Die Abrams-Kampfpanzer ersetzen ältere Modelle. Doch die Stückzahlen sind noch klein. Das liegt nicht nur daran, dass die USA nur langsam liefern.
Für Taiwans Militärs gab es Bescherung dieses Jahr schon vor Weihnachten. Mitte Dezember wurden nördlich der Hauptstadt Taipeh 38 brandneue Abrams-Panzer aus einem Schiff ausgeladen. Sie sind die ersten von insgesamt 108 modernen amerikanischen Kampfpanzern, welche der damalige Präsident Donald Trump 2019 zum Export nach Taiwan freigegeben hatte. Die restlichen 70 Abrams sollen in den nächsten zwei Jahren eintreffen.
Landstreitkräfte sind die letzte Linie der Verteidigung
In der Ukraine haben Panzer gezeigt, dass sie vom modernen Schlachtfeld nicht wegzudenken sind. Doch statt von weiten Ebenen wie die Ukraine ist die Insel Taiwan geprägt von Bergen, die bis fast auf 4000 Meter Höhe reichen. Die Westküste, die dem chinesischen Festland gegenüberliegt, ist dicht besiedelt und überbaut.
Die staatliche chinesische Zeitung «Global Times» machte sich über die Abrams-Lieferung lustig: Das «stärkste Bodenkampffahrzeug der Welt» sei zu sperrig und zu schwer für den Einsatz auf der Insel. Die Panzer seien einfache Ziele für chinesische Drohnen und Kampfhelikopter, zitierte die Zeitung einen ungenannten Experten.
Sheu Jyh-Shyang widerspricht: «Panzer ergeben für Taiwan Sinn.» Für den Experten am Institute for National Defense and Security Research, einer Denkfabrik, die dem taiwanischen Verteidigungsministerium nahesteht, gehören Panzer zur letzten Linie der Verteidigung: «Sie können an Land gehende Truppen mit viel Feuerkraft unter Beschuss nehmen.» Panzer könnten Brückenköpfe der Invasoren angreifen: «Die chinesischen Truppen sind in dem Moment verletzlich, wo sie noch wenig Material an Land haben und sich nicht eingraben konnten.»
Das Gleiche gelte im Kampf gegen Luftlandetruppen, die schon in den ersten Angriffswellen abgesetzt werden könnten. Eine starke Landarmee sei Teil der taiwanischen Abschreckung, sagt Sheu: «Chinas Strategen müssen sich überlegen, ob sie noch genug Kraft zum Landkampf haben, wenn sie einmal die taiwanische Marine und Luftwaffe überwunden haben.»
Trotz ihrer Grösse können Panzer verteilt und getarnt gut versteckt werden. Ihre Kanonen haben eine Zerstörungskraft, die mit jener von Festungsgeschützen vergleichbar ist. Weil der Standort der meisten Festungen bekannt ist, würden die chinesischen Angreifer diese in einer ersten Welle mit schweren Bomben auszuschalten versuchen.
Die neuen Panzer werden laut Angaben des taiwanischen Verteidigungsministeriums im Norden Taiwans stationiert – dort finden sich die meisten Strände, die für eine amphibische Landung der Chinesen geeignet wären.
Taiwans Panzerstreitkräfte sind veraltet
Insgesamt hat Taiwan gegen tausend Panzer. Diese sind allerdings seit dreissig oder mehr Jahren im Dienst. Letztmals erhielt Taiwan zwischen 1995 und 2001 amerikanische Panzer des Typs M60A3, dessen Technologie in den 1960er Jahren entwickelt wurde.
Die neuen Abrams sind den alten Modellen in Sachen Geschwindigkeit, Feuerkraft und Panzerung deutlich überlegen. Experten wie Sheu weisen darauf hin, dass die 108 Abrams nicht genügen, um die Panzerstreitkräfte schlagkräftig zu machen. Entweder müssten die alten Modelle modernisiert werden, oder es brauche noch mehr neue Panzer. Entsprechende Pläne sind bis jetzt aber nicht bekannt.
Nur wenige Länder stellen moderne Kampfpanzer her. In Europa sind dies Deutschland mit dem Leopard 2, Frankreich mit dem Leclerc und Grossbritannien mit dem Challenger 2. Südkorea hat mit dem K2 einen modernen Kampfpanzer im Angebot, der erfolgreich exportiert wird. Japan baut für seine Selbstverteidigungsstreitkräfte den Type 10.
Nur: Diese Modelle werden für Taiwan kaum verfügbar sein. Zwar gibt es Anzeichen, dass europäische Rüstungsunternehmen diskret den taiwanischen Markt sondieren – das Geschäftspotenzial ist verlockend, da Taiwan stark in seine Verteidigung investiert.
Doch alle Länder wissen, dass China scharf auf Waffenverkäufe an Taiwan reagieren würde. Peking betrachtet die Insel als Teil seines Territoriums und sieht sich im Recht, diese auch per Waffengewalt an sich zu reissen. Wer Waffen an Taiwan liefert, muss mit wirtschaftlichen Retorsionsmassnahmen rechnen.
Taiwan ist bei schweren Waffen von den USA abhängig
Falls es zu europäischen Lieferungen kommt, werden diese wohl eher persönliche Schutzausrüstung, Kommunikations- oder Leitsysteme oder Radaranlagen umfassen. Das Gleiche gilt für Südkorea und Japan. Bei Artillerie, Kampfpanzern, Helikoptern oder Kampfjets hat Taiwan nur einen möglichen Lieferanten: die USA.
Ein Teil der taiwanischen Panzer wurde im Land selbst gebaut. Dabei wurden Chassis, Turm und Feuerleitsysteme verschiedener amerikanischer Panzer miteinander verbunden. Sheu spricht von einem Hybrid-Panzer: «Eigentlich haben wir nur Lego gespielt, wir haben einfach die amerikanischen Teile zusammengesetzt», sagt er scherzend und fügt an: «Um einen modernen Kampfpanzer zu bauen, dafür fehlt Taiwan im Moment die industrielle Basis.»
Die Abhängigkeit von Lieferungen aus Washington ist für Taiwan ein Problem. Die amerikanische Rüstungsindustrie kann nicht schnell genug liefern. Seit dem Grossangriff Russlands auf die Ukraine hat sich dieses Problem noch verschärft. Gegenwärtig sind Waffen im Wert von knapp 20 Milliarden Dollar ausstehend, die Taiwan bestellt und die amerikanische Regierung freigegeben hat.
Einen Vorteil hat es allerdings, dass Taiwans Waffensysteme fast ausschliesslich aus den USA kommen: Sie sind darauf ausgerichtet, im Verbund eingesetzt zu werden, Kommunikations- und Leitsysteme sind integriert. So hat Taiwan bereits Apache-Kampfhelikopter, mobile Artilleriesysteme des Typs Himars sind bestellt.