Samstag, September 28

Der Stahlhersteller hat die Belegschaft um über 1000 Mitarbeiter verkleinert. Nun muss auch die Konzernleitung abspecken.

Der hochdefizitäre Stahlhersteller Swiss Steel muss Löcher stopfen, wo es nur geht. Im vergangenen Jahr litten unter dem Sparprogramm vor allem die einfachen Beschäftigten in der Produktion und im Vertrieb. Der Konzern reduzierte den Personalbestand gegenüber dem Vorjahr um 10 Prozent beziehungsweise um über 1000 auf 8800 Mitarbeitende.

Üppige Bezahlung trotz mickrigem Konzernergebnis

Doch während viele Produktionsmitarbeiter und Verkaufsleute ihre Stelle verloren, profitierte das Management weiterhin von grosszügigen Konditionen. Für Unmut sorgte, dass sich die Unternehmensleitung selbst im Krisenjahr 2022, als das Konzernergebnis mickrige 9 Millionen Euro betrug, 6,2 Millionen Euro auszahlen liess. Davon flossen 2,6 Millionen Euro allein dem Konzernchef Frank Koch zu.

Im vergangenen Jahr fielen die Zahlungen an das Topmanagement auf 3,6 Millionen Euro. Allerdings verdiente das lediglich vierköpfige Gremium damit noch immer gut – allen voran der CEO, der 1,8 Millionen Euro kassierte. Zugleich verfehlte die Unternehmensleitung 2023 so ziemlich alle Leistungsvorgaben. Der Umsatz brach um 20 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro ein, unter dem Strich schloss die Konzernrechnung mit einem Verlust von fast 300 Millionen Euro.

Weil die Eigenkapitalquote per Ende Jahr nur noch 12 Prozent erreichte, sah sich Swiss Steel zu einer weiteren Kapitalerhöhung gezwungen. Diese brachte dem Unternehmen im April knapp 300 Millionen Euro ein, wobei die neu emittierten Aktien fast ausschliesslich vom bisherigen Grossaktionär Martin Haefner gezeichnet wurden. Der Milliardär, in dessen Alleinbesitz sich der Autoimporteur Amag befindet, kontrolliert damit nun fast zwei Drittel des Kapitals von Swiss Steel, nachdem er zuvor knapp einen Drittel der Anteile hielt.

Keine Spartenleiter im Topmanagement mehr

Neu werden der Geschäftsführung nur noch drei Personen angehören. Der 59-jährige Franzose Patrick Lamarque d’Arrouzat übernimmt ab 1. Juli 2024 in der neu geschaffenen Funktion eines Chief Sales Officer die strategische Verantwortung für sämtliche drei Konzernsparten Edelbaustahl (Engineering Steel), Edelstahl (Stainless Steel) und Werkzeugstahl (Tool Steel). Spartenleiter wird es anders als bisher in der Konzernleitung nicht mehr geben – Lamarque d’Arrouzat stand bis anhin selbst dem Bereich Edelstahl sowie, nachdem der bisherige Chef ausgeschieden war, seit Februar 2023 zusätzlich der Division Werkzeugstahl vor.

Florian Geiger, der bisherige Leiter der Sparte Edelbaustahl, hat sich, wie am Dienstag ebenfalls bekanntwurde, entschlossen, das Unternehmen zu verlassen. Auch zu neuen Ufern bricht Marco Portmann, der bisherige Finanzchef, auf. Auffallend ist, dass die Bekanntgabe zeitgleich mit seinem Ausscheiden erfolgte. Die Nachfolge trat noch am Dienstag Thomas Löhr an, der bis anhin als Finanzverantwortlicher einer deutschen Tochterfirma von Swiss Steel, Deutsche Edelstahlwerke Services, fungiert hat.

Eine Sprecherin des Konzerns dementierte auf Anfrage, dass dem unvermittelten Abgang Portmanns ein Konflikt zugrunde lag. Sie räumte indes ein, dass der Finanzchef wegen der angespannten finanziellen Situation des Unternehmens sowie im Zusammenhang mit der Durchführung der Kapitalerhöhung stark gefordert gewesen sei.

Die beiden Schweizer scheiden aus

Mit Geiger und Portmann verliert die Konzernleitung ihre beiden jüngsten Mitglieder. Geiger zählt 44, Portmann 35 Jahre. Der neue Finanzchef, Löhr, ist 56, Koch 52. Auch geht dem Gremium seine gesamte bisherige Swissness abhanden. Während Portmann und Geiger beide den roten Pass besitzen, wird in der Konzernleitung von Swiss Steel neu kein einziger Schweizer mehr vertreten sein.

Auch wohnt keiner der drei künftigen Geschäftsleitungsmitglieder mit seiner Familie in der Schweiz. Koch hat als sogenannter internationaler Wochenaufenthalter zwar einen Nebenwohnsitz in der Schweiz, kehrt an den Wochenenden aber jeweils zur Familie in Norddeutschland zurück. Auch dies wurde ihm von Kritikern schon vorgeworfen, die den Standpunkt vertreten, der Chef eines Schweizer Grosskonzerns müsse hierzulande oder zumindest im grenznahen Ausland seinen Lebensmittelpunkt haben.

Welche Akzente setzt der designierte neue Präsident?

Was die Entlohnung des Managements betrifft, bietet sich dem dafür zuständigen Ausschuss des Verwaltungsrats in neuer Zusammensetzung die Chance, für mehr Bescheidenheit zu sorgen. Dem Gremium gehören neben den bisherigen Verwaltungsräten Jens Alder und Michael Schwarzkopf die erstmals gewählten Mitglieder Alexander Gut und Martin Lindqvist an.

Wie bisher kommuniziert, soll Lindqvist weiterhin spätestens per 8. Oktober 2024 neuer Verwaltungsratspräsident werden und damit Alder ersetzen. Anders als Alder, der bis zum Eintritt in das Aufsichtsgremium von Swiss Steel 2021 keine Erfahrung in der verarbeitenden Industrie, geschweige denn im Stahlsektor, vorweisen konnte, ist Lindqvist ein Brancheninsider. Weil er bis anhin der Führung des schwedischen Mitbewerbers SSAB vorgestanden hatte, konnte er wegen Konkurrenzklauseln indes nicht direkt nach seiner Wahl an der Generalversammlung Ende Mai das Präsidium von Swiss Steel übernehmen.

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