Das Telecomunternehmen ist zurück an der Schweizer Börse. Trotz höchst attraktiver Rendite kommen die Aktien aber nicht vom Fleck. Eröffnet das eine Investitionschance, oder ist es ein Risikosignal?
Seit dem 15. November sind die Aktien von Sunrise wieder an der Schweizer Börse SIX kotiert. Dies als Spin-off von Liberty Global, die das Schweizer Telecomunternehmen 2020 für einen Unternehmenswert von 6,8 Mrd. Fr. aufgekauft hatte.
Ziel war es, Sunrise mit der Schweizer Kabeltochter UPC zusammenzuführen. Die Integration ist inzwischen weitgehend abgeschlossen und die kombinierte Einheit mit einem Angebot von Mobilfunk, Festnetz und Breitbandinternet unter dem Namen Sunrise mehrheitlich zurück in Publikumshänden.
Dabei verfügt das Unternehmen heute über zwei Titelklassen: Die Namenaktien A sind kotiert, die Namenaktien B den Besitzern von Liberty Global vorbehalten, John Malone und Mike Fries. Da die beiden Aktienkategorien unterschiedliche Stimmkraft haben, kontrollieren die Liberty-Männer so trotz eines geringen Kapitaleinsatzes weiterhin fast 30% an Sunrise.
Gestartet waren die Titel bei knapp 42 Fr. – und sie handeln weiterhin auf diesem Niveau. Die Börsenkapitalisierung beträgt knapp 3 Mrd. Fr., dazu gesellen sich Nettoschulden in Höhe von gut 4,5 Mrd. Fr., was einen Unternehmenswert von 7,5 Mrd. Fr. ergibt.
Hohe Dividendenrendite
Was die Aktien auszeichnet, ist eine hohe Dividendenrendite von rund 8% – das ist der höchste Wert an der Schweizer Börse –, und sie fliesst für Privatanleger dank ihrer Entnahme aus ausländischen Kapitaleinlagereserven gar steuerfrei.
Das ist der Investment Case, den Sunrise-CEO André Krause bereits vor der Börsenrückkehr in Aussicht gestellt hatte: Er versprach für das Geschäftsjahr eine Ausschüttung von 240 Mio. Fr. sowie danach weiter steigende Dividenden. Dies wurde an der Jahreskonferenz Ende Februar bestätigt: 3.33 Fr. Je Namenaktie A werden fliessen. Dazu wurde bereits mitgeteilt, für das neue Geschäftsjahr 3.42 Fr. ausschütten zu wollen.
Die beiden Parameter – ein nahezu unbeweglicher Aktienkurs und die attraktivste Schweizer Dividendenrendite – werfen die Frage auf, ob Sunrise nun eine lukrative Investition ist oder eine Falle.
Harziger Börsenstart
Eine Schwierigkeit für den Start der Sunrise-Aktien ergibt sich aus der Spin-off-Situation: Zwei Tage vor dem Handel der Papiere in der Schweiz hatte die in New York kotierte Liberty Global die Sunrise-Titel an ihre bestehenden Aktionäre ausgeschüttet, und zwar in Form von American Depositary Shares (ADS), die an der Nasdaq gehandelt werden. Wer direkt in den Schweizer Aktien investiert sein will, muss sie aktiv umtauschen.
Da die vorwiegend angelsächsische Investorenschaft von Liberty Global jedoch nur teilweise an einer Schweizer Aktie interessiert ist, zumal das Geschäft von Sunrise ausschliesslich auf den hiesigen Telecommarkt ausgerichtet ist, führte das zu Verkaufsdruck: In der Tendenz stiessen US-Investoren ihre ADS ab. Für den Überhang mussten neue Schweizer Anleger gefunden werden.
Das führte zu Beginn zu sehr hohen Handelsvolumen. Bis Mitte Februar waren 75% aller ADS in Aktien umgetauscht. Ein Viertel des Volumens ist jedoch immer noch in den USA kotiert – und wird die Kursentwicklung vorerst wohl weiter hemmen.
«Vor dem Dividendenabgang Mitte Mai erwarte ich verstärkten Kursdruck auf die Aktien von Sunrise», sagt Mark Diethelm, Analyst von Vontobel. Die meisten Halter der ADR seien nicht an der Dividende interessiert. Im Gegensatz zu Schweizer Privatinvestoren müssten sie sie versteuern, weshalb sich vor der Ausschüttung wohl weitere von den ADS trennen werden.
Mit Blick darüber hinaus heisst das aber auch: «Der aus den USA seit der Neukotierung bestehende Verkaufsdruck dürfte danach abnehmen und der US-Börsenhandel mit den Titeln voraussichtlich im Sommer komplett eingestellt werden.» Dass die ADS eine temporäre Lösung sind, hat Sunrise angekündigt und dafür eine Richtgrösse von neun Monaten angegeben.
Stabiles Umfeld – stabiles Geschäft
Der Schweizer Telecommarkt mit einer geschätzten Grösse von rund 10 Mrd. Fr. (Telecomdienstleistungen, ohne Verkauf von Hardware) ist in den Händen von drei grossen Playern: Swisscom, Sunrise und Salt.
Dominant ist Swisscom. Sie kontrolliert gut der Hälfte des Marktes. Sunrise kommt nach dem Zusammenschluss mit UPC auf rund ein Viertel. Salt verfügt gemäss Schätzung von UBS über einen Marktanteil von 10%, ebenso viel teilen sich kleinere Anbieter, darunter auch die Discount-Marken der grossen Unternehmen.
Wie komfortabel sich die hiesigen Anbieter damit eingerichtet haben, offenbart eine Studie von GSMA zum europäischen Markt.
Weniger Anbieter – höhere Margen
Ebitda-Marge nach Konstellation
In Märkten, in denen mehr als drei grosse Konkurrenten um Marktanteile buhlen, fluktuiert ihre Ebitda-Marge in einer Bandbreite von rund 25 bis 30%. Sind jedoch nur drei starke Anbieter präsent, liegt ihr Margenniveau rund 5 Prozentpunkte höher. Die drei Schweizer Telecomkonzerne schreiben gar Ebitda-Margen von mehr als 40%.
Dennoch: Der Wettbewerb – gerade auch durch die eigenen Billiganbieter von Swisscom und Sunrise – führt auch in der Schweiz zu einem steten Preisdruck. Der sogenannte ARPU, der Average Price per User, sinkt sowohl bei den Mobilfunkabos als auch bei Bundles von Festnetz, Internet und Mobile jährlich um 1 bis 2 Prozentpunkte.
Im Gegenzug wachsen sowohl die schweizerische Bevölkerung als auch das Bruttoinlandprodukt, und auch die Billigangebote ziehen neue Kunden an, hauptsächlich weg von Swisscom hin zu Sunrise und Salt.
Gleichzeitig finden Verschiebungen statt: Vontobel schätzt, dass Sunrise im Rahmen der Integration von UPC rund 2% der lukrativen privaten Festnetzkunden verloren hat. Das schmerzt, da dieses Segment oft auch Fernsehdienstleistungen abonniert hat und mit einem ARPU von gegen 70 Fr. pro Monat rund doppelt so hohe Einnahmen generiert wie ein Mobilfunkkunde.
Wettgemacht hat der Telecomkonzern diese Einnahmen jedoch mit einem Wachstum der Geschäftsanschlüsse sowie im Mobilfunkbereich. Insgesamt blieben die Einnahmen so stabil – und werden es gemäss Schätzung von Vontobel auch künftig sein, trotz weiter schrumpfenden durchschnittlichen Einnahmen je Abonnenten.
Der Betriebsgewinn soll dank Effizienzsteigerungen leicht wachsen, im sehr stabilen Telcomgeschäft allerdings ebenfalls um nur wenige Prozent jährlich.
Die zentrale Grösse: Cashflow
Da sich Sunrise an der Börse als Dividendentitel positioniert und rund zwei Drittel des jährlich erzielten Cashflows ausschütten will, ist die Entwicklung dieser Grösse entscheidend.
Zusätzlich zur erwarteten Steigerung des Betriebsergebnisses wird der freie Cashflow davon profitieren, dass die Kapitalausgaben nach Abschluss der Integration von UPC zurückgehen. Von zuvor sehr hohen Werten sanken sie 2024 auf ein Verhältnis zum Umsatz von unter 17%, im laufenden Jahr sollen es weniger als 16% sein, mittelfristig 15%. Zudem profitiert Sunrise von Verlustvorträgen und wird gemäss Schätzung des Managements bis 2028 keine Steuern zahlen müssen. All das kommt dem frei zur Verfügung stehenden Cashflow zugute.
Ungewissheiten und eine sehr hohe Verschuldung
Gewisse Unsicherheiten ergeben sich bezüglich der Entwicklung des Cashflows mit Blick auf die Kosten für die Nutzung von Mobilfunkfrequenzen. Erneuerungsauktionen stehen 2028 und 2032 an.
Sehr schlecht kommt bei vielen Investoren die hohe Verschuldung von Sunrise an, mit der Liberty sie nach dem Zusammenschluss mit UPC zurück an die Börse geschickt hat.
Trotz einer Kapitalinfusion durch Liberty von 1,2 Mrd. Fr. sowie rund 300 Mio. Fr. von Sunrise eigens finanzierten Mitteln sitzt das Unternehmen weiterhin auf einer Nettoverschuldung von per Ende 2024 mehr als 4,5 Mrd. Fr.
Im Verhältnis zum Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und nach Leasingverpflichtungen (EbitdaAL) entspricht das einem sehr hohen Verschuldungsfaktor von 4,4, den Sunrise zudem in einer Bandbreite von 3,5 bis 4,5 halten will. Zum Vergleich: Der europäische Telecomsektor arbeitet gemäss der Deutschen Bank im Schnitt mit einem weniger als halb so hohen Leverage von 2,1.
Diethelm relativiert jedoch: «Sunrise weist zwar einen sehr hohen Verschuldungsgrad auf. Doch ihr Geschäft ist auf die Schweiz konzentriert, wo der Telecommarkt stabile Cashflows abwirft», sagt er und merkt an: «Der Verschuldungsgrad von Swisscom ist nach dem Zukauf der italienischen Vodafone Italia in Richtung 3 gestiegen. Das wirkt auf den ersten Blick tragbarer – ist angesichts des hart umkämpften italienischen Telecommarktes aber möglicherweise zu relativieren.»
Fazit
Auf der einen Seite spricht sehr viel für eine Investition in Sunrise. Gerade in unsicheren Zeiten bieten sich die Titel gleich doppelt als defensive Anlage an: Die Ausrichtung von Sunrise exklusiv auf die Schweiz schirmt sie vor geo- und wirtschaftspolitischen Verwerfungen ab. Aus einer Industrieperspektive zählt Telecom zudem zu den stabilsten Märkten – besonders ausgeprägt in der Schweizer Dreierkonstellation mit Swisscom, Sunrise und Salt, zumal Sunrise-CEO Krause an der Jahrespräsentation beteuert hat, künftig weniger mit Preisnachlässen um Neukunden werben zu wollen.
Auf mehr Wachstum als im Einklang mit der Gesamtwirtschaft kann man bei Sunrise zwar kaum hoffen. Dafür wird man mit einer Dividendenrendite von rund 8% entschädigt sowie versprochenermassen jährlich weiter steigenden Ausschüttungen, die für mindestens fünf weitere Jahre steuerfrei fliessen können.
Auf der anderen Seite belastet der hohe Verschuldungsgrad. Gerade Investoren, die stärker auf Sicherheit und Stabilität als auf rasantes Wachstum setzen, scheuen hoch verschuldete Unternehmen für gewöhnlich. Damit können sich die Vorteile, die Sunrise bietet, nicht uneingeschränkt positiv in der Bewertung niederschlagen. Ein gewisser Abschlag dürfte bleiben.
Bewertet man die Sunrise-Aktien nach ihrem Hauptkaufargument, der Dividendenrendite, lassen sich mit Blick auf die etablierte Konkurrentin Swisscom folgende Szenarien ableiten:
Swisscom hat versprochen, die Dividende nach dem Kauf von Vodafone Italia auf 26 Fr. zu erhöhen, was ab 2026 eine Dividendenrendite von 5% verspricht. Sunrise wirft zum derzeitigen Kurs und mit der gegenwärtigen Bewertung hingegen mehr als 8% Rendite ab.
Bei einem Risikoaufschlag von 2,5 Prozentpunkten gegenüber Swisscom, entsprechend einer Dividendenrendite von immer noch sehr hohen 7,5%, könnte der Kurs von Sunrise auf mehr als 45 Fr. steigen. Verengt sich der Bewertungsabschlag auf 1,5 Prozentpunkte, also eine Dividendenrendite von 6,5%, liegen gar Notierungen von mehr als 50 Fr. drin – ein Kurspotenzial von 25% und inklusive der Dividende mehr als 30% Gesamtrendite.
Kurzfristig – bis die Titel ab dem 15. Mai ex Dividende handeln – könnte vorerst aber erneut ein beschleunigter Abverkauf aus den USA Druck auf den Kurs ausüben. Danach hingegen stehen die Chancen gut, dass sich die Bewertung der an die Börse zurückgekehrten Sunrise endlich etwas ausweitet.