Samstag, April 19

Der Fall eines eritreischen Flüchtlings, der trotz Landesverweis in die Schweiz zurückkehrte und Sozialhilfe bezog, hat ein politisches Nachspiel.

Personen mit gültigem Landesverweis, die freiwillig ausgereist sind, sollen nach einer Rückkehr in die Schweiz keine Sozialhilfe mehr beanspruchen können. Dies verlangt eine Motion aus den Reihen der SVP, die demnächst eingereicht werden soll. Auslöser für den Vorstoss ist ein aktueller Fall aus der Gemeinde Kirchberg im Kanton St. Gallen, den die NZZ vor einer Woche publik gemacht hat.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Selbst für Asyl-Experten war der Fall nicht ohne weiteres nachvollziehbar: Ein Flüchtling aus Eritrea kommt als Minderjähriger in die Schweiz. Er lebt über ein Jahrzehnt in der Ostschweiz, lernt Deutsch und erhält einen Asylstatus. Dann wird er straffällig, er muss für einige Monate hinter Gitter. Weil es sich um eine sogenannte Katalogtat handelt, kommt automatisch ein Landesverweis von fünf Jahren dazu.

Der Landesverweis hat jedoch kaum mehr als symbolische Wirkung. Ausschaffungen nach Eritrea sind praktisch unmöglich, und niemand kehrt in dieses Land zurück. Es ist also absehbar, dass der Eritreer trotz Landesverweis in der Schweiz bleibt. Durch die Verurteilung hat er zwar seinen Asylstatus verloren. Er gilt aber weiterhin als Flüchtling, solange er keine Gefahr für die innere Sicherheit darstellt. Und damit hat er auch Anspruch auf Sozialhilfe – so schreibt es das Ausländer- und Integrationsgesetz vor.

«Unhaltbare Situation»

Doch dann passiert etwas Unerwartetes: Der Flüchtling reist freiwillig aus. Er landet in Luxemburg, wo er Asyl beantragt. Weil er aber bereits in der Schweiz ein Gesuch gestellt hat, greift das Dublin-Abkommen. Luxemburg verweigert ihm deshalb nicht nur Asyl, sondern schickt einen Rückübernahme-Antrag an die Schweiz. Die Behörden in Bern kommen nicht darum herum, den Flüchtling wieder einreisen zu lassen.

Nach nur vier Monaten kehrt der Eritreer in die Schweiz zurück, meldet sich in Kirchberg an und stellt erneut einen Antrag auf Sozialhilfe. Die Gemeinde reagiert irritiert und erkundigt sich beim Kanton, ob der Mann überhaupt anspruchsberechtigt sei. Die Antwort: Dem Eritreer werde «die Flüchtlingseigenschaft nicht entzogen, weshalb das Migrationsamt keine Massnahme ergreifen wird und er weiterhin Anspruch auf Sozialhilfe (. . .) hat».

Diese Situation ist aus Sicht des SVP-Nationalrats Michael Götte in mehrfacher Hinsicht unhaltbar. Er hat deshalb eine Motion verfasst, die diese Praxis verunmöglichen oder zumindest erschweren soll. «Solche Fälle untergraben das Vertrauen in das Asylsystem und die Glaubwürdigkeit des Sozialstaats. Die Schweiz wird dadurch zur Anlaufstelle für wirtschaftlich motivierte Migration unter dem Deckmantel des Flüchtlingsschutzes», schreibt Götte im Vorstoss, der der NZZ vorliegt.

Anspruch auf Sozialhilfe soll verfallen

Mit diesem System würden kriminelle ausreisepflichtige Flüchtlinge gleich behandelt wie Menschen, die nach jahrzehntelanger Erwerbsarbeit unverschuldet in die Sozialhilfe geraten seien. «Das ist für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar.» Gemeinden und Kantone seien machtlos und müssten ohne jeden Handlungsspielraum teure Sozialleistungen finanzieren, schreibt Götte, der selbst Gemeindepräsident von Tübach im Kanton St. Gallen ist.

Für ihn ist klar: Der Anspruch auf Sozialhilfe muss verfallen, sobald ein Betroffener mit gültigem Landesverweis freiwillig ausreist und später wieder einreist. Diese Gesetzeslücke müsse geschlossen «beziehungsweise so unattraktiv wie möglich gemacht werden». Bleibt die Lücke bestehen, «wird die Schweiz weiterhin ein Eldorado für wirtschaftlich motivierte Rückkehrmigranten sein».

Die Motion liege bis jetzt nur im Entwurf vor, sagt Götte auf Anfrage der NZZ. Er will die definitive Fassung nach den Osterferien der Fraktion präsentieren, in der Sommersession soll sie im Parlament eingereicht werden. Die Asyldebatte hat bereits die Frühjahrssession geprägt. Unter anderem stimmte der Nationalrat der SVP-Forderung zu, verurteilte Asylsuchende und Flüchtlinge konsequent vom Asylverfahren auszuschliessen und bereits erteilte Aufenthaltsbewilligungen zu entziehen. Der Vorstoss war unter anderem eine Reaktion auf eine Prügelattacke eines Afghanen auf einen Rentner Anfang Februar im Appenzellerland.

Exit mobile version