Mittwoch, April 30

Während auch wegen möglicher Sabotage Ermittlungen weiterlaufen, gerät der hohe Anteil an erneuerbaren Energien bei der Stromversorgung in den Fokus.

Rund 24 Stunden dauerte es, bis nach einem massiven Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel langsam wieder Normalität eingekehrt ist. Am Dienstagmittag meldete der spanische Netzbetreiber Red Eléctrica de España (REE), dass die Stromversorgung vollständig wiederhergestellt sei. Zwar kam es in Teilen Spaniens und Portugals noch zu Problemen im Zugverkehr, doch das öffentliche Leben nahm wieder seinen Gang.

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Am Montag um 12 Uhr 33 war die Stromversorgung in weiten Teilen Spaniens, Portugals und im französischen Baskenland innerhalb von nur fünf Sekunden um 15 Gigawatt eingebrochen. Dies entsprach rund 60 Prozent der Energie, die zu diesem Zeitpunkt nachgefragt wurde. Einzig Madeira, die Balearen und die Kanarischen Inseln blieben von Totalausfällen verschont. Sie hängen nur teilweise an den Systemen des Festlands.

Betroffen waren Millionen Menschen. Tausende steckten in Zügen, U-Bahnen und Aufzügen fest, Feriengäste strandeten an Flughäfen. Das Internet und die Telefonnetze brachen zusammen, Ampeln fielen aus, Spitäler liefen im Notbetrieb über Generatoren. Die Netzbetreiber beider Länder arbeiteten die ganze Nacht hindurch, um die Stromversorgung wiederherzustellen.

Bei seinem dritten Auftritt seit Beginn der Krise erklärte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez dann am Dienstagnachmittag, dass Spanien das Schlimmste überstanden habe – auch dank tatkräftiger Hilfe aus Frankreich und Marokko. Dort wuchs mit jeder Stunde die Sorge, das schwerste Blackout der Halbinsel könne Dominoeffekte über Grenzen hinweg auslösen.

Dass diese Sorge wohl berechtigt war, zeigte sich am Montagabend in Grönland: Sowohl im Norden als auch im Süden der dänischen Insel fielen überall dort, wo die Versorgung über Satellit lief, Teile des Telefon- und Internetnetzes aus. Der örtliche Kommunikationsanbieter Tusass erklärte, die Verbindung zur Anlage im spanischen Maspalomas sei unterbrochen worden. Von dieser sei Grönland bei der Satellitenkommunikation stark abhängig.

Kein Hackerangriff, aber Sabotage nicht ausgeschlossen

Selbst am Tag danach herrschte noch keine Klarheit, was zu dem Stromausfall geführt hat. Allerdings erklärte Eduardo Prieto, Leiter des spanischen Netzbetreibers REE, an einer Pressekonferenz am Dienstag, ein Cyberangriff könne vorläufig ausgeschlossen werden. Es habe keinen Eingriff ins Kontrollsystem gegeben. Ebenso wenig sei ein «seltsames meteorologisches oder atmosphärisches Phänomen» verantwortlich, wie am Montag unter anderem von portugiesischen Regierungsvertretern spekuliert worden war.

Um 12 Uhr 33 kam es laut Prieto aber zu zwei Ausfällen bei der Stromerzeugung – nur anderthalb Sekunden nacheinander. Der erste konnte noch abgefedert werden, der zweite brachte das Netz zum Einsturz. Ob menschliches Versagen dahintersteckt, ist noch unklar. Die spanische Justiz nahm allerdings wegen möglicher Computersabotage Ermittlungen auf. Ein Richter des obersten Gerichtshofs leitete eine entsprechende Voruntersuchung ein. Sollten die Ermittlungen zum Schluss kommen, dass es sich um einen gezielten Angriff auf die Infrastruktur handelte, könnte der Vorfall als Terrorismus eingestuft werden.

Ist der Energiemix schuld?

Auch der Regierungschef Sánchez kündigte eine gründliche Untersuchung an. Private Betreiber sollen zur Rechenschaft gezogen und Massnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass so etwas «nie wieder passiert».

Gleichzeitig wies Sánchez den Vorwurf zurück, der Stromausfall habe mit Spaniens Energiemix zu tun – insbesondere mit dem Verzicht auf Kernenergie. Wäre das Land stärker von Atomstrom abhängig gewesen, hätte sich das Netz langsamer erholt, so Sánchez.

Spanien deckt mittlerweile etwa 60 Prozent seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energien ab, wobei Wind- und Solarenergie den grössten Teil ausmachen. Das bringt jedoch ein Risiko mit sich: Traditionelle Kraftwerke wie Wasser- oder Wärmekraftwerke können die Netzfrequenz stabilisieren und kurzfristige Schwankungen ausgleichen – eine Fähigkeit, die Wind- und Solaranlagen nicht besitzen. Je mehr erneuerbare Energien im Netz sind, desto anfälliger wird es deshalb für Schwankungen, die schlimmstenfalls Ausfälle bewirken.

Der REE-Chef Prieto erklärte, dass erste Untersuchungen auf einen plötzlichen Rückgang der Solarstromerzeugung kurz vor dem Ausfall hindeuteten, was durch Daten des Netzbetreibers bestätigt werde. Die genaue Ursache ist jedoch noch nicht abschliessend geklärt. Neben den Untersuchungen in Spanien wird nun auch die EU eingeschaltet. Der Vorfall, der bei den Musterschülern der Energiewende fast zu einem Kollaps führte, alarmiert ganz Europa.

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