Die Schweizer Uhrenindustrie hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Das zeigen auch die Zahlen der Swatch Group. Nick Hayek gibt Fehler zu und erklärt, warum sein Unternehmen keine Kurzarbeit eingeführt hat.
Als der CEO einer mittelgrossen Schweizer Uhrenmarke jüngst gefragt wurde, wie er das Uhrenjahr 2024 auf einer Skala von 1 (katastrophal) bis 10 (exzellent) einstufen würde, war seine Antwort: Drei. Er lieferte dazu zwar keine Zahlen, aber die Aussage war klar: Es war kein gutes Jahr.
Auch die Swatch Group hat kein gutes Jahr hinter sich. Der Umsatz fiel um 12 Prozent auf 6,7 Milliarden Franken, wie das Unternehmen am Donnerstag bekanntgegeben hat. Damit lag er so tief wie letztmals im Jahr 2011.
Noch ausgeprägter war der Gewinnrückgang. Weil die Swatch Group ihre Kosten trotz den tieferen Einnahmen kaum senkte, brach der Gewinn um 75 Prozent ein. Statt 890 Millionen betrug das Konzernergebnis noch 219 Millionen Franken. Die Zahlen waren schlechter als von Analysten erwartet. Entsprechend kam die Aktie am Donnerstagmorgen unter Druck und sank um mehr als 6 Prozent. Am Nachmittag war sie jedoch wieder im Plus.
Nick Hayek, der Chef der Swatch Group, versuchte gar nicht erst, die Lage schönzureden. Auf Anfrage sagte er ganz offen: «Das einzig Gute an 2024 ist, dass es so schlecht war, dass wir für das nächste Geschäftsjahr eine Vergleichsbasis haben, die wir problemlos übertreffen können.»
China bremst die Swatch Group
Die Swatch Group leidet wie die gesamte Schweizer Uhrenindustrie unter der Konsumflaute in China. Die dortigen Konsumenten haben angesichts der Immobilienkrise derzeit andere Prioritäten, als Uhren oder andere Luxusgüter zu kaufen.
Die Swatch Group ist allerdings stärker betroffen als andere Firmen, weil ihr Umsatzanteil in China vergleichsweise gross ist. 2023 hatte der Anteil von China (inklusive Hongkong und Macau) am Gesamtumsatz 33 Prozent betragen, 2024 waren es noch 27 Prozent. In der Branche liegt die China-Abhängigkeit hingegen nur bei etwa 15 Prozent. Würde man den chinesischen Markt ausklammern, wäre der Umsatz gewachsen, sagt Hayek.
Einer der Wachstumstreiber sind derzeit die USA. Laut Hayek hat dieser Markt, der bei der Swatch Group etwas mehr als 15 Prozent ausmacht, das ganze Jahr über zugelegt – und zwar nicht wegen Touristen, sondern dank der lokalen Kundschaft. Besonders stark sei der Dezember gewesen: Tissot verzeichnete in diesem Monat ein Umsatzplus von 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, Omega legte um 10 Prozent zu.
Versäumnisse bei der High-End-Marke Breguet
Vom US-Boom hätte die Swatch Group noch mehr profitieren können, wenn sie in Amerika mit all ihren Marken gut aufgestellt gewesen wäre. Bei den beiden High-End-Marken Breguet und Blancpain war dies jedoch nicht der Fall. Der Grund seien eigene Versäumnisse, sagt Hayek. Die beiden Marken verfügten nur über je zwei Boutiquen im Land, das sei viel zu wenig. Zum Vergleich: Die Marke Omega besitzt 28 Boutiquen in den USA.
Hayek gesteht ein, dass die Swatch Group im Prestige-Segment hinterherhinkt. Die Marke Breguet sei ein Bijou, habe jedoch stark an Bedeutung verloren, was teilweise auf eigene Fehler zurückzuführen sei. Für 2025 sei ein umfassendes Jubiläumsprogramm geplant, denn die 1775 gegründete Marke feiert ihr 250-jähriges Bestehen.
Die Swatch Group verfolgt die Strategie, selbst in Krisenzeiten keine Mitarbeiter zu entlassen. Dies erklärt unter anderem, warum der Gewinn bei sinkendem Umsatz jeweils überproportional zurückgeht. Auch die Produktionskapazitäten werden oft nur zögerlich zurückgefahren – dieses Mal sei man zu spät gewesen, gibt Hayek zu.
Auffällig ist, dass die Swatch Group anders als andere Uhrenhersteller nicht einmal Kurzarbeit eingeführt hat, um die Kosten zu senken – obwohl die Mitarbeiter laut seiner eigenen Aussage nicht voll ausgelastet sind.
Selbstverschuldete Überkapazitäten
Kurzarbeit sei dann gerechtfertigt, wenn man durch äussere Umstände unverschuldet in Schwierigkeiten gerate, etwa bei einem unerwarteten Konjunktureinbruch oder während der Corona-Pandemie, als die Geschäfte weltweit schliessen mussten. «Aber ein Teil der aktuellen Situation ist klar unsere eigene Verantwortung. Darum wollen wir nicht auf Kurzarbeit zurückgreifen, sondern nehmen das auf unsere eigene Kappe», sagt Hayek. Da müsse man halt auch tiefere Margen und weniger Gewinn in Kauf nehmen.
Zudem sende Kurzarbeit ein falsches Signal. Es gehe ja nicht darum, abzuwarten, bis die Umstände wieder besser würden. «Ausserhalb von China gibt es genug Wachstumspotenzial, das wir jetzt nutzen müssen», sagt Hayek. «Wir hätten sicher 7 bis 8 Prozent mehr Umsatz machen können, wenn wir in bestimmten Bereichen schneller reagiert hätten.»
Für 2025 erwartet die Swatch Group substanzielle Verbesserungen beim Umsatz, beim operativen Resultat und beim Cashflow. Angesichts der schwachen Vergleichszahlen ist das nicht sehr schwierig, wie Hayek selber sagt. Aber optimistisch stimmen ihn auch die positiven Entwicklungen der letzten Monate.
Rückläufige Uhrenexporte
Eine Trendwende, wie sie die Swatch Group erwartet, lässt sich in den Exportzahlen der Schweizer Uhrenindustrie allerdings noch nicht ablesen. Im Dezember lagen die Exporte mit einem Minus von 5,4 Prozent erneut deutlich unter dem Vorjahr, wie die neusten Exportzahlen der Fédération Horlogère (FH) zeigen, die ebenfalls am Donnerstag veröffentlicht wurden. Im Gesamtjahr 2024 wurden für insgesamt 26 Milliarden Franken Uhren und Uhrwerke exportiert, 2,8 Prozent weniger als im Vorjahr.
Der steigende Durchschnittspreis hat dabei verhindert, dass die Zahlen noch schlechter ausgefallen sind. In Stückzahlen gemessen, betrug der Rückgang 9,4 Prozent.
Auch die Exportzahlen belegen, dass das Problem in China liegt. So wurden im vergangenen Jahr wertmässig 26 Prozent weniger Uhren nach Festlandchina exportiert; die Exporte nach Hongkong nahmen um 19 Prozent ab. China und Hongkong sind immerhin die zweit- und die viertwichtigste Exportdestination für Schweizer Uhren.
Uhrenhersteller setzen grosse Hoffnungen auf die USA
In den anderen grossen Absatzmärkten sieht es nicht übermässig schlecht aus. Deutschland (–3,8%) ist abgesehen von China/Hongkong der schwächste der Top-10-Märkte. Sehr gut läuft es in Japan, wobei dort neben den Einheimischen auch vermehrt Touristen einkaufen, die vom schwachen Yen profitieren wollen. Und eben: Amerika. Das Land konnte bei den Uhrenexporten im vergangenen Jahr um 5 Prozent zulegen und ist als Absatzmarkt mittlerweile doppelt so gross wie China. Auf Amerika ruht denn auch derzeit die grosse Hoffnung der Schweizer Uhrenindustrie.