Montag, November 25

Bisher hat Südkorea direkte Waffenlieferungen an die Ukraine abgelehnt, das könnte sich nun ändern. Für die Ukraine und den Westen böte das einige Vorteile.

Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol preschte vor, als die Gerüchte über eine Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland aufkamen. Sein Land sei bisher dem Prinzip gefolgt, keine Offensivwaffen an die Ukraine zu senden, sagte er vor einem Monat und fügte an: «Aber je nach den Aktionen der nordkoreanischen Truppen können wir eine Lockerung dieses Grundsatzes in Betracht ziehen.»

Seit der Wahl von Donald Trump zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten hat sich Yoon jedoch nicht mehr dazu geäussert. Er gratulierte Trump auf der Plattform X zwar zum Sieg und schrieb: «Unter Ihrer starken Führung wird die Zukunft der amerikanisch-südkoreanischen Allianz und Amerikas heller leuchten. Ich freue mich auf eine enge Zusammenarbeit mit Ihnen.» Aber zur Lieferung von Offensivwaffen schweigt er, denn diese könnten für Trumps Ukraine-Pläne kontraproduktiv sein.

Bisher hat Südkorea im Rahmen eines Ringtausches Munition vor allem an die Vereinigten Staaten und humanitäre Hilfe an die Ukraine gesandt.

Wie sind Seouls rote Linien zu deuten?

Wie sehr die US-Wahlen die Pläne von Yoon, die Ukraine zu unterstützen, durchkreuzen, zeigt sich im Rückblick auf den Juni.

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un und Wladimir Putin verständigten sich bei einem gemeinsamen Gipfel auf eine umfassende strategische Partnerschaft. Diese enthält eine Klausel zur gegenseitigen Verteidigung. Danach unterstützen sich Nordkorea und Russland militärisch, wenn eines der beiden Länder angegriffen wird.

Damals zog das Präsidialamt in Seoul eine rote Linie: Falls Russland Nordkorea fortschrittliche Militärtechnologie und Waffen liefere, denke man in Seoul darüber nach, Offensivwaffen an die Ukraine zu liefern.

Der in der Bevölkerung unpopuläre Yoon – seine Zustimmung beläuft sich auf 17 Prozent – stösst mit diesem Ansinnen in Südkorea jedoch auf grosse Gegenwehr. In einer Umfrage des Befragungsinstituts Gallup Korea von Anfang November lehnten annähernd zwei Drittel der Koreaner diesen Schritt ab, weil sie sich nicht weiter in den Krieg hineinziehen lassen wollen. Sie stellen sich die Frage, welchen Nutzen ihr Land von direkten Waffenlieferungen an die Ukraine haben würde.

Die Kosten sind hingegen offensichtlich: Die Lieferungen würden die Beziehungen zu Russland schwer beschädigen und die Lage auf der koreanischen Halbinsel weiter destabilisieren. Kim hat sich bereits vom Ziel der Wiedervereinigung verabschiedet und bezeichnet Südkorea als «feindlichen Staat».

In Südkoreas Politik sowie unter Akademikern werden seit dem Sommer zwei Fragen intensiv diskutiert.

Zum einen ist umstritten, ob das Aussenhandelsgesetz die Lieferung von Offensivwaffen gestattet. Dieses schreibt vor, dass der Export von «strategischen Gütern» nur dann erlaubt ist, wenn sie für «friedliche Zwecke» verwendet werden und den «internationalen Frieden und die nationale Sicherheit» nicht beeinträchtigen.

Zum anderen ist unklar, wie die Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland zu bewerten ist. Offenbar kämpfen sie bis jetzt rund um Kursk gegen ukrainische Truppen, die auf russisches Territorium vorgedrungen sind. Sie unterstützen folglich gemäss der strategischen Partnerschaft zwischen Nordkorea und Russland, die in den beiden Ländern in Kraft getreten ist, russische Soldaten im Kampf gegen Invasoren.

«Während die Frage kompliziert zu beantworten ist, ob Nordkorea und Russland damit bereits die von Seoul gezogene rote Linie überschritten haben, ist die Weitergabe von Schlüsseltechnologien noch nicht bestätigt worden», sagt der Nordkorea-Experte Park Won Gon von der Ewha Womans University in Seoul. Der südkoreanische Sicherheitsberater Shin Won Sik vermutete in einem Interview mit dem Sender SBS am Freitag hingegen, dass Russland Flugabwehrraketen und weitere Mittel zur Luftverteidigung an Nordkorea gesendet habe.

Welche Waffen Südkorea liefern könnte

Bei all diesen ungeklärten Fragen ist zumindest eines klar: Direkte Waffenlieferungen Südkoreas wären für die ukrainischen Truppen im Kampf gegen den russischen Aggressor eine wichtige Hilfe.

Welche Munition und welche Waffen kommen infrage?

Es gibt Mutmassungen, wonach das südkoreanische Militär noch bis zu 3,4 Millionen 105-Millimeter-Artilleriegeschosse besitzt, die eigentlich ausrangiert werden sollen. Diese wären kompatibel mit den 105-Millimeter-Haubitzen, welche die Ukraine einsetzt.

Zudem könnte Südkorea Artilleriegranaten mit dem Nato-Standardkaliber 155 Millimeter liefern, die südkoreanische Rüstungsindustrie produziert jährlich bis zu 200 000 Stück. Und ironischerweise verfügt Südkorea noch über russische Panzer, die Russland zwischen 1996 und 2006 zur Begleichung von Schulden geliefert hat. Ob diese einsatzfähig sind, ist nicht bekannt.

Zudem wären neben dem Flugabwehrsystem KM-SAM zum Schutz der ukrainischen Städte auch drei Offensivwaffen eine Option: der Panzer des Typs K2 Black Panther, ein Modell der neuen vierten Generation, die Panzerhaubitze K9 Thunder sowie Boden-Boden-Raketen. Allerdings müssten südkoreanische Soldaten und Techniker für die Ausbildung ihrer ukrainischen Kollegen ins Kriegsgebiet reisen.

Gemäss Südkoreas Verfassung müsste die Legislative, die von der oppositionellen Demokratischen Partei dominiert wird, der Entsendung zustimmen. Damit ist jedoch nicht zu rechnen, da die Opposition sich nicht noch weiter in den Krieg hineinziehen lassen will.

Die Waffenindustrie des Landes wächst

Trotz der Hängepartie um direkte militärische Hilfen profitiert Südkoreas Rüstungsindustrie vom Krieg in der Ukraine, denn sie hat diverse Vorzüge: Südkoreas Rüstungsindustrie stellt Nato-kompatible Waffen her, sie fertigt qualitativ hochwertige Produkte, die preislich wettbewerbsfähig sind, und sie kann grosse Stückzahlen herstellen.

Die Rüstungsprodukte aus südkoreanischer Herstellung waren denn auch nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in Polen, Estland, Finnland, Norwegen und Rumänien gefragt, was sich in den Zahlen spiegelt. In den Jahren zwischen 2018 und 2022 erhöhten sich die Waffenexporte um mehr als 70 Prozent gegenüber dem Zeitraum von 2013 bis 2017.

Besonders markant sind die Steigerungen seit 2021. Damals beliefen sich die Exporte auf 7,3 Milliarden Dollar, bevor sie 2022 mehr als 17 Milliarden Dollar betrugen. Im laufenden Jahr sollen sie sich laut Schätzungen der Denkfabrik Institute for International Political Studies auf 20 Milliarden Dollar erhöhen.

Im Ranking der grössten Waffenexportnationen belegte Südkorea im März dieses Jahres den zehnten Rang. Nach dem Willen von Präsident Yoon soll die Branche bis 2027 im Ranking auf den vierten Platz vorrücken.

Südkorea profitiert auch davon, dass Russland wegen des Eigenbedarfs für den Krieg in der Ukraine Marktanteile im internationalen Waffengeschäft verliert. Zu den zwölf Ländern, die die südkoreanische Rüstungsindustrie beliefert, zählen mit Ägypten und Vietnam einst traditionelle Abnehmer russischer Waffen.

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