Ein New Yorker Fondsmanager kandidiert als unabhängiger Vertreter der Inhaberaktionäre für den Verwaltungsrat des Uhrenkonzerns. Die Familie Hayek lehnt den Antrag ab. Doch eine externe Stimme wäre im Gremium dringend nötig.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Am 21. Mai hält Swatch Group ihre Generalversammlung ab. Die Einladung an die Aktionäre des Uhrenkonzerns wurde heute Dienstag publiziert. Dabei fallen primär zwei Themen auf: Erstens verzichtet Swatch Group auf eine physische GV und hält den Anlass virtuell ab. Offenbar ziehen es Verwaltungsratspräsidentin Nayla Hayek und CEO Nick Hayek vor, ihren Aktionären aus dem Weg zu gehen.
Zweitens hat sich ein New Yorker Fondsmanager namens Steven Wood als Kandidat für die Zuwahl in den VR vorgeschlagen. In seiner Kandidatur schreibt Wood, er wolle als unabhängiger Vertreter der Inhaberaktionäre gewählt werden. Er glaube, dass er eine neue Perspektive und Stimme in das Gremium bringen könne.
Der Verwaltungsrat lehnt die Kandidatur von Wood ab. Er sei Staatsbürger der USA, verfüge über keinen Bezug zur Schweiz und zur schweizerischen Industrie, und er sei dem VR nicht persönlich bekannt. Zudem sitze mit Jean-Pierre Roth bereits ein offizieller Vertreter der Inhaberaktionäre im Aufsichtsgremium.
Was ist davon zu halten?
Verwaltungsrat nimmt seine Funktion nicht wahr
Zunächst zum Argument Jean-Pierre Roth: Der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank ist zweifellos eine hochverdiente Persönlichkeit von grossem Format. Aber Roth sitzt seit mittlerweile 15 Jahren im VR von Swatch Group. Während dieser Zeit hat Swatch Group den Anschluss an die Spitze der globalen Luxusgüterindustrie verloren und insgesamt betrachtet in horrendem Ausmass Aktionärswert zerstört.
Roth, der in zwei Wochen 79 Jahre alt wird, hat sich aus altersbedingten Gründen bereits aus den Aufsichtsgremien von Nestlé und Swiss Re zurückgezogen.
Die beiden anderen VR-Mitglieder, die nicht direkt in Verbindung mit dem Aktionärspool der Familien Hayek und Ammann stehen, namentlich Ernst Tanner (Jahrgang 1946) und Claude Nicollier (1944), sitzen bereits seit dreissig (Tanner) bzw. zwanzig (Nicollier) Jahren im Aufsichtsgremium.
Nach einer derart langen Zeit kann man nicht mehr als unabhängig betrachtet werden.
Unabhängige Vertretung im VR wäre nötig
Über das Missmanagement an der Spitze von Swatch Group habe ich in den vergangenen Monaten und Jahren diverse Male geschrieben. Angesichts der Tatsache, dass die Familie Hayek nur gut 25% des Kapitals an Swatch Group kontrolliert, wäre es aus meiner Sicht dringend notwendig und aus Gründen guter Corporate Governance mehr als angebracht, dass mindestens eine – besser zwei – wirklich unabhängige Personen im VR Einsitz nehmen, um die Interessen der Inhaberaktionäre wahrzunehmen.
Kann diese Person Wood sein? Durchaus. Steven Duncan Wood, Jahrgang 1982, ist Gründer der in New York domizilierten Investmentgesellschaft GreenWood Investors. Nach eigenen Angaben spezialisiert sich Wood auf «Deep Value»-Anlagen sowie auf Unternehmen, die sich in Spezialsituationen befinden.
Zu den Positionen im Portfolio von GreenWood zählen der italienische Rüstungskonzern Leonardo, der französische Mischkonzern Bolloré, das in San Diego beheimatete Biotechunternehmen MEI Pharma oder das portugiesische Logistikunternehmen CTT-Correios De Portugal. Steven Wood ist Mitglied des Verwaltungsrats von Leonardo, MEI Pharma und CTT.
Ob und in welchem Umfang GreenWood bereits in Swatch Group investiert ist, ist mir nicht bekannt.
Woods Engagement bei Leonardo wird von Swatch Group übrigens als zusätzliches Argument aufgeführt, weshalb seine Kandidatur abgelehnt wird. Der Verwaltungsrat lehne eine Person, die in einem internationalen Rüstungskonzern engagiert ist, aus Reputationsrisiken strikte ab, steht in der GV-Einladung.
Was man Wood definitiv zugestehen kann: Er versteht die Perspektive des Investors und bringt internationale VR-Erfahrung mit. Macht ihn das zum perfekten Kandidaten? Nein. Doch unabhängig davon, ob Wood die perfekte Person ist, um den VR von Swatch Group zu ergänzen: Meiner Ansicht nach ist seine Kandidatur erfrischend und nötig.
Ist die Familie Hayek für ein Experiment bereit?
Die Inhaberaktionäre von Swatch Group brauchen eine echte Vertretung im Verwaltungsrat, die ihre Interessen wahrnimmt. Ich hätte persönlich nichts dagegen, wenn diese Vertretung einen Schweizer Hintergrund hätte. Das war es übrigens, wofür der grosse, 2021 verstorbene Investor und Fondsmanager Peter J. Lehner immer kämpfte: Kotierte Unternehmen, auch wenn sie von Familien kontrolliert werden, müssen eine unabhängige Vertretung der Minderheitsaktionäre im Verwaltungsrat zulassen.
Deshalb mein Vorschlag: Die Familie Hayek, die sich gerne damit rühmt, ihre Aktionäre bestens zu verstehen, könnte zu einem Experiment zustimmen. Der Familienpool könnte sich an der Generalversammlung vom 21. Mai bei Traktandum 5.8 – Wahl von Steven Wood – der Stimme enthalten. Das wäre aus Gründen guter Corporate Governance ohnehin sauberer. Das bedeutet, es würden nur die Inhaberaktionäre darüber abstimmen, ob sie Wood im VR möchten oder nicht. Und das wiederum gäbe der Familie Hayek ein klares Signal, wo sie in der Gunst der Inhaberaktionäre steht.
Ich würde wetten, dass Wood von der Mehrheit der Inhaberaktionäre gewählt würde. Und deshalb wette ich jetzt schon, dass sich die Familie Hayek niemals auf dieses Experiment einlassen wird.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Mark Dittli