Montag, Oktober 21

Mitte November wagt Sunrise den Schritt zurück aufs heimische Parkett. Im neuen Unternehmen steckt weniger Schweiz als im alten.

In einer Flughafenlounge, vielleicht sogar am Flughafen Zürich, sitzen die beiden grössten Stars der Schweizer Sportwelt und unterhalten sich. «Hey, wir wurden upgegradet», sagt Marco Odermatt. «Business- oder Firstclass?», fragt Roger Federer zurück. «Unser Internet», erklärt Odermatt. «Auf zweieinhalb Gigabit.» «Einfach so?» Roger Federer kann es kaum glauben. «Cool.»

Unser Speed Upgrade für die Schweiz

Nun ist es genauso unwahrscheinlich, dass Federer und Odermatt gemeinsam Economyclass fliegen, wie dass sie sich dabei über ihr Internetabo unterhalten. Aber darum geht es bei dem Werbespot für Sunrise auch gar nicht. Die beiden Sportler sollen vor allem eins: zeigen, wie viel Swissness in Sunrise steckt.

Sunrise, die Nummer zwei im Telekommarkt, hat längst erkannt, wie man als Schweizer Unternehmen Kunden an sich bindet: Man muss so schweizerisch sein wie irgendwie möglich. Und Sunrise will mindestens so schweizerisch sein wie die grosse Konkurrentin Swisscom. Dazu soll es jetzt an die heimische Börse gehen. «Für das Unternehmen ist das ein guter Schritt», freut sich der CEO André Krause. «Das Listing an der SIX etabliert uns noch stärker als Schweizer Unternehmen.»

Umständliche Doppeltransaktion

Doch der Weg dorthin ist gar nicht so einfach. Zwar hat Sunrise an der SIX bereits Erfahrung: Schon im Jahr 2015 kamen die Aktien in Zürich in den Handel. Doch dann wurde Sunrise vom US-Konglomerat Liberty Global übernommen und dekotiert.

Das Comeback erfolgt nun nach der Zusammenlegung mit dem Kabelnetzbetreiber UPC als Spin-off. Die Aktien der Mutter Liberty Global sind in den USA allerdings an der Technologiebörse Nasdaq kotiert. Und weil es keine direkte technische Verbindung zwischen den beiden Handelsplätzen gibt, können die Sunrise-Aktien nicht sofort in Zürich gelistet werden.

Stattdessen kommt es zu einer komplizierten Doppeltransaktion: Zunächst müssen die Liberty-Global-Aktionäre an einer ausserordentlichen Generalversammlung ihr Okay für den Spin-off geben. Dann erhalten sie Bezugsrechte, die an der Nasdaq gehandelt werden. Die Liberty-Aktionäre können dann entscheiden, ob sie ihre Rechte in Sunrise-Aktien wandeln wollen oder nicht.

Erst danach, am 15. November, kommen die Sunrise-Aktien an die Zürcher Börse. Die Führung des Unternehmens geht davon aus, dass sich das Aktionariat dadurch über Zeit deutlich verändern wird: Weil viele Liberty-Aktionäre kein Interesse daran haben dürften, an einem kleinen Schweizer Telekom-Konzern beteiligt zu sein, dürfte sich das Aktionariat «verschweizern».

Diese Doppeltransaktion sei technisch bedingt sowie der zuverlässigste und effizienteste Weg, versichert André Krause. Sie ist nicht nur umständlich, sondern eröffnet professionellen Spekulanten wie Hedge-Funds die Möglichkeit, an den Preisdifferenzen zwischen New York und Zürich Geld zu verdienen.

Weiterhin an Liberty gebunden

Das ist unschön. Ebenso die Tatsache, dass die Liberty-Chefs Mike Fries und John Malone über eine zweite Aktienkategorie, die zehnmal so viel Stimmkraft hat, rund 30 Prozent der Stimmanteile kontrollieren werden – obwohl sie viel weniger Kapital stellen.

Krause sieht darin keinen Nachteil: «Ein starker Ankeraktionär hat den Vorteil, dass er Kontinuität sicherstellt», sagt er. Das klingt ganz wie bei der Swisscom, wo man sich seit 25 Jahren über die Kontinuität freut, die der Schweizer Staat als Mehrheitseigner bietet – wenn auch ohne Stimmrechtsbegünstigung. Genau wie der Bund haben die Liberty-Gründer ein Interesse daran, dass das Geschäft ihres Unternehmens erfolgreich ist, und wie der Bund dürften sie über die Dividenden fürstlich daran verdienen.

Sunrise bleibt aber auch über laufende Service-Verträge und IT-Dienste an Liberty gebunden. Ganz lässt sich die Trennung in den ersten Jahren also nicht vollziehen, wobei eine Weiterführung dieser Verträge auch betriebswirtschaftlich sinnvoll sein könne, sagt Krause.

Dividende, ja, aber auch Wachstum?

Die neue Sunrise-Aktie wird also amerikanischer sein als die alte. Ob sie eine ähnliche Bewertung erzielen wird, lässt sich erst nach dem Start des Bezugsrechtehandels abschätzen. Fest steht, dass Sunrise vor allem als Dividenden-Titel punkten will. Dafür sollte das Unternehmen wie früher – und wie die Swisscom – eine Rendite von mindestens 4 Prozent bieten können, wobei die Renditehöhe von der erzielten Bewertung abhängt.

Diese wiederum könnte durch die Schuldenlast des Unternehmens gedrückt werden. Die Schulden von Sunrise entsprechen dem 4,5-fachen des operativen Ergebnisses. Bei der Swisscom liegt der Verschuldungsgrad selbst nach der Übernahme von Vodafone Italia mit 2,6 deutlich tiefer. Für die risikoscheuen Schweizer Anleger macht das Sunrise unattraktiver. Der CEO Krause verweist auf die angestrebte progressive Dividendenpolitik, zudem sei die Dividende in den ersten Jahren steuerfrei. Das könnten die Aktien von Swisscom nicht bieten.

Doch Sunrise will nicht nur zuverlässig Dividenden ausschütten, wie es die Swisscom tut, sondern auch wachsen. Das ist ein ambitioniertes Vorhaben, schliesslich stagnieren die Umsätze im Telekom-Markt seit Jahren. Der von Sunrise hat sich von 2022 auf 2023 um 0,2 Prozent verringert und liegt bei 3,03 Milliarden Franken.

Kein Interesse an einem Preiskampf

Als Wettbewerber aggressiver aufzutreten, wie es etwa Salt tut, liegt der Führung von Sunrise fern. Der CEO Krause lässt durchblicken, dass er nicht vorhabe, den Preiskampf weiter anzuheizen. Man wolle sich im Wettbewerb mit der Swisscom weiterhin im Premium-Segment positionieren und auf Servicequalität fokussieren.

Die Marktanteile in der Telekom-Branche dürften sich daher auch mit einer eigenständigen Sunrise wenig verändern. Die Swisscom kommt im Mobilfunk auf 57 Prozent, beim Breitbandinternet hat der Branchenprimus gut 50 Prozent Marktanteil. Sunrise liegt in beiden Kategorien mit mehr als 20 Prozentpunkten Rückstand auf dem zweiten Platz.

Einen Vorteil hat Sunrise allerdings: Während die Swisscom in den kommenden Jahren mit der Zusammenführung ihres Italien-Geschäfts beschäftigt sein wird, geht die Nummer zwei den gegenteiligen Weg und legt den Fokus vollständig auf die Schweiz. Die Integration der UPC ist nahezu vollständig abgeschlossen, das Unternehmen hat sich auch durch einen Abbau von Stellen verschlankt. Man sei agiler und fokussierter als die Konkurrenz, so Krause.

Dennoch setzt Sunrise in seiner Strategie nicht darauf, der Swisscom gross Kundenanteile abzuwerben. Stattdessen will man «mehr Kundenbeziehungen aufbauen» – also den bestehenden Kunden mehr verkaufen, etwa Bundle-Angebote mit Smartphones oder Familienpakete. Im Bereich Geschäftskunden sieht Sunrise schon eher Potenzial, den Marktanteil auszubauen – zumal hier Salt als Konkurrentin kaum aktiv ist.

Dafür ist die neue Sunrise sicherlich besser aufgestellt als die alte, wenn auch mit mehr amerikanischem Einfluss. Auch die Aktie ist trotz unschöner Transaktion eine interessante Alternative zum Swisscom-Papier. Doch die Preise bleiben Premium – von daher wird der Unterschied für die Kunden marginal sein. Sie werden auch in Zukunft viel Geld für Internet und Mobilfunk ausgeben. Schweizerischer geht es nicht.

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