierungswillen: den Verkehrsminister und Vize-Regierungschef Matteo Salvini von der Lega. Er hat sich über das Tempolimit in Bologna lustig gemacht: Die Stadtregierung wolle wohl die «Vögelchen singen hören», während Arbeiter und Angestellte auf dem Weg zur Arbeit im Verkehr stecken blieben, sagte er auf dem Kurznachrichtendienst X.

Später doppelte er nach und kündigte eine Direktive seines Ministeriums zur Regelung von Tempolimits in städtischen Zentren an – ein deutliches Zeichen, dass Salvini in dieser Frage das Sagen haben will. Damit war Feuer im Dach, Politiker aus allen Lagern äusserten sich dazu.

In vielen Städten wird an dem Thema herumlaboriert. Turin ist daran, festzulegen, auf welchen Strassen künftig Tempo 30 gelten soll, in Mailand werden entsprechende Pläne gewälzt, Florenz führt die neue Höchstgeschwindigkeit Quartier um Quartier ein, in Rom ist sie erst ein Wahlversprechen der Stadtregierung von Roberto Gualtieri.

Mehr Autonomie

Salvini selbst ist in der Sache nicht ganz kohärent. Laut Medienberichten hat Salvini beziehungsweise sein Ministerium im Jahr 2022 Mittel für die Realisierung von Fussgängerinseln und die Ausbesserung der Trottoirs in Bologna bewilligt – Eingriffe, die man explizit wegen der Einführung von Tempo 30 vorgenommen habe.

Seine Gegner halten dem Verkehrsminister zudem vor, er verstosse mit seinem Angriff auf Bologna gegen Prinzipien, die ihm sonst teuer seien: die Subsidiarität und die Autonomie von Städten und Regionen. Gerade am Dienstag hat der Senat in Rom über das grosse Vorzeigeprojekt der Lega beraten: die Reform, die den Gebietskörperschaften künftig mehr Selbständigkeit geben soll.

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