Mittwoch, November 27

Die Spezialmaschinen des bayerischen SDax-Werts stehen bei Chipriesen wie TSMC und Micron und tragen damit zur Fertigung von Nvidias KI-Chips bei. Der Kurssturz der vergangenen Wochen bietet eine günstige Einstiegschance.

Der grösste Börsenliebling der vergangenen Jahre ist in Ungnade gefallen: Die Investoren verkauften zuletzt Halbleiteraktien, sei es nach dem Einbruch neuer Orders beim niederländischen Chipausrüster ASML, dem mauen Ausblick des US-Ausrüsters Applied Materials oder selbst nach den exzellenten Zahlen des Chipdesigners Nvidia. Der Chip-Hype um künstliche Intelligenz, Rechenzentren und Elektromobilität ist zu Ende. Die Halbleiterei geht in eine volatilere Zukunft, die sich wieder stärker nach Abnehmerbranchen differenziert.

Auch der Hersteller von Spezialmaschinen für die Chipfertigung, Süss MicroTec, hat seinen Rekordlauf Anfang Oktober bei gut 70 € beendet, der Kurs brach danach binnen sechs Wochen um ein Drittel auf 48 € ein. Damit folgte das Papier ASML, die seit ihrem Höchstwert im Juli gut ein Drittel verloren haben.

Auf Fünfjahressicht liegt der in SDax und TecDax notierte Mittelständler aus Garching bei München gegenüber den Branchengrössen ASML, Applied Materials und Tokyo Electron (Tel) aus Japan trotzdem weiter vorne.

Dass Süss am 7. November für das dritte Quartal ein «beeindruckendes Wachstum von Umsatz und Margen» (Deutsche Bank) präsentierte, konnte den Kursrutsch kaum aufhalten. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis des für 2025 erwarteten Gewinns hat sich auf 17 fast halbiert und liegt damit teils weit unter den Werten der Branchenriesen ASML (26), Applied Materials (18) und Tel (20).

Sind bei Süss also nun Einstiegskurse erreicht? Wie sind die Aussichten kurz-, mittel- und langfristig?

Künstliche Intelligenz trieb Süss› Bestelleingänge

Süss galt als grundsolider Spezialmaschinenbauer für die Chipindustrie, bis das Geschäft im Sommer 2023 vom KI-Hype erfasst wurde: Das Unternehmen beliefert die Chiphersteller Micron Technology (USA) und Samsung (Südkorea) sowie den weltgrössten Auftragsfertiger Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) mit immer mehr Maschinen, die zur Produktion von KI-Chips benötigt werden.

Dabei handelt es sich um Maschinen zum temporären Bonden (Verbinden) für die Produktion ultraleistungsfähiger HBM-Speicherchips (High Bandwidth Memory Chips, Speicher mit hoher Bandbreite). Diese werden mit Rechenchips, sogenannten Logikchips, zu Grafikprozessoren (GPU) zusammengefügt, dem Kernprodukt von Nvidia. Die Nachfrage nach Nvidias GPU wächst unaufhaltsam, da nur mit ihnen die grossen KI-Modelle trainiert werden können.

Nvidias GPU-Produktion findet bei TSMC statt. Der weltgrösste Chiphersteller aus Taiwan setzt dafür von Süss neben Maschinen zum temporären Bonden auch UV-Projektionsscanner ein. TSMC ist mit über 10% Anteil grösster Kunde der Bayern.

All diese KI-Anwendungen treiben bei Süss das Wachstum. «In den ersten neun Monaten 2024 stieg der KI-Anteil am Umsatz auf etwa ein Drittel, von zuvor unter 10%», sagt Investor-Relations-Chef Sven Köpsel.

In den neun Monaten bis September sprang Süss‘ Konzernumsatz um fast die Hälfte auf 295 Mio. €. Die Ebit-Marge wurde auf 16,1% mehr als verdoppelt. Der freie Cashflow aus dem fortgeführten Geschäft stieg von null auf 24 Mio. €

Die von Nvidia eingesetzten HBM-Chips wurden vom britischen Chipdesigner ARM mit Südkoreas Speicherchipriesen SK Hynix entwickelt, der seine Serienproduktion 2015 mit Anlagen zum temporären Bonden von Tokyo Electron startete und bis heute betreibt.

KI-Auftragswelle ist abgeebbt

Süss kam ins Geschäft, da Nvidia die HBM-Chips nun zusätzlich von Samsung und Micron produzieren lässt. Bei diesen beiden hat sich das Unternehmen als führender Ausrüster fürs temporäre Bonden etabliert und ab Mitte 2023 eine Welle von Aufträgen eingefahren, die aber in den vergangenen Quartalen abebbte. Noch ist Süss beschäftigt, die Bestellungen von Samsung und Micron abzuarbeiten. Die Frage ist, wie es weitergeht.

Durch den Rückgang beim temporären Bonden wies die grösste Sparte, Advanced Backend Solutions, im dritten Quartal einen Bestelleinbruch auf 67,7 Mio. € (Vorjahresquartal: 93,7 Mio.) aus. Die Sparte fasst die Anlagen für das Backend – das Trennen, Montieren und Verpacken der Chips – zusammen. CEO Burkhardt Frick erklärte Anfang November den Analysten, auch weiterhin erhalte Süss «jeden Monat Orders für einzelne Maschinen».

Die Schlüsselkunden seien noch extrem beschäftigt, die bestellten Anlagen zu installieren und die Produktion hochzufahren, begründete CEO Frick. Über die nächsten Quartale und Jahre würden die Orders «eher schrittweise zunehmen».

Was macht Schlüsselkunde Samsung?

Die HBM-Lieferanten müssen sich bei jeder neuen GPU-Generation mit Weiterentwicklungen qualifizieren. Dabei geht es darum, platzsparend immer mehr Speicherchips übereinander zu stapeln, aktuell sind es acht bis zwölf. Hierfür werden mit Süss‘ Maschinen die Siliziumscheiben (Wafer) temporär verbunden. Nachdem sie dünn geschliffen worden sind, wird die Verbindung aufgelöst.

Laut Fachpresse kämpft Samsung derzeit noch um die Zertifizierung der nächsten HBM-Generation durch Nvidia und hält sich deshalb mit Bestellungen weiterer Maschinen zurück.

Dagegen ist Micron bereits von Nvidia qualifiziert – und scheint fleissig Folgeaufträge zu vergeben. Jedenfalls sagte Frick, Süss habe auch im Oktober bereits neue Bestellungen mit Bezug auf HBM erhalten und erwarte bis Jahresende weitere. Das Geschäft scheint also für die nächsten Jahre gesichert.

Fotomaskenmaschinen leiden unter «Normalisierung» in China

Abseits vom KI-Hype war auch das Stammgeschäft mit Maschinen zur Herstellung und Reinigung von Fotomasken stark gewachsen: Der Umsatz der zweiten Sparte, Photo Mask Solutions, legte von Januar bis September um 55% auf 86,5 Mio. € zu, bei einer auf 20,7% fast verdoppelten Ebit-Marge. Diese Maschinen werden eingesetzt, damit Lithografiemaschinen – etwa von ASML – Siliziumscheiben fehlerfrei belichten können. Süss bezeichnet sich als weltweite Nummer eins in dieser Nische, mit 85% Marktanteil im High-End-Segment.

ASML hatte die ganze Branche in Mitleidenschaft gezogen, als der nach Börsenwert zweitgrösste Tech-Konzern Europas für das dritte Quartal nur knapp halb so hohe Auftragszahlen meldete wie im Vorquartal und wie von Analysten prognostiziert. Das Management senkte zudem den Ausblick für 2025.

Wie bei ASML wurde bei Süss‘ Fotomaskensparte der Umsatz stark vom Aufbau neuer Chipfabriken in China getrieben; die Volksrepublik steht für gut die Hälfte des Umsatzes der Photo Mask Solutions. Deren Auftragszahlen schrumpften im Neunmonatszeitraum 17% auf 78 Mio. €, Süss spricht von einer «Normalisierung». Der Auftragsbestand bei Fotomaskenmaschinen reicht bis weit ins zweite Halbjahr 2025. Man registriere bisher keine Stornierungen oder Verschiebungen. Die künftige Nachfrage aus China sei allerdings schwer zu antizipieren, räumt IR-Chef Köpsel ein.

ASML bekräftigte auf einem Investorentag Mitte November gleichwohl die Mittelfristziele bis 2030, der langfristige Wachstumstrend sei intakt. KI werde den globalen Chipmarkt bis 2030 über 1 Bio. $ treiben, sagte ASML-Chef Christophe Fouquet. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 9%.

Wechselvolle Unternehmensgeschichte

1949 gründete Karl Süss eine Handelsvertretung für optische Geräte und entwickelte sie später zu einem Ausrüster für die entstehende Mikroelektronikbranche. Nach dem Tod des Gründers 1994 und wenig später seines ältesten Sohnes ging Süss MicroTec 1999 an den Neuen Markt, das damalige Technologiesegment der Deutschen Börse. Nach dessen Zusammenbruch fristete das Unternehmen lange ein Schattendasein, bis man 2020 ein Werk in Taiwan eröffnete und fortan im Windschatten von TSMC wuchs. Im Mai 2023 gelang der Aufstieg in den SDax, dieses Frühjahr in den TecDax.

Die Gründerfamilie stieg schon im Laufe der 2000er-Jahre aus, die Aktien liegen bei institutionellen und privaten Investoren.

Anleger billigen Strategie des neuen CEO

Vergangenen September bekam das Unternehmen mit dem ehemaligen ASML-Manager Frick mal wieder einen neuen CEO. Frick erhöhte Mitte Juli die Prognose für das Gesamtjahr leicht, auf 380 bis 410 Mio. € Umsatz, eine Bruttomarge von 38 bis 40% und eine Ebit-Marge von 14 bis 16%. Damit werden die 2020 für 2025 gesetzten Mittelfristziele wahrscheinlich schon 2024 erreicht.

Auch wie Frick Süss bisher strategisch weiterentwickelt hat, kommt bei Anlegern an. Der CEO fokussiert stärker auf die Belieferung von grossen Kunden wie TSMC oder Micron und will weniger Spezialanfertigungen etwa für Forschungseinrichtungen erstellen. Das erzielt Skaleneffekte und verbessert die Marge.

Der Verkauf des Mikrooptikgeschäfts zu Jahresbeginn habe zudem die Volatilität reduziert und die Vorhersehbarkeit der Ergebnisse verbessert, lobt Philipp Struwe, Fondsmanager von Metzler Asset Management. Der Verkaufserlös von 75,5 Mio. € stärkte die Bilanz: Ende September wies Süss 122 Mio. € Nettoliquidität und eine Eigenkapitalquote von 55% aus.

Für anstehende Investitionen, darunter eine Kapazitätsverdopplung am Standort in Taiwan scheint Süss gerüstet. Das Unternehmen will ins Geschäft mit Maschinen zur Reinigung von Wafern einsteigen; ein nennenswerter Umsatz wird ab 2027 erwartet. Chancen sehen Analysten zudem beim Hybrid-Bonden, einer neuen Verbindungstechnologie für Chips. Bisher kann nur die niederländische BE Semiconductor Industries diese Anlagen anbieten. «BE hat gegenüber Süss circa ein bis zwei Jahre Vorsprung», schätzt Struwe.

Neue Technologien zu entwickeln, kostet viel Zeit und Geld. Allein die Qualifizierung neuer Anlagen bei Kunden kann ein bis anderthalb Jahre dauern. Installation und Hochlauf nehmen Monate bis Jahre in Anspruch. Der Vorteil: Haben ASML, Tel oder Süss ihre Maschinen einmal in den Chipfabriken stehen, werden sie als Lieferanten kaum noch ausgetauscht. Allenfalls, wenn eine neue produktivere Technologie verfügbar ist.

Nach Kursrutsch ist die Aktie moderat bewertet

Süss ist nicht nur gegenüber Vergleichsunternehmen, sondern auch im historischen Vergleich moderat bewertet. Nach dem Kurssturz der vergangenen Wochen liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis basierend auf dem für die kommenden zwölf Monate geschätzten Gewinn unter 18, leicht unter dem Schnitt der vergangenen acht Jahre von gut 19 und in etwa in Höhe des mittleren Dreijahreswerts.

Das Papier sei «günstig angesichts des Wachstumsprofils», findet Metzler-Fondsmanager Struwe. In seinem Fonds für deutsche Small Caps hat er Süss übergewichtet.

Dabei geht Struwe davon aus, dass sich der Auftragseingang kurzfristig nicht deutlich erholt. Süss ist zwar mit einem Auftragsbestand von 430 Mio. € bis weit ins Jahr 2025 hinein gut ausgelastet, was für 2025 gute Visibilität der Ergebnisse gibt. Die Vorhersehbarkeit könnte allerdings von Quartal zu Quartal abnehmen, wenn die Bestellungen nicht anziehen. Neue Mittelfristziele wird das Management voraussichtlich erst im Herbst 2025 nennen.

Mittel- und langfristig machen Technologien und Marktpositionen in der strukturell wachsenden Halbleiterbranche Süss MicroTec dennoch zu einer der wenigen spannenden High-Tech-Aktien aus Deutschland.

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