Donnerstag, Mai 8

Roglic will nach 2023 zum zweiten Mal den Giro d’Italia gewinnen. Primär muss der Slowene aber die bis anhin magere Saisonbilanz seines Teams aufbessern.

Primoz Roglic hat sich bis jetzt rar gemacht in dieser Saison. Nur an zwölf Renntagen sah man den 35-Jährigen bisher, an den Rundfahrten in der Algarve und in Katalonien. Zu Paris–Nizza startete er nicht, ebenso wenig zum Etappenrennen Tirreno–Adriatico, das er einst gewonnen hatte. Darüber hinaus nahm er auch an keinem einzigen Eintagesrennen teil. Weil er alles dem Vorhaben eines Double aus Giro d’Italia und Tour de France untergeordnet hat.

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Anders als sein Landsmann Tadej Pogacar, der vor seinem Double-Erfolg 2024 bereits in der Vorbereitung Sieg an Sieg reihte, konnte Roglic nur bedingt Selbstvertrauen aus seinem Saisonstart schöpfen: In Katalonien bezwang er zwar Juan Ayuso, den mutmasslichen Hauptrivalen am Giro. Doch der Einstieg in die Algarve-Tour ging mit Platz acht im Klassement und keinem einzigen Tag unter den Top drei gründlich schief.

Selbst im Zeitfahren, seiner Spezialdisziplin, kam er nicht über Platz zwölf hinaus. Und auch sein mit grossen Ambitionen gestartetes Team Red Bull-Bora-Hansgrohe blieb bis anhin unter den Erwartungen in diesem Jahr; nur neun Siege resultierten bisher. An den Classiques gelang der Equipe kein einziger Podestplatz – trotz namhaften Zugängen. Schlagzeilen machten eher Harakiri-Manöver wie jenes des Belgiers Jordi Meeus, der beim Rennen Gent–Wevelgem den kurzen Weg über die Bordsteinkante suchte, dabei zahlreiche Konkurrenten zu Fall brachte und nicht einmal mit einer Verwarnung bestraft wurde.

In einer Hinsicht ist nur Miguel Indurain besser als er

Nach aussen zeigt Roglic trotz dieser Misere keinerlei Unruhe. Der frühere Skispringer ist für sein Pokerface und seinen trockenen Humor bekannt, hinter dem er seine Gemütsverfassung gut zu verstecken versteht. Vor dem Giro lieferte er den Medien denn auch bloss eine hübsche Anekdote aus seiner Frühzeit als Velosportler.

Während sein neuer Teamkollege und Landsmann Jan Tratnik von Roglic als superstarkem Amateur schwärmte, der seiner professionellen Trainingsgruppe bereits 2012 munter davonfuhr, gab Roglic lieber seinen damaligen Zweifeln Raum: «Der Start in jenem Jahr war verrückt. Ihr Team sah auf jeden Fall sehr professionell aus, genau so, wie ich sein wollte. Bei einer Trainingsfahrt im Februar, es war noch sehr kalt, wusste ich aber nicht, was ich anziehen sollte. Also nahm ich , was ich greifen konnte. Die anderen hatten nur Socken über den Schuhen. Im Training fiel ich schnell zurück. Ich erinnere mich, sie fuhren 30 Kilometer pro Stunde, und ich dachte: Ich kann das nicht halten. Warum bloss mache ich das? Vielleicht ist das keine so gute Idee?», sagte Roglic im Höhentrainingslager auf dem Teide. Das Radenska-Team von damals firmiert inzwischen als Pogi Team Gusto Ljubljana – weil auch Tadej Pogacar später als Teenager dort anheuerte.

Nun, Roglic hielt damals durch. Dreizehn Jahre später kann er auf insgesamt 91 Siege, darunter einen Giro-Erfolg und gleich vier Triumphe an der Vuelta, zurückblicken. Acht Jahre nacheinander glückte ihm stets mindestens ein Gesamtsieg an Etappenrennen der World Tour. In dieser Hinsicht ist nur Miguel Indurain noch besser, er weist eine Serie von neun aufeinanderfolgenden Jahren auf.

Pogacar, 28, liegt in dieser Kategorie zurzeit noch hinter Roglic. Und der Ältere der beiden Slowenen kann auch von sich behaupten, die meisten Führungs-Trikots bei World-Tour-Rennen in diesem Jahrhundert eingesammelt zu haben, 140 nämlich. Da halten selbst Seriensieger wie Chris Froome oder Pogacar nicht mit.

Die Kontinuität auf hohem Niveau spricht also für Roglic. Und so gibt es denn auch wenig Anlass zur Behauptung, der 35-Jährige habe den Zenit seines Leistungsvermögens bereits überschritten. «Vom Performance-Team hören wir, dass seine Werte immer noch besser werden. Wir sind also nicht auf dem Gipfel angelangt, von wo aus es nur noch bergab gehen kann», sagte der Sportdirektor seines Teams, Rolf Aldag.

Roglic selbst sieht sein Karriereende ebenfalls noch nicht nahen. «Höre ich in mich hinein, fühle ich mich wie zwanzig», sagte er. Als Ziel für den Giro gab er aus, mindestens das Leistungsniveau zu erreichen, das er bei seinem letzten Vuelta-Sieg im Jahr 2024 schaffte.

How Primoz Roglic Broke Juan Ayuso in Volta a Catalunya 2025 Stage 7

Mittlerweile beherrscht Roglic auch lange Solofahrten

Damals stellte er auch seine Strategie um: Gewöhnlich entschied er Rundfahrten dank seiner Explosivität durch Sprints am Berg und den damit verbundenen Bonussekunden. Im vergangenen Jahr in Spanien musste er aber einen gewaltigen Rückstand auf den Australier Ben O’Connor wettmachen, was ihn zu einem früheren Angriff zwang.

Wie gut er die langen Solofahrten vor dem Peloton mittlerweile in sein taktisches Repertoire eingebunden hat, stellte er im März bei seinem Parforceritt während der Katalonien-Rundfahrt unter Beweis, dem er den Gesamtsieg verdankte. «Die jungen Fahrer zwingen uns Älteren zur Umstellung. Früher ging es bei den Grand Tours vor allem darum, Energie zu sparen. Jetzt geht es aber schon ab Tag eins und hundert Kilometer vor dem Ziel richtig los», sagte er zur veränderten Ausgangslage bei den Rundfahrten, zu der Roglics Landsmann Pogacar mit seinen vielen Attacken stark beigetragen hat.

Die beste Strategie, um auch in der Ära von Pogacar zum Erfolg zu kommen, erwähnte Roglic im Winter denn auch ironisch: «Du musst dir seinen Wettkampfkalender anschauen und dann zu den Rennen fahren, die er vermeidet.» Genau das macht Roglic nun beim Giro. Dort ist der Vorjahressieger Pogacar nicht gemeldet.

Und die Vuelta, die Roglic zum fünften Mal gewinnen könnte – womit er zum Rekordhalter aufsteigen würde – lässt er heuer aus; dort will hingegen Pogacar starten. Roglic konzentriert sich also auf das, was «Pogi» übriglässt, bevor er sich dann wieder an der Tour de France versucht. Dort als Giro-Sieger zu starten, würde Druck von seinen Schultern nehmen, so lautet Roglics Kalkül.

Vorher muss er zunächst aber gut durch die albanischen Berge kommen, die Schotterabschnitte der «kleinen Strade Bianche» auf der 9. Etappe überstehen und dann in der harten dritten Woche die Rivalen auf den langen Rampen unter anderem am Mortirolo (17. Etappe) und dem Colle delle Finestre (20. Etappe) auf Distanz halten.

An seiner Seite hat er immerhin den früheren Giro-Sieger Jai Hindley und den letztjährigen Gesamtzweiten, Dani Martínez. Sollte Roglic schwächeln, wären das die Optionen zwei und drei des Teams Red Bull-Bora-Hansgrohe, um die einzige Grand Tour, die Pogacar heuer auslässt, zu gewinnen.

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