Freitag, Oktober 18

In Griechenland grassiert die Steuerhinterziehung. Es waren die Bilder einer luxuriösen Hochzeit, die die Steuerinspektoren auf den Plan riefen.

Von der «Hochzeit des Jahres» war in den griechischen Medien die Rede. Elizabeth Elechi, eine TV-Moderatorin und Teilnehmerin der Reality-Show «Survivor Greece», heiratete im Dezember den Arzt Nektarios Lemonidis.

Die Feier auf einem edlen Anwesen bei Athen liess nichts zu wünschen übrig: vom massgeschneiderten Brautkleid über den prächtigen Blumenschmuck, Ballons und Torten bis zum Auftritt eines bekannten Sängers. Die Braut war von der Visagistin von Naomi Campbell geschminkt worden.

Elechi liess ihre grosse Followerschaft – über 820 000 folgen ihr auf Instagram – an den Vorbereitungen und der Zeremonie teilhaben. Auch mit finanziellen Details geizte sie nicht. Der Verlobungsring habe 13 500 Euro gekostet, die Hochzeit werde 50 000 Euro kosten, sagte sie.

Griechenland ist EU-Spitzenreiter bei Steuerhinterziehung

Seit ein paar Tagen macht die Hochzeit aus anderen Gründen Schlagzeilen. Denn die freizügig in den sozialen Netzwerken geteilten Bilder und Videos riefen die Spezialeinheit der Steuerfahndungsbehörde (AADE) auf den Plan. Diese durchkämmt täglich die sozialen Netzwerke nach Hinweisen auf Steuersünder.

Die Steuerfahnder statteten gleichzeitig allen an der Hochzeit Beteiligten einen Überraschungsbesuch ab. Unterstützt wurden sie von einem Team in der AADE-Einsatzzentrale, das in Echtzeit Daten entgegennahm, mit den Steuererklärungen abglich und weitere Anweisungen erteilte. Wie sich herausstellte, hatte fast keiner der Beteiligten seine Einnahmen versteuert.

Sowohl der bekannte Konditor der Hochzeitstorte als auch der Schneider stellten keine Quittungen aus und behaupten, in den vergangenen Jahren nur Verluste erwirtschaftet zu haben und deswegen keine Steuern zu zahlen.

Der Event-Planer war beim Finanzamt nicht einmal gemeldet. Der Juwelier will seit 2017 nur 3000 Euro eingenommen haben, der Sänger behauptet, seine Dienste gratis angeboten zu haben. Und der bekannte DJ, der ständig in Klubs auftritt, verdient angeblich auch nicht mehr als 200 Euro pro Monat.

Griechenland hat die höchste Quote an Steuerhinterziehung in Europa und eine Schattenwirtschaft in Höhe von 21 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Andere Schätzungen gehen von bis zu 30 Prozent aus. Der Durchschnitt in den 27 EU-Staaten liegt bei 17,8 Prozent. 2021 gaben die Griechen 124 Milliarden Euro aus, während ihre deklarierten Einnahmen bei nur 84 Milliarden lagen. In Griechenland sind rund 30 Prozent der Erwerbstätigen selbständig, das potenziert die Möglichkeit zur Steuerhinterziehung.

Laut der Tageszeitung «Kathimerini» deklarieren 71 Prozent der Freiberufler ein Einkommen, das niedriger ist als der Mindestlohn von 910 Euro. Die «Kathimerini» deckte kürzlich auf, dass Taxifahrer im Jahr 2021 ein Durchschnittseinkommen von 310 Euro im Monat angegeben hatten, Friseure eines von 285 Euro, Installateure waren auf 635 Euro gekommen und Zahnärzte auf 675 Euro.

Anfang Jahr ist ein – von den Selbständigen heftig bekämpftes – Gesetz in Kraft getreten: die Mindeststeuer für Selbständige. Sie geht davon aus, dass diese rund 11 000 Euro pro Jahr verdienen, und besteuert sie entsprechend. Zudem müssen die Besteuerten Belege für Waren und Dienstleistungen in Höhe von mindestens 30 Prozent ihres Einkommens vorlegen.

Bürger sollen Steuerhinterzieher melden

Künftig soll künstliche Intelligenz verstärkt zum Einsatz kommen, um Risikoprofile zu erstellen und ungewöhnliche Transaktionen zu erkennen. Um der Steuerhinterziehung vor allem bei der Mehrwertsteuer beizukommen, hat die Regierung bereits vor eineinhalb Jahren die App «appodixi» – ein Wortspiel aus App und Quittung – lanciert.

Bürger können hier Kaufbelege, die sie erhalten haben, hochladen. Auf dem von der Registrierkasse automatisch generierten QR-Code jeder Quittung sind alle Daten der Transaktion wie Uhrzeit, Betrag und die Steuernummer der Firma hinterlegt. Die Registrierkassen jedes Unternehmens sind mit dem digitalen Steuerportal des Finanzministeriums AADE verbunden.

Mit der App können die Kunden nun in Echtzeit überprüfen, ob der Betrag auch in voller Höhe dem Finanzministerium übermittelt wurde. Denn wenn eine Firma Steuern hinterzieht, hat sie oft zwei Registrierkassen, wobei jene, die den Kunden die Belege ausgibt, nicht mit dem Steuerportal verbunden ist. Wenn die Kunden misstrauisch sind, können sie die fraglichen Belege sofort ans Steueramt weiterleiten.

Die Regierung will die Bürger auf diese Weise in den Kampf gegen Steuerhinterziehung einbinden. Kritiker sprechen dagegen von Denunziantentum. Die Regierung verspricht jenen, die Informationen an den Fiskus weiterleiten, Belohnungen zwischen 100 und 3000 Euro steuerfrei aufs Bankkonto. Mittlerweile haben 250 000 Personen die App heruntergeladen. Rund 159 000 Beschwerden wurden eingereicht, 6000 davon auf einer weiteren Plattform namens «Bürgerbeschwerden».

Die AADE verweist auf erste Erfolge. So nahm die Behörde nach einem entsprechenden Hinweis einen Nachtklub unter die Lupe, der für das Jahr 2022 Einnahmen in Höhe von 2,7 Millionen Euro verheimlicht und auch eine Viertelmillion Euro Mehrwertsteuerzahlung vermieden hatte.

Elizabeth Elechi ficht das wenig an. In den sozialen Netzwerken postet sie weiter fleissig Bilder von ihrer luxuriösen Hochzeitsreise nach Bali. Es dürfte allerdings sicher sein, dass die Steuerfahnder nun sehr genau prüfen werden, ob ihr deklariertes Einkommen mit den geschätzten Lebenshaltungskosten in Einklang steht.

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