Vor 500 Jahren forderte eine radikale Glaubensrichtung die junge Reformation heraus. Sie breitete sich vor allem im Zürcher Oberland aus, wo bereits soziale Unrast herrschte.

Ende April 1525 besetzten erzürnte Bauern das Kloster Rüti und das Johanniterhaus in Bubikon. Unmittelbarer Auslöser war der Versuch des Rütner Abts, mit einem Teil des Klosterschatzes ins katholische Rapperswil zu fliehen. Die aufrührerischen Landleute machten sich nicht nur über den Wein her. Sie formulierten umgehend einen Katalog von Forderungen an den Rat in Zürich, die sich weniger gegen die Macht der Kirchen, sondern mehr gegen die städtische Obrigkeit richteten.

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Weniger als ein Jahr vorher hatte bereits ein anderer Klostersturm die Eidgenossenschaft erschüttert. Im Juli 1524 plünderte eine Menschenmenge die Kartause Ittingen bei Frauenfeld, die dabei teilweise niederbrannte. Neben Thurgauern waren zahlreiche Bauern aus den nahen Zürcher Gebieten daran beteiligt.

Das förderte den Eindruck, dass der neue Glaube nur Unruhe und Zank bringe, wie Skeptiker sagten. Die Reformatoren in Zürich um Huldrych Zwingli standen unter Druck. Ihre Position in der Eidgenossenschaft war keineswegs gefestigt. Bern, später der mächtigste Verbündete, vollzog die Reformation erst 1528.

Gleichzeitig regte sich im Innern Widerstand. Eine neue radikale Lehre forderte die Zürcher Reformation heraus. Ihre Vertreter lehnten insbesondere die Taufe der Neugeborenen ab. Für sie ist der Eintritt in die Kirche Ausdruck eines Bekenntnisses und deshalb Erwachsenen vorbehalten.

Repression förderte Ausbreitung

Am 17. Januar 1525 fand im Zürcher Rathaus eine erste Taufdisputation zwischen Zwingli und Konrad Grebel statt. Der im Schloss Grüningen aufgewachsene Grebel war der zweite bekannte Zürcher Täufer neben Felix Manz. Beide waren zuerst enge Mitstreiter des Reformators, ehe sie dessen Ideen weiterspannen.

Zwingli ging als Sieger aus dem Streit hervor, und sofort eskalierte der Konflikt. Der Rat dekretiert, es seien alle noch ungetauften Kinder umgehend zu taufen. Gleichzeitig kam es in Zürich zu den ersten, nun explizit verbotenen Gläubigen- oder Erwachsenentaufen.

Die Täufer, wie sie fortan genannt wurden, wichen zunächst nach Zollikon aus. Die Repression führte dazu, dass sich ihre Lehre erst recht verbreiten konnte. Sie entzogen sich der Verhaftung, indem sie an die Ränder des Kantons flüchteten, insbesondere ins Oberland. Dort fielen ihre Reden und Predigten auf fruchtbaren Boden. Das Grüninger Amt, das ungefähr dem heutigen Bezirk Hinwil entsprach, gehörte erst seit gut hundert Jahren zu Zürich. Die Unzufriedenheit war gross über Abgaben, die an die Stadt oder Adlige und Klöster zu entrichten waren.

Die Reformation war zunächst eine städtische Angelegenheit. 1525 entwickelte sich daraus eine ländliche, bäuerlich geprägte Stossrichtung, auf die der Historiker Peter Niederhäuser in einer eben erschienenen Geschichte des Zürcher Oberlandes und in einem noch unveröffentlichten Buchbeitrag eingeht. Inwieweit die Täufer per se eine sozialrevolutionäre Bewegung war oder die Bauernrevolte ebenfalls religiös getrieben war, ist Gegenstand historischer Debatten.

Zürich aber befand sich in einer schwierigen Situation. Bis anhin war es darum gegangen, die Reformation gegen die altgläubigen Orte abzusichern. Mit der Täufer- und Bauernbewegung tauchte ein dritter Akteur auf. Dieser pflegte anfänglich Kontakte zu den aufrührerischen Bauern im nahen Süddeutschland, ehe deren Aufstand blutig niedergeschlagen wurde.

Die Stadt war militärisch relativ schwach, die oft in fremden Kriegsdiensten tätige Landbevölkerung bewaffnet. Die Unruhen erfassten rasch weite Teile der Zürcher Landschaft und stellten die Herrschaftsverhältnisse infrage. Die städtische Obrigkeit musste einen Bauernkrieg verhindern, agierte geschickt, indem sie Gesprächsbereitschaft zeigte, gewisse Kompromisse in Aussicht stellte, aber gleichzeitig auf Zeit spielte.

Das zeigte sich am Kloster Rüti, das nicht umsonst die Wut der Bauern auf sich zog, hatte es durch Abgaben doch vergleichsweise grossen Reichtum angehäuft. Die Besetzer forderten in ihrer Eingabe an Zürich 1525 neben dem Ende der Leibeigenschaft auch die Abschaffung zahlreicher Steuern und Abgaben sowie generell mehr Freiheiten. Das Klostergut sollte für die Armen verwendet, die städtische Macht eingeschränkt werden.

Das ging dem Rat von Zürich zu weit. Er liess die Gotteshäuser in Rüti und Bubikon selber besetzen und sorgte in der Folge schrittweise dafür, dass die Abgaben neu an die Stadt flossen. Die lokale Bevölkerung ging leer aus.

Oberländer Widerstandsgeist

Von den ursprünglichen Forderungen der Bauern sei wenig übrig geblieben, resümiert Niederhäuser. Unmittelbar änderte die Bauernrebellion an den Verhältnissen wenig. Immerhin musste Zürich nach der Niederlage der reformierten Orte im Zweiten Kappelerkrieg 1531 der Landschaft gewisse Freiheiten und Rechte bestätigen.

Im «Schicksalsjahr 1525», wie Niederhäuser es nennt, hatte das magere Ergebnis der Rebellion zur Folge, dass die Landbevölkerung umso mehr ein offenes Ohr für die radikale Form der Reformation hatte: «Das Täufertum war eine Bewegung, die weit über die Frage der Taufe hinausging.» Zentral war die Ablehnung einer staatlich kontrollierten Kirche.

1527 wurde Felix Manz als einer der ersten in einer Reihe von Täufern hingerichtet, indem man ihn in der Limmat ertränkte. Trotz Verfolgung entdeckten die Hüter der obrigkeitlichen Reformation immer wieder geheime Versammlungen in Privathäusern oder im Wald. Im Oberland überlebten Täufergemeinschaften bis ins 17. Jahrhundert. Ob die Täuferhöhle oberhalb von Bäretswil ihnen tatsächlich als Rückzugsort diente, dafür fehlt laut Peter Niederhäuser allerdings ein hieb- und stichfester Beweis.

Der Täuferbewegung gilt nur ein kleiner Teil des Buches, das den Versuch unternimmt, die Geschichte einer geografisch und politisch nicht eindeutig abgrenzbaren Region zu schreiben. Aber immer unter dem Gesichtspunkt, was das Wesen des Zürcher Oberlandes ausmacht: So prägt etwa die frühe Industrialisierung durch die mechanisierte Textilherstellung im 19. Jahrhundert bis heute die Landschaft. Die bäuerliche Reformation vor 500 Jahren zeigt sich hier bis heute in einer starken Verbreitung von Freikirchen.

Vielleicht gehört dazu eine Tradition des Widerstands, der im hügeligen Gebiet mit Streusiedlungen blühte und Schutz fand. Kurz vor der Reformation trugen seine Bewohner massgeblich dazu bei, dass der Zürcher Bürgermeister Hans Waldmann den Kopf verlor. Jahrhunderte später fegte 1839 der konservative Züriputsch nach einem Marsch aus dem Oberland eine liberale Regierung weg.

Direkte Nachfahren der Täufer gibt es in Zürich keine mehr. Doch die verschiedenen Strömungen haben teilweise ihren Ursprung hier, so die über die ganze Welt verstreuten Gemeinschaften der Mennoniten. 500 Jahre später findet Ende Mai deshalb die mennonitische Weltkonferenz in Zürich statt, mit einem Festgottesdienst im Grossmünster.

Die reformierte Kirche des Kantons Zürich bekannte 2004, dass die Verfolgung ein Verrat am Evangelium gewesen sei und die reformierten Väter in diesem Punkt geirrt hätten. Seither erinnert an der Schipfe eine Gedenktafel an die in der Limmat ertränkten Täufer.

Cornel Doswald, Claudia Fischer-Karrer, Peter Niederhäuser, Wolfgang Wahl: Zwischen Tradition und Innovation. Gesichter des Zürcher Oberlandes. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Bd. 92. Chronos, Zürich 2025.

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