Donnerstag, Oktober 10

«Fredi» heisst das Restaurant des Casinotheaters Winterthur. Schafft es das Küchenteam, unseren Gaumen umfassender zu kitzeln als die Schweizer Comedy unser Zwerchfell?

In der Schweizer Lachbranche kenne ich mich weniger gut aus als in der Kochszene. An diesem Abend aber tafeln wir im Herzen der hiesigen Comedy-Landschaft, im Casinotheater Winterthur, dessen Restaurant mit Bar nach einigen Konzeptwechseln jetzt «Fredi» heisst. Das weckt Erinnerungen an den Zürcher Kabarettisten Fredy Lienhard selig oder an den britischen Komiker Freddie Frinton, den Butler aus «Dinner for One». Oder ist das Lokal eher nach dem trümligen Fredi Hinz benannt, einer der Kultfiguren von Viktor Giacobbo, der das Casinotheater vor 22 Jahren mitgegründet hat und noch heute präsidiert?

Die Parodien von Giacobbo und Mike Müller sind nicht das einzig Lustige, aber etwas vom Lustigsten, was ich in diesem Jahrtausend an helvetischem Humor gesehen habe. Entsprechend gut gelaunt betreten wir das «Fredi», das auf der Website als «Genuss-Hotspot in Winterthur» beworben wird. Das weckt Erwartungen.

Der langgezogene Gastraum erinnert weniger an eine Hotellobby, als es noch vor einigen Jahren der Fall war: Die orangen Polster sind durch dunkelbraune ersetzt worden, die an Pharaonenhüte erinnernden Lampen durch filigrane Leuchten mit Art-déco-Anleihen, die vorher gelblich gefärbten Wände sind nun eisblau gestrichen. Jedenfalls ist die verhaltene Atmosphäre weit entfernt von kunterbuntem Konfettiregen, den manche in einem Comedy-Haus erwarten mögen.

Auch die Speisekarte verzichtet auf Witze und Gags. Denn nicht das Zwerchfell, der Gaumen will hier gekitzelt werden: Eher gluschtig als luschtig soll’s sein. Die Verbindung von beidem gelingt höchstens, wenn gerade ein Bundesrat «Bü-Bü-Bündnerfleisch!» wiehert wie dereinst im Nationalratssaal. Das tut der junge Kellner natürlich nicht, doch lacht er aus unerfindlichen Gründen ständig auf den Stockzähnen. Flink und motiviert auftretend, kennt er sich beim Wein besonders gut aus.

Dass im 18-köpfigen Küchenteam nicht weniger als 5 Lernende ausgebildet werden, ist eine beachtliche Quote. Was auf den Tisch kommt, ist keineswegs billig, aber grossteils solid, wie der Nüsslisalat mit viel Ei (Fr. 17.–) oder ein Kuhfilet an Pfeffer-Whiskey-Sauce (Fr. 55.–), das der Besteller samt Pommes Dauphine und Speckbohnen sehr lobt. Die veganen Mini-Momos (Fr. 16.50) allerdings sind trocken. Das mag ein Qualitätsmerkmal für Humor sein, für tibetische Teigtaschen eher nicht. Das gilt auch für die zu lange gebratenen Spätzli zum Rindsstroganoff (Fr. 50.–), dessen Filetstreifen dafür deutlich zu wenig gegart sind und nochmals in die Küche zurückmüssen.

Und die Ceviche vom Alpenzander (Fr. 25.–)? Die peruanische Zubereitungsart mit einheimischem Zuchtfisch zu kombinieren, ist eine schöne Idee, und Zander eignet sich gut dafür. Rote Zwiebel und Koriander passen, von mir aus auch Gurken. Doch zusätzlich bringt die Küche mit Dutzenden Granny-Smith-Apfel-Stäbchen ihre Handschrift ins Spiel und ersetzt die übliche, leichte Tiger-Milk durch eine Art kräftige Vinaigrette, bis der eigentlich gelungene Zander völlig untergeht.

Kurz: Dieser Fisch-Fruchtsalat erinnert weniger an eine Ceviche als an eine Pointe, die nicht zündet. Humor ist, wenn man’s trotzdem isst. Doch es erstaunt schon etwas, dass das Gericht zumindest online als Empfehlung des wunderbaren Mike Müller deklariert war. Wenige Tage später ist der Hinweis allerdings verschwunden (und der Apfel bei den Zutaten Avocado gewichen).

Vielleicht fahren wir in der Fast-Food-Hochburg Winterthur, deren Ruhm etwa auf Hot Dogs der «Frau Hund» oder Eingeklemmten von «Hasan’s Sandwiches» gründet, besser mit «Fredis Kuh-Burger» (Fr. 28.–)? Tatsächlich kommt er in feiner Brioche und beweist, dass das aromatische Fleisch von weiblichen Rindern, die schon gekalbert haben, zu Recht im Trend liegt. Bloss dem Raucharoma von «Fredis BBQ» würde ich mich ganz gern entziehen, doch ist die Sauce schon beigefügt.

Um beim Eiskaffee (Fr. 14.–) zur Glace am Grund vorzudringen, bohrt man fast so tief im Schlagrahm wie gute Satire unter der Oberfläche der Gesellschaft. Die Crème brûlée (Fr. 15.–) schliesslich will, ähnlich wie die Ceviche, zu viel: Auf der Zuckerkruste, deren Textur von Krokant konkurrenziert wird, tummeln sich Kapuzinerkresse, Andenbeere, Streusel und Passionsfrucht (pur plus als Sorbet). Da liegt der Ratschlag auf der Hand, der für die meisten Deutschschweizer Kinokomödien der letzten Jahre gelten könnte: Eine Konzentration der Mittel, eine fokussierte Grundidee täten dem Projekt gut.

Restaurant Fredi
Casinotheater
Stadthausstrasse 119, 8400 Winterthur
Telefon 052 260 58 88.

Für diese Kolumne wird unangemeldet und anonym getestet und am Ende die Rechnung stets beglichen. Der Fokus liegt auf Lokalen in Zürich und der Region, mit gelegentlichen Abstechern in andere Landesteile.

Die Sammlung der NZZ-Restaurantkritiken der letzten fünf Jahre finden Sie hier.

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