Sonntag, Oktober 20

Ein Startup versprach vollmundig den Bau einer grossen Batteriefabrik in Ems. Doch bis heute ist von der Anlage keine Spur zu sehen. Experten räumen der Technologie dennoch Chancen ein.

Eines kann man nicht behaupten: dass das Schweizer Batterie-Startup Swiss Clean Battery (SCB) sein Licht unter den Scheffel stelle. «Wir haben den Schlüssel zur Energiewende», heisst es auf der Website. Das Jungunternehmen will in Graubünden eine von einem deutschen Forscher entwickelte neuartige Feststoffbatterie herstellen. Sie werde die Energiewende «nachhaltig und vor allem bezahlbar» machen, ist dort weiter zu lesen.

Das sind grosse Worte. Die Entwicklung von Feststoffbatterien gilt in der Batteriebranche als heiliger Gral. Welche Vorteile sie hätten, zeigte sich diesen Monat. Porsche und BMW mussten wegen der Gefahr von brennenden Lithium-Ionen-Akkus Abertausende Autos zurückrufen. Das würde bei Feststoffakkus kaum passieren. Sie enthalten keine brennbaren Flüssigkeiten. Und sie haben noch weitere Vorteile: kürzere Ladezeiten, höhere Reichweiten, tiefere Kosten.

Doch der Weg zur Feststoffbatterie ist steinig. Der Autoriese Toyota hat sie bereits mehrfach angekündigt, die Lancierung aber ebenso oft verschoben.

Vor allem Ankündigungen

Auch Swiss Clean Battery ist bisher vor allem durch Ankündigungen aufgefallen. Vor etwas mehr als zwei Jahren hiess es in der «Handelszeitung», das Startup wolle im Frühling 2025 mit der Produktion starten – in der ersten Batterie-Gigafactory der Schweiz. In Präsentationen von SCB findet man zwar imposante Projektbilder. Doch in der realen Welt ist von der Batteriefabrik weit und breit nichts zu sehen.

Diese Woche erklärte das Startup in einer Medienmitteilung die Verzögerung. Wagniskapitalgeber seien nicht bereit gewesen, auf einen Schlag gleich mehrere hundert Millionen Franken zu investieren. So viel Geld wäre nötig, um die Fabrik auf die Beine zu stellen.

Der in Ems vorgesehene Produktionsbetrieb musste zudem wegen Vorgaben des Kantons praktisch neu geplant werden, wie der Verwaltungsrat Thomas Lützenrath erklärt. Inzwischen schaue man sich auch zwei Standorte in Deutschland an.

Die stetigen Verzögerungen sind nicht das Einzige, was beim Batterie-Startup Fragen aufwirft. Da sind zum Beispiel die astronomischen Renditeversprechen, die das Unternehmen diese Woche publizierte: Mit seinen Batterieprojekten seien Renditen von 400 Prozent über die Laufzeit möglich. Solche Zahlen finden sich üblicherweise nur in zweifelhaften Börsenbriefen.

Neue Führungsriege

Oder dann ist da der Umbau der Führungsriege: Neuer CEO ist der Deutsche Philipp Hammans. Er war bis Oktober 2023 Chef der Akkufirma Jenabatteries. Im März 2023 ordneten die deutschen Behörden dort eine vorläufige Insolvenzverwaltung an. Zwar sprang ein neuer Investor ein, doch dieser erwies sich rasch als unzuverlässig: Weil er die Löhne nicht wie versprochen zahlte, musste Jenabatteries gemäss Medienberichten im Juli 2023 alle siebzig Mitarbeiter entlassen. Lützenrath verteidigt die Berufung von Hammans: Jenabatteries sei nicht an Managementfehlern gescheitert, sagt er. «Sondern weil wichtige Investoren kein Geld mehr nachschiessen konnten.»

Und noch etwas Weiteres ist auffällig: Swiss Clean Battery und das deutsche Unternehmen High Performance Battery (HPB), von dem die Produktionslizenz stammt, sind in der global vernetzten Batterieszene fast unbekannt, wie eine Umfrage unter mehreren Exponenten aus der Industrie ergibt.

Allerdings zeigt sich noch etwas: Spricht man mit den wenigen Forschern, die mit den Unternehmen Kontakt hatten oder die die verwendete Technologie näher kennen, entsteht ein durchaus positives Bild – dem wenig glaubwürdigen Auftritt des Schweizer Lizenznehmers zum Trotz.

Die Technologie wurde vom deutschen Forscher Günther Hambitzer in jahrzehntelanger Arbeit entwickelt. Laut Ingo Krossing, Professor an der Universität Freiburg in Deutschland, begann Hambitzer mit Schwefeldioxid, einer Substanz, die sehr ungewöhnliche Eigenschaften hat. «Kaum jemand in der Batterieindustrie hat sich intensiv mit diesem Stoff beschäftigt», erklärt Krossing. «Deshalb kennen viele die Technologie auch nicht.»

Eine Batterie mit Vorteilen

Krossing sagt, die neue Batterie habe eine Reihe von Vorteilen. Sie sei extrem langlebig, verliere auch über viele Ladezyklen hinweg nicht an Qualität und funktioniere bei Tiefsttemperaturen sehr gut. Zudem komme sie ohne Kobalt und andere heikle Rohstoffe aus. Bei dem vom Erfinder gegründeten Unternehmen in Deutschland arbeiten inzwischen rund zwanzig Leute. Laut Krossing baut es bereits erste Zellen in kleiner Stückzahl. Krossing betreut zwei Doktorarbeiten, welche die von HPB hergestellten Musterzellen genauer untersuchen.

Als «Wunderbatterie», wie das in Schweizer Medien zu lesen war, will Krossing die Akkus aber nicht bezeichnen. Die Batterie von HPB habe viele Vorteile, sei aber längst nicht für alle Anwendungen ideal. «Für den stationären Einsatz ist der Akku ausgezeichnet geeignet», sagt er. Also wenn es zum Beispiel um Batteriesysteme geht, die in Gebäuden Strom speichern. Oder, in grösserer Form, das Stromnetz stabilisieren. Den von Swiss Clean Battery ins Spiel gebrachte Einsatz als Batterie für Elektroautos dagegen sieht Krossing nicht.

Auch die renommierte Schweizer Forschungsanstalt Empa weiss von der deutschen Erfindung. Gemäss Medienberichten erklärte das Unternehmen 2022 und 2023 gar, die Empa habe die Forschungsergebnisse dahinter validiert und ein Gutachten erstellt, welches die technologische Einzigartigkeit bestätige. Doch beides ist falsch. «Die Empa hat keine Analysen zur Performance der Zelle gemacht», sagt der Empa-Professor Corsin Battaglia. «Es gibt auch keine Forschungsprojekte, die im Zusammenhang mit der Technologie von Swiss Clean Battery laufen.» Die Empa habe einzig im Auftrag der Firma eines ihrer Produkte geröntgt.

Was aber stimmt: Die Empa lud das Unternehmen 2022 ein, an einer Veranstaltung der Forschungsanstalt den Stand ihrer Technologie zu präsentieren. Denn laut Battaglia ist sie nicht aus der Luft gegriffen.

Das Patent «ergibt Sinn»

Der Forscher Günther Hambitzer hat seinen Akku patentieren lassen. Battaglia sagt, das Patent nutze zwar eine ungewöhnliche Chemie für die Batterie. «Es ergibt aber durchaus Sinn, wenn man es durchliest.» Zumindest anhand der verfügbaren Informationen sehe er kein grundlegendes Problem für die Technologie.

Der neue Akku hat noch einen weiteren Vorteil. Er benötigt laut Aussagen von SCB keine völlig neuartigen Herstellungsmethoden, sondern setzt vor allem auf bekannte Prozesse. Der Forscher Battaglia hält das für einen sinnvollen Weg, an dem auch die Empa forsche.

Nur: Der Fall des schwedischen Batterieherstellers Northvolt zeige, «wie schwierig es selbst mit etablierter Technologie ist, Zellen von genügender Qualität für den Massenmarkt herzustellen», sagt Battaglia. Das 2016 gegründete Unternehmen galt als europäischer Hoffnungsträger, um die Dominanz asiatischer Firmen in der Batterieherstellung zu brechen. Doch Northvolt hat die hochkomplexe Massenfertigung von Lithium-Ionen-Batterien bis heute nicht in den Griff bekommen und steht vor dem Zusammenbruch.

Bei Swiss Clean Battery dagegen stehen die Zeichen auf Aufbruch oder gar auf «Durchbruch», wie das Unternehmen in seiner Medienmitteilung schreibt. Es habe einen «Schweizer Investor» an Bord geholt. Dank diesem habe die spanische Santander-Bank eine Bankgarantie in der Höhe von 250 Millionen Franken abgeschlossen.

Doch wer bitte ist der Rettungsengel, der schon bald in den Verwaltungsrat des Jungunternehmens einziehen soll? «Ein bekannter Schweizer Milliardär», entgegnet Lützenrath. Und wie heisst er? Das dürfe erst «in einigen Wochen» kommuniziert werden.

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