Mittwoch, Januar 22

In der Region Basel fliessen rekordhohe Summen in den Bau neuer Pharmafabriken und Labors. Weil nur wenige Ingenieurbüros solche Projekte umsetzen können, sind ihnen die Konzerne oftmals hilflos ausgeliefert.

Die Kritik des Chemie-Fabrikanten Markus Blocher an den Schweizer Ingenieuren fiel vernichtend aus. Das hiesige Engineering-Unternehmen habe bei der Umsetzung eines Grossprojekts seiner Firma Dottikon ES «eine ungenügende Leistung» erbracht und vereinbarte Verpflichtungen nicht erfüllt, liess er die Öffentlichkeit vor zwei Wochen erbost wissen.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Blocher, dessen Schwester Magdalena Martullo-Blocher mit Ems ebenfalls unternehmerisch tätig ist, führt die Aargauer Chemiefirma Dottikon ES. Der Lohnhersteller ist auf die chemische Produktion von Wirkstoffen spezialisiert, die anschliessend zu Tabletten weiterverarbeitet werden. Das Geschäft läuft gut. So gut, dass Blocher expandieren kann. Mit Investitionen im Gesamtwert von 700 Millionen Franken soll die Produktionskapazität beinahe verdoppelt werden.

Dabei gilt es keine Zeit zu verlieren, denn die bestehenden Anlagen sind ausgelastet. Sie erlauben der Firma kaum noch, zusätzliche Aufträge anzunehmen.

Dottikon ist nicht das einzige Unternehmen, das gegenwärtig in der Region Basel Hunderte von Millionen Franken für zusätzliche Gebäude und Anlagen im Bereich der Pharmaproduktion ausgibt. Ein rekordhohes Auftragsvolumen verursacht Stress bei den wenigen Ingenieurbüros, welche die komplexen Bauprojekte umsetzen können. Es gibt in der Region nur eine Handvoll solcher Spezialisten.

Abnehmspritzen treiben Investitionen an

Insgesamt sind Investitionen von über 4 Milliarden Franken geplant. So investiert Lonza, der weltgrösste Lohnhersteller von Medikamenten, 500 Millionen Franken in ein neues Produktionswerk in Stein im Fricktal.

Bachem, ein weiterer Auftragsfertiger, wollte an seinem Hauptsitz in der Baselbieter Gemeinde Bubendorf zunächst 550 Millionen Franken in den Ausbau investieren. Das Unternehmen, das als Profiteur der boomenden Nachfrage nach den neuen Abnehmspritzen gilt, rechnet nun aber wegen verschiedener Anpassungen mit deutlich höheren Auslagen. Weitere 750 Millionen Franken hat es für ein neues Werk unweit von Stein budgetiert.

Mit noch grösserer Kelle richtet Roche an. Der führende Schweizer Pharmakonzern will an seinem Basler Hauptsitz weitere 1,2 Milliarden Franken in neue Produktions- und Laborgebäude investieren. Dieselbe Summe hat das Unternehmen dort jüngst bereits in zwei zusätzliche Hochhäuser für die Forschung und Entwicklung mitsamt Büros und einem firmeninternen Kongresszentrum investiert.

Lonza holt Ingenieure zurück

Blocher hat den Vertrag mit dem Ingenieurbüro, das für ihn die neuen Anlagen hätte bauen sollen, gekündigt. Er schimpfte über Ingenieure, die unentschuldigt nicht zu Sitzungen erschienen seien oder vergessen hätten, Stellvertreter zu entsenden. Auch habe das Unternehmen wiederholt zu wenige und erst noch unerfahrene Spezialisten auf die Baustelle geschickt.

Mit einer anderen Ingenieurfirma wollte es der Patron von Dottikon ES nicht versuchen. Er wäre wohl auch nicht so schnell fündig geworden. Aus Branchenkreisen ist zu vernehmen, dass sämtliche Anbieter wegen der vielen Investitionsprojekte alle Hände voll zu tun hätten.

Die gescholtene Ingenieurfirma scheint zudem den grossen Teil ihrer Arbeit schon geleistet zu haben. Dies dürfte Blocher seinen Entscheid, den Abschluss des Projekts in die eigenen Hände zu nehmen, wesentlich erleichtert haben.

Traditionell führten Pharmakonzerne wie Roche und Novartis grosse eigene Ingenieurabteilungen. Wie bei vielen Aktivitäten, die nicht zu ihrem Kerngeschäft gehören, begannen sie aber bereits vor Jahren, Tätigkeiten an spezialisierte Anbieter auszulagern. Allerdings scheint in der Branche jüngst ein Umdenken eingesetzt zu haben. So erklärt Lonza auf Anfrage, man plane, kritische Funktionen im Ingenieurbereich zu internalisieren, um die Abhängigkeit von externen Vertragspartnern dadurch zu reduzieren.

Ohne Deutsch geht es nicht

Bei Roche scheint man einen gewissen Bestand an Ingenieuren behalten zu haben. Diese seien kompetent und in der Lage, externe Anbieter mit der nötigen Schärfe zu beaufsichtigen, heisst es aus dem Umfeld des Konzerns. Das Unternehmen engagiert sich zudem in der Nachwuchsausbildung. So werden an den Standorten in Basel und Kaiseraugst zehn angehende Ingenieure beschäftigt, die im Rhythmus von drei Monaten zwischen Praxiseinsätzen und Vorlesungen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach wechseln.

Dieses Vorgehen ist sinnvoll, denn dadurch sichert sich der Weltkonzern frühzeitig deutschsprachige Fachkräfte, die mit Baubehörden und Handwerkern kommunizieren können. Sprachkenntnisse in Deutsch oder Französisch – je nach Kanton – sind auch für die spezialisierten Ingenieurbüros ein Muss. Angesichts des knappen Angebots an einheimischen Arbeitskräften würden sie zwar gerne vermehrt Fachleute aus dem Ausland anwerben. Doch ohne lokale Sprachkenntnisse sind solche Mitarbeiter in der Schweiz nur beschränkt einsetzbar.

So gesehen ist es auch kein Zufall, dass fast alle Ingenieurfirmen, die für die Basler Pharmabranche arbeiten, aus der Schweiz, aus Deutschland oder aus Österreich stammen.

Investoren beobachten Bachem mit Argusaugen

Wie Roche hat auch Bachem eigene Ingenieure unter Vertrag. Dennoch machte die Firma bei ihrer Zusammenarbeit mit externen Anbietern für den Ausbau in Bubendorf offenbar missliebige Erfahrungen. So ist in Branchenkreisen von falsch konzipierten Lüftungen die Rede – eine Information, zu der sich das Unternehmen nicht äussern will: Man beteilige sich nicht an Spekulationen.

Weil Bachem bei der Fertigstellung des zusätzlichen Produktionsgebäudes in Verzug geraten ist, reagieren inzwischen auch Investoren nervös. So muss sich das Unternehmen regelmässig Fragen von Finanzanalytikern gefallen lassen, die sich nach dem Stand der Arbeiten beim sogenannten Gebäude K erkundigen.

Laut Bachem soll die Produktion im neuen Gebäude nun 2025 beginnen und bis und mit 2026 schrittweise ausgebaut werden. Als einer von wenigen bedeutenden Herstellern von Peptiden, auf denen die Wirkstoffe der neuen Abnehmspritzen beruhen, steht Bachem unter besonderem Druck. Jeder Tag, an dem die Firma nicht zusätzliche Volumen liefern kann, bedeutet für die Anbieter der Medikamente hohe Ausfälle an Einnahmen.

Zudem schläft die Konkurrenz von Bachem nicht. Andere Auftragsfertiger versuchen ihrerseits fieberhaft, weitere Produktionskapazitäten bereitzustellen.

Exit mobile version