Der Fall nimmt so viele Wendungen wie die Schwarzwald-Strassen, die das Ermittlerduo auf dem Weg zur Wahrheit zu befahren hat.

Wer hat hier den Dachschaden? Der Kriminalhauptkommissar Berg, dem es in den alten Schwarzwaldhof hineinregnet, oder die Insassen einer Anstalt für forensische Psychiatrie? Vielleicht sogar die Leiter der Klinik? In und um Freiburg ist fast ein bisschen die Hölle los, wenn im «Tatort» alte Kalauer und die heutige Wirklichkeit kollidieren.

Ob die wirklich Verrückten innerhalb der Anstaltsmauern sitzen oder draussen, lässt der Fall «Letzter Ausflug Schauinsland» offen. Und das ist gut so. Ein bisschen Gesellschaftskritik, ein bisschen echter Wahnsinn und mittendrin das von biederer Gutmütigkeit durchdrungene Ermittlerduo Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedmann Berg (Hans-Jochen Wagner).

Gefährlich freizügig

Man hat die psychiatrische Gutachterin Lisa Schieblon tot im Kofferraum des eigenen Wagens gefunden. Sie ist erdrosselt worden und könnte ihrem gefährlich freizügigen Lebenswandel aus offener Ehe und wechselnden Sexualkontakten zum Opfer gefallen sein. Ihr Mann, ebenfalls Psychiater, weiss von nichts, weil man ja vereinbart hatte, nicht zu viel voneinander wissen zu müssen.

Rundum gibt es Menschen mit filigranem Ich und nervöser Reizbarkeit, die sich schon wegen ihrer Eigenschaften als Verdächtige ins Spiel bringen. Hansi Pagel, der wegen der Vergewaltigung seiner Frau und einer schweren narzisstischen Persönlichkeitsstörung in der forensischen Klinik sitzt, könnte mit seiner Gutachterin Schieblon so etwas wie eine Affäre gehabt haben. Man war ausserhalb der Anstalt gemeinsam unterwegs. Angeblich aus streng wissenschaftlichen Gründen und um den Patienten auf seine «Alltagstauglichkeit» zu prüfen.

An Hansi Pagel hängen ganze Dramen. Der Mann kocht mit Hingabe in der modernen Anstaltsküche (Hühnerbeine!) und ist selbst leicht erhitzbar. Seine frühere Frau Andrea (schön zerbrechlich: Angelika Richter) führt auf ihrem Hof ein insolventes Leben zwischen Alkohol und Armut. Sie ist froh, den von Rüdiger Klink mit drohend wippender Stirnlocke gespielten Herrn Pagel hinter Gittern zu wissen.

Ihr schlechtgelaunter, durch die Wälder wildernder und seltsame Gruben aushebender Sohn ist auch froh, die minderjährige Tochter ist es nicht. Sie schickt ihrem Vater Fotos von früher in die Anstalt und schreibt ihm Briefe. Ihre Welt ist zerrissen zwischen letzten naiven Wünschen und der wachsenden Übermacht der Wirklichkeit.

Der Freiburger «Tatort» fällt nicht auf seine eigenen Tricks herein. Man hat hier ziemlich viele schief ins Leben gebaute Typen versammelt, aber trotzdem kippt die Sache nicht in Klischees. Pagels Zimmergenosse Milan (Bekim Latifi), der in einem psychotischen Schub seine Mutter getötet hat und überall Drachen sieht, ist in seiner Verlorenheit sympathisch. Als psychedelischen Bonus illustriert die Regie von Stefan Krohmer Milans Visionen mit Riesenwaranen, die über das Anstaltsgelände tappen. Auch Milan ist nicht ganz unverdächtig in diesem Fernsehspiel, das eine menschliche Grundfrage ganz gelassen stellt: Wer ist schon normal?

In «Letzter Ausflug Schauinsland» sind es wahrscheinlich nicht einmal die Hüter der Normalität. Der Klinikchef Dr. Günnewig (Falilou Seck) setzt sich Spritzen und betreibt Medikamentenmissbrauch. Seine Stellvertreterin, Frau Tausendleben (Ulrike Arnold), versucht, die Dinge zusammenzuhalten. Der neue «Tatort» nimmt so viele Wendungen wie die Schwarzwald-Strassen, die das Ermittlerduo auf dem Weg zur Wahrheit zu befahren hat. Wie sagt Frau Tausendleben zum Patienten Milan? «Sie können sicher sein, dass da kein Drache ist!» Und wenn am Ende doch?

«Tatort» aus dem Schwarzwald: «Letzter Ausflug Schauinsland». Montag, 20.05 / 20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.

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