Damit die chinesischen Verbraucher endlich wieder ihre Geldbeutel öffnen, hat die Regierung ein eigenwilliges Hilfsprogramm aufgelegt. Es ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.
Die Malaise der chinesischen Wirtschaft ist in diesen Tagen mit Händen zu greifen. In der Hauptstadt Peking liegen viele Einkaufszentren verwaist. In der Ginza-Mall nicht weit vom Regierungsviertel etwa sind an einem Sonntagnachmittag Läden wie der Flagship-Store von Huawei menschenleer.
Kaum einen Kilometer weiter musste vor wenigen Wochen der Elektronikgrossmarkt Sundan schliessen. Monatelang hatten Chinesinnen und Chinesen um die Angebote wie Computer, Kameras und Staubsauger einen grossen Bogen gemacht.
Chinas Konsumenten sind tief verunsichert. Die nicht enden wollende Krise am Immobilienmarkt, Ängste um den Job und die verbreitete Kürzung von Salären haben dazu geführt, dass die Verbraucher ihr Geld zusammenhalten.
Peking will gegensteuern
Alarmiert von der andauernden Zurückhaltung der Menschen, will Peking nun mit einem Hilfsprogramm gegensteuern, bei dem Käufer von Hausgeräten, Autos und Elektronikprodukten wie Tablets oder Handys einen Zuschuss erhalten.
Waren bei dem im März vergangenen Jahres aufgelegten Programm nur Käufer von Kühlschränken, Pkw, TV-Geräten und Handys zuschussberechtigt, gilt die Regelung ab sofort auch für Mikrowellengeräte, Reiskocher und Spülmaschinen. Ein Beschluss des Staatsrates hat die Zahl der Produktkategorien von acht auf zwölf erweitert.
Käufer von Pkw und Hausgeräten müssen beim Kauf ihre Altgeräte mit potenziell hohem Energie- und Kraftstoffverbrauch zurückgeben, um in den Genuss der staatlichen Hilfen zu kommen.
Zweifel am Erfolg des Programms
Wirtschaftsexperten reiben sich leise lächelnd bis verwundert die Augen. Sie zweifeln daran, dass das eigenwillige Vorhaben der Machthaber die Verbraucher aus ihrer Lethargie herausreissen kann.
Zhang Ning, China-Ökonom der UBS in Hongkong, verdeutlicht den Stellenwert des Programms anhand einer Skala von eins bis zehn, wobei die Zehn für die tatsächlich erforderlichen Massnahmen zur nachhaltigen Stimulierung des privaten Verbrauchs steht. Zhang sagt: «Wir sind bei eins.» Doch immerhin sei ein Anfang gemacht.
Ein einfacher Blick auf die Zahlen bringt Klarheit über den begrenzten Effekt der staatlichen Hilfen. Im vergangenen Jahr stellte Peking umgerechnet 20 Milliarden Dollar für das staatlich geförderte Umtauschprogramm bereit. In diesem Jahr will die Regierung weitere 10 Milliarden Dollar ausschütten. Bei einem Bruttoinlandprodukt von 18 Billionen Dollar ist das kaum mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.
Dass das Hilfsprogramm der Regierung zu einer spürbaren Belebung des privaten Verbrauchs führen wird, darf als ausgeschlossen gelten. Schon die erste Stufe des Programms brachte wenig. Im November stiegen die Umsätze im Detailhandel im Jahresvergleich nur um 3 Prozent. Analysten hatten mit einem Zuwachs von 4,6 Prozent gerechnet. Im Oktober hatte das Plus noch bei 4,8 Prozent gelegen.
Die Onlineportale spüren die Konsumflaute
Auch die grossen Onlineportale bekommen die Konsumflaute inzwischen schmerzhaft zu spüren. So sanken die Umsätze auf der E-Commerce-Plattform Jingdong und den Plattformen T-Mall und Taobao des Alibaba-Konzerns zwischen Januar und November im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3 Prozent.
Die Zurückhaltung der Chinesinnen und Chinesen ist vor allem eine Vertrauenskrise. Die jahrzehntelang herrschende Zuversicht, dass es in China bei den Einkommen und beim Wohlstand stetig bergauf gehe, ist vermutlich für viele Jahre dahin. «Es ist doch nur verständlich, dass die Menschen erst einmal ihre Immobiliendarlehen bedienen, statt einkaufen zu gehen», sagt der UBS-Ökonom Zhang.
Je länger die Regierung zuwartet und von entschiedenen Massnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft absieht, desto grösser die Gefahr, dass China in einer deflationären Abwärtsspirale gefangen bleibt. Seit einem Jahr steigen die Verbraucherpreise praktisch nicht mehr. Im Dezember betrug die Teuerung lediglich 0,1 Prozent und lag damit so niedrig wie seit neun Monaten nicht mehr.
Vom Inflationsziel meilenweit entfernt
Selbst wenn man die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel herausrechnet, stiegen die Verbraucherpreise in den vergangenen Monaten nur um 0,4 Prozent. Von seinem Inflationsziel von 3 Prozent ist China damit meilenweit entfernt.
Bis vor kurzem wollte die Regierung nicht einmal einräumen, dass China ein Deflationsproblem hat. «Zumindest anerkennen die Regierenden es jetzt», sagt Zhang. Die Gefahr ist allerdings gross, dass die Regierung zu spät handelt und zu wenig gegen den Preisabschwung unternimmt.
Immerhin will Peking jetzt auch an anderer Stelle ansetzen, um für eine Steigerung der Einkommen der privaten Haushalte zu sorgen. So beschloss die Zentrale Arbeitskonferenz für die Wirtschaft im Dezember eine Ausweitung der Sozialleistungen wie Pensionen. Ausserdem erhöhte die Regierung vor wenigen Wochen die Saläre für Millionen von Beamten.
Die Augen richten sich jetzt auf die Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses im März. Dort, so erwarten viele Beobachter, werde die Regierung weitere Massnahmen präsentieren, um die Konjunktur und vor allem den Konsum in Schwung zu bringen.