Die VR-Mitglieder der Aktionärsfamilien Hayek und Ammann haben an der Generalversammlung des Uhrenkonzerns von den übrigen Aktionären eine deutliche Abfuhr erhalten.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Nick Hayek teilt gerne aus. Der CEO des Uhrenkonzerns Swatch Group massregelte im Januar die Teilnehmer einer Telefonkonferenz für Analysten und Investoren und warf ihnen vor, sie würden eine nutzlose Arbeit verrichten. Investoren, die mit Swatch Group nicht zufrieden seien, beschied er, sie seien irrelevant und es sei ihnen freigestellt, ihre Titel jederzeit zu verkaufen.
In einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» von Ende März zog Hayek über eine Branchenstudie von Morgan Stanley her und bezeichnete die Arbeit der daran beteiligten Analysten als unseriös – freilich ohne die «katastrophal falschen Annahmen» mit konkreten Zahlen zu berichtigen.
Schwache Performance
Objektiv betrachtet haben die Aktionäre guten Grund, mit der Leistung des Managements unzufrieden zu sein. Über den Zeitraum der vergangenen zehn Jahre haben Investoren mit Swatch Group, ohne Dividenden gerechnet, fast zwei Drittel ihres Einsatzes verloren. Die Konkurrenten Richemont und Kering haben derweil gut 50% zugelegt, der Aktienkurs des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH hat sich in Franken gerechnet fast versechsfacht.
Seit Beginn des laufenden Jahres hat Swatch Group an der Börse bereits knapp 16% verloren, Richemont hat dagegen gut 16% gewonnen.
Doch offenbar kennt Nick Hayek keine unzufriedenen Aktionäre. «Die Familie Hayek als grösste Aktionärin ist überhaupt nicht unzufrieden mit der Swatch Group», sagte er im Interview mit der NZZ. Die Familien Hayek und Ammann bilden zusammen einen Aktionärspool: Sie kontrollieren dank der dualen Struktur mit Namen- und Inhaberaktien 43,3% der Stimmrechte und gut 25% des Kapitals der Swatch Group.
Im Verwaltungsrat ist der Pool mit Präsidentin Nayla Hayek, CEO Nick Hayek sowie mit Daniela Aeschlimann als Repräsentantin der Familie Ammann vertreten. An der Generalversammlung vor knapp einer Woche wurde zudem neu Marc A. Hayek in den VR gewählt, womit der Familienpool nun sogar vier der insgesamt sieben VR-Mitglieder stellt. Als unabhängige Vertreter im Gremium amten Ernst Tanner, der langjährige Konzernchef von Lindt & Sprüngli, der frühere Astronaut Claude Nicollier sowie der frühere Nationalbankpräsident Jean-Pierre Roth.
Wenngleich Hayek gerne betont, die Aktionäre ausserhalb des Familienpools seien «irrelevant», so gab es doch noch einige, die ihre Titel nicht verkauft und sich stattdessen die Mühe gemacht haben, ihre Stimmen an der GV vom 8. Mai abzugeben.
Und ihr Verdikt ist überdeutlich ausgefallen.
Breite Ablehnung gegen Mitglieder des Familienpools
Gemäss dem offiziellen Protokoll der GV der Swatch Group sind zwar alle Anträge des Verwaltungsrats reibungslos angenommen worden. Alle Mitglieder des Gremiums wurden wiedergewählt, mit Zustimmungsraten zwischen 71,4% (Nayla Hayek) und 85,7% (Claude Nicollier).
Das sind passable, jedoch für schweizerische GV-Verhältnisse keinesfalls berauschende Abstimmungsresultate. Auffallend ist dabei, dass alle vier Mitglieder des Pools der Familien Hayek und Ammann mit weniger als 80% der an der GV vertretenen Stimmen gewählt wurden.
Das ist von grosser Bedeutung, da der Familienpool selbst insgesamt 59,67 % aller anwesenden Stimmen auf sich vereinigte. Damit dominierten die Familienaktionäre ohnehin alle Abstimmungen – und es liegt auf der Hand, dass sie für ihre eigene Wiederwahl votiert haben.
Pikant wird es, wenn man das Stimmverhalten der restlichen Aktionäre an der GV – also alle Aktionäre ausserhalb des Familienpools – betrachtet. Auf sie entfielen 40,33 % der anwesenden Stimmen. Rechnet man von den publizierten Abstimmungsresultaten den Anteil des Familienpools heraus, ergibt sich das Verdikt aller Aktionäre ausserhalb der Familien Hayek und Ammann. Und dieses sieht so aus:
Nayla Hayek, die Präsidentin, erhielt nur von 29,1% der an der GV vertretenen Aktionäre ausserhalb des Familienpools ein «Ja» zur Wiederwahl in den VR. 68,7% lehnten ihre Wahl ab. Daniela Aeschlimann wurde von 59,8% aller Nicht-Familienaktionäre abgelehnt, Nick Hayek wurde mit 54,8% abgelehnt. Der Neueintritt in den VR, Marc Hayek, wurde von 58,5% der Nicht-Familienaktionäre abgelehnt.
Diese Abstimmungsresultate sind deutlich schlechter als vor einem Jahr. Damals wurde VR-Präsidentin Nayla Hayek immerhin noch von knapp mehr als 50% der Nicht-Familienaktionäre gewählt.
Auch der Konsultativvorschlag für die variable Vergütung der nicht-exekutiven Mitglieder des Verwaltungsrats wurde von den Aktionären ausserhalb des Familienpools mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
Diese Abstimmungsresultate zeigen die riesige Kluft, die im Aktionariat von Swatch Group zwischen den Familien Hayek und Ammann auf der einen Seite und den «restlichen» Aktionären auf der anderen Seite entstanden ist. Und diese Gruppe, die Nick Hayek als «irrelevant» bezeichnet hat, hält mit fast 75% notabene die Mehrheit des Kapitals.
Hayek sagt, er kenne keine unzufriedenen Aktionäre. Die Familie Hayek sei zufrieden. Vielleicht sollte er sich die Zeit nehmen, um mal mit anderen Aktionären, ausserhalb des Familienpools, zu sprechen. Sie haben ihre Meinung am 8. Mai in aller Deutlichkeit kundgetan.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Mark Dittli