Dienstag, April 1

Syriens islamistischer Machthaber hat eine Frau zur Ministerin ernannt. Auch Vertreter religiöser Minderheiten erhalten Kabinettsposten. Ob dem Land eine demokratische Zukunft bevorsteht, ist jedoch fraglich.

Syrien hat eine neue Regierung – und Ahmed al-Sharaa, der im Dezember mit seiner Rebellenmiliz den Langzeit-Diktator Bashar al-Asad gestürzt hatte, ist seit Samstag nicht mehr übergangsweise im Amt, sondern offizieller Präsident Syriens. Der neue starke Mann des Landes hat ausserdem 23 Minister ernannt, die den Neuanfang in dem vom jahrelangen Bürgerkrieg gezeichneten Land gestalten sollen.

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Künftig wird auch eine Frau mit dem früheren Kaida-Kämpfer Sharaa am Kabinettstisch sitzen. Hind Kabawat, eine Christin und Friedensaktivistin, übernimmt das Arbeits- und Sozialministerium. Zudem bekleiden auch Kurden, Drusen und Alawiten Kabinettsposten. Diese Ernennungen scheinen einerseits ein Zeichen an westliche Staaten zu sein, die im Hinblick auf die Lockerung von Sanktionen auf den Schutz von Minderheiten pochen. Andererseits ist die Inklusion der syrischen Religions- und Volksgruppen ein Signal an die eigene Bevölkerung, dessen Vertrauen teilweise erschüttert ist.

Erst vor wenigen Wochen massakrierten regierungstreue islamistische Milizionäre in der Küstenregion Syriens Hunderte Menschen während blutigen Kämpfen. Bei den Opfern handelte es sich mehrheitlich um Alawiten – jene Minderheit, der auch der gestürzte Präsident Asad angehört. Die Sicherheitslage in der Region bleibt angespannt, während 90 Prozent der Syrer in Armut leben.

Sharaa festigt seine Macht

Die Beteiligung unterschiedlicher ethnischer und religiöser Gruppen an Syriens neuer Regierung kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sharaa die Schlüsselpositionen in seinem Kabinett mit engen Vertrauten besetzt hat. Das Aussen-, das Verteidigungs- und das Innenministerium werden von Männern geführt, die aus Sharaas islamistischer Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) stammen. Die Armee, der Geheimdienst und die Polizei unterstehen damit Getreuen des Präsidenten.

Vor rund zwei Wochen hatte Sharaa zudem eine Übergangsverfassung unterzeichnet, die dem Präsidenten eine enorme Machtfülle zugesteht. Syriens Staatschef hat demgemäss das Recht, ein Drittel der Parlamentsabgeordneten sowie alle Richter des Verfassungsgerichts zu nominieren.

Diese Übergangsverfassung soll fünf Jahre Bestand haben. Nach Ablauf dieser Frist sollen freie Wahlen abgehalten und eine ständige Verfassung verabschiedet werden. Nicht nur sind fünf Jahre eine enorm lange Zeit, in der Sharaa relativ uneingeschränkt herrschen kann. Es ist zudem fraglich, wie frei allfällige Wahlen ablaufen werden, wenn viele Angehörige der alawitischen Minderheit ihr Vertrauen in den Schutz des Staates vor Massakern und Repression bereits jetzt verloren haben.

Keine Kontrolle über das gesamte Territorium

Noch kontrolliert Syriens neue Regierung weder alle Teile des Landes, noch kann sie überall für Sicherheit sorgen. Vor kurzem haben sich zwar die kurdisch geführten Milizen aus dem Nordosten bereit erklärt, bis zum Ende des Jahres alle ihre militärischen und zivilen Institutionen in den neuen syrischen Staat zu integrieren. Auch mit den Drusen ist Sharaa im Gespräch. Gleichzeitig hat sich der südliche Nachbar Israel zum Beschützer dieser Minderheit erklärt und fliegt regelmässige Luftangriffe in Syrien, gegen die Sharaa machtlos ist.

Das scheint auch der Präsident zu wissen. Nach der Vereidigung der neuen Regierung am Samstag erwähnte Sharaa weder explizit die Sicherheitslage noch die territoriale Integrität Syriens. Vielmehr betonte er, dass sich die Regierung nun vor allem um Alltagsprobleme wie das Gesundheitssystem, die Stromversorgung und neue Investitionen kümmern werde. Zudem setze er sich dafür ein, die nötige Infrastruktur für eine digitale Transformation sowie für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz aufzubauen. Bis sich Syriens neue Regierung ernsthaft mit diesen Themen auseinandersetzen kann, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach noch lange dauern.

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