Donnerstag, Januar 23

In einigen Kantonen dürfen an hohen Feiertagen gar keine oder nur eingeschränkt Veranstaltungen stattfinden. Der Widerstand gegen diese Verbote wächst.

Kurz vor Weihnachten war der Thurgauer Grosse Rat alles andere als besinnlich gestimmt. Vielmehr wurde heftig über das bevorstehende Fest gestritten. Wie in mehreren Kantonen sind auch im Thurgau an den hohen Feiertagen Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Bettag und Weihnachtstag Veranstaltungen verboten. Doch mittlerweile ist die klare Mehrheit von Parlament und Regierung der Meinung, dass dieses Tanzverbot gelockert werden soll.

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Künftig sollen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit weniger als 500 Teilnehmenden erlaubt sein. «Wir schneiden diesen alten Zopf ja nicht gleich ganz ab, wir kämmen ihn einfach, auch, um den christlichen Traditionen doch gerecht werden zu können», erklärte Marc Rüdisüli von der Fraktion Die Mitte / EVP.

Christlicher Hintergrund schwindet

Seinem Fraktionskollegen Christian Stricker gingen diese Lockerungen zu weit, er wollte nicht nachgeben. In der zweiten Lesung am 22. Januar beantragte er, diese Änderung aus der Gesetzesrevision zu streichen. Stattdessen sollten die Gemeinden das Recht erhalten, Veranstaltungen an Weihnachten, Ostern oder Pfingsten zu bewilligen, «wenn sie den hohen Feiertag nicht stören». Unterstützt wurde Stricker in dieser Haltung von der SVP. Das Parlament schmetterte den Antrag schliesslich mit 86 Nein- zu 31 Ja-Stimmen ab.

Die Diskussion im Kanton Thurgau zeigt, dass sich die Schweiz mit den hohen christlichen Feiertagen schwertut. Der religiöse Hintergrund hat angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung verloren.

Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS) ist seit Jahren bei diesem Thema aktiv, oft zusammen mit anderen gesellschafts- und parteipolitischen Kräften. «Die mit Religion begründeten Tanzverbote und anderweitigen Einschränkungen passen nicht mehr in die heutige Zeit», sagt Valentin Abgottspon, der FVS-Co-Präsident. «Streng genommen passten sie schon nicht wirklich ins 20. Jahrhundert. Ins 21. Jahrhundert jedenfalls sicher nicht mehr.» Es sei absurd, dass in einigen Kantonen an sogenannten hohen religiösen Feiertagen zwar eine Prozession stattfinden dürfe, aber ein Junioren-Fussballturnier oder ein Anlass des Beachvolleyball-Vereins nicht.

Doch sind immer wieder Versuche gescheitert, den Unterschied zwischen normalen Ruhetagen und hohen Feiertagen aufzuheben. Oft scheitern die Vorlagen bereits im Parlament. Im Kanton Aargau konnte das Volk vor neun Jahren Stellung beziehen. Im Februar 2016 lehnten die Stimmberechtigten die Volksinitiative «Weg mit dem Tanzverbot» der Piratenpartei ab. Mit 51,8 Prozent Nein-Stimmen fiel die Ablehnung relativ knapp aus. Gegen die Volksinitiative hatten sich Regierung, Parlament, SVP, CVP und die drei Landeskirchen ausgesprochen. Die wenigen Pausen in der 24-Stunden-Gesellschaft dürften nicht abgeschafft werden, argumentierte etwa die reformierte Landeskirche.

Offener zeigte sich zwei Jahre später der katholisch geprägte Kanton Luzern. Hier überwies das Parlament eine Motion, die die Aufhebung der Sperrstunde und damit des Tanzverbots vor hohen Feiertagen verlangte. Geschehen ist bisher nichts. Nun soll das Tanzverbot im Rahmen einer grösseren Gesetzesrevision fallen, mit der auch die Öffnungszeiten der Hofläden liberalisiert werden. Die Vernehmlassung läuft noch bis zum 25. April. Bis jetzt regt sich zumindest öffentlich kein Widerstand gegen die Abschaffung.

Auch der Zürcher Kantonsrat wird sich in einer seiner nächsten Sitzungen mit dem Thema befassen. In Zürich wollen Kantonsrätinnen und Kantonsräte der SP, der GLP und der Alternativen Liste «endlich die Überreste des Tanzverbots abschaffen», wie sie in einer Motion festhalten. Im Kanton Zürich seien die Konfessionslosen die grösste weltanschauliche Gruppe. Kaum jemand kenne beispielsweise den religiösen Hintergrund des Eidgenössischen Bettags und könne nachvollziehen, warum beispielsweise kommerzielle Ausstellungen an diesem Tag verboten seien, schreiben die Motionäre.

Zürich befürchtet mehr Aufwand

Der Regierungsrat lehnt es jedoch ab, die Unterscheidung zwischen Ruhetagen und hohen Feiertagen aufzuheben. In Zürich seien seit dem Jahr 2000 an hohen Feiertagen Sport-, Tanz- und Konzertveranstaltungen sowie Theater- und Filmvorführungen uneingeschränkt erlaubt, sofern sie in geschlossenen Räumen stattfänden. Ein eigentliches Tanzverbot gebe es somit seit 25 Jahren nicht mehr, hält die Regierung fest.

Die Abschaffung des pauschalen Veranstaltungsverbots würde bedeuten, dass die Gemeinden in jedem Einzelfall prüfen müssten, ob eine Veranstaltung den «Ruhecharakter des jeweiligen Tages ernstlich beeinträchtigt oder nicht». Zudem würden zusätzliche Anlässe im Freien wie Fussballspiele am Karfreitag oder ein Open-Air-Konzert am Pfingstsonntag zusätzliches Sicherheitspersonal erfordern. Emotionale Diskussionen wie im Thurgau dürften auch in Zürich garantiert sein.

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