Dienstag, November 26

Für viele Bankdienstleistungen braucht es heute keine Geschäftsstelle mehr. Wie sieht der Schalter der Zukunft aus?

Die meisten Bankkunden in der Schweiz dürften sich nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal am Schalter Geld abgehoben haben – wenn sie es überhaupt je getan haben. Die Menschen zahlen immer häufiger bargeldlos, und wenn man mit der Bank eine Frage klären muss, lässt sich das in vielen Fällen digital oder telefonisch lösen.

Die Folge ist, dass klassische Filialen zunehmend verschwinden. Während Banken in der Schweiz noch im Jahr 1988 nicht weniger als 5555 physische Geschäftsstellen betrieben, waren es im vergangenen Jahr laut der Schweizerischen Nationalbank (SNB) nur noch 2567 – weniger als halb so viele. Oftmals geht es bei Schliessungen um Kosteneffizienz: Der Betrieb von eigenen Filialen ist für die Banken teuer. Sie reduzieren deshalb die Zahl der physischen Standorte und leiten Ressourcen in digitale Plattformen um.

Umwälzungen am Finanzplatz beschleunigen diese Entwicklung. So wird die UBS nach der Integration der Credit Suisse an 85 Standorten Filialen schliessen.

Weniger, dafür bessere Filialen

Bankschalter sind eine bedrohte Spezies, doch ganz verschwinden werden sie vorläufig nicht. Cyrill Kiefer, Leiter Bankenberatung bei Deloitte Schweiz, rechnet damit, dass aufgrund der digitalen Transformation und des veränderten Kundenverhaltens in den nächsten zehn Jahren die Anzahl der Bankschalter zwar weiter zurückgehen wird, sich dann aber bei zirka 2300 einpendeln wird.

Auch die UBS will an 190 Standorten festhalten. «Der physische Kontakt schafft positive Emotionen», begründet dies ein Sprecher auf Anfrage. Der direkte Austausch mit der Bank werde vor allem bei komplexen Beratungen in wichtigen Lebenssituationen wie dem Hauskauf oder der Pensionierung geschätzt.

Das bestätigt auch Philipp Rickert, Leiter Financial Services bei KPMG Schweiz. Er sagt, viele Banken würden derzeit ihre bestehenden Filialen in moderne und offene Begegnungszonen umwandeln. Das Kundenerlebnis werde so verbessert, und die Bindung werde langfristiger.

Ein Beispiel für dieses Vorgehen liefert die Raiffeisen-Gruppe. Diese hat mit 1,9 Millionen Nutzerinnen und Nutzern und 450 000 Log-ins pro Tag eine der meistgenutzten E-Banking-Lösungen der Schweiz.

Dennoch legt die Banken-Gruppe wert auf die Feststellung, dass sie einen hybriden Ansatz verfolge. «Kundinnen und Kunden müssen sich auch in Zukunft nicht zwischen einer App und der persönlichen Beratung entscheiden», sagt Roland Altwegg, Leiter des Departements Produkte und Investment-Services.

Die Raiffeisen hat in den vergangenen Jahren immer mehr Geschäftsstellen zu sogenannten Beratungsbanken umgebaut. «Bei diesem Konzept wird auf eine klassische Schalterhalle mit Kassen für Bargeld verzichtet und stattdessen Raum für die individuelle Beratung oder die unverbindliche Begegnung geschaffen», erklärt Altwegg. Heute arbeiteten bei Raiffeisen über 4700 Mitarbeitende hauptsächlich in der Beratung. Das seien rund 40 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren.

Derzeit würden drei Viertel der 784 Geschäftsstellen nach dem Modell der Beratungsbanken betrieben. Der Entscheid, ob weiterhin ein klassischer Schalter geführt werde oder nicht, liege aber in der Verantwortung der einzelnen Raiffeisenbanken. Inzwischen gibt es auch Geschäftsstellen, die Seite an Seite mit Bäckereien, Cafés oder Pop-up-Stores betrieben werden.

Dass Banken neben digitalen Angeboten weiterhin auch stationäre Schalter betreiben, hält auch Ulrich Hoyer, Partner beim Beratungsunternehmen ZEB, für sinnvoll. «Trotz ausgebauten Möglichkeiten, sich digital zu informieren, wird das persönliche Beratungsgespräch weiterhin gesucht und nachgefragt», sagt er.

Bankfilialen für die Gen Z?

Laut Philipp Rickert, Leiter Financial Services KPMG Schweiz, handelt es sich wenig überraschend eher um die ältere Kundschaft, welche für die Erledigung ihrer Bankgeschäfte eine Filiale aufsucht. Dies liege daran, dass ältere Menschen einen höheren Beratungsbedarf hätten und mehr technische Unterstützung fürs E-Banking benötigten als junge Kunden.

Auch laut dem Deloitte-Partner Kiefer ist diese Personengruppe mit der Digitalisierung oft überfordert und besucht deshalb weiterhin Filialen, obwohl sie gerne auch moderne und mobile Lösungen nutzen möchte. «Hier sehe ich Potenzial für eine ‹Bank 66 plus› mit Filialpräsenz, um Vertrauen in die Bank aufzubauen», führt der Berater aus.

Dafür spricht auch, dass die ältere Generation im Durchschnitt wohlhabender ist als die jüngere und viel Geld auf Sparkonti liegen hat.

Um dieses Bevölkerungssegment anzusprechen, brauche es keine riesigen Geschäftsstellen, sondern eine starke visuelle Präsenz, zum Beispiel durch Schaufenster, sagt Kiefer. Diese Filialen könnten mit wenigen Personen besetzt sein, die den Senioren den Einstieg in das digitale Banking erleichtern und jederzeit Fragen zum digitalen Banking beantworten würden.

Gleichzeitig dürfe auch die junge Generation nicht vergessen werden. Wie der Deloitte-Partner Kiefer sagt, trifft man auch junge Personen der Generation Z in Bankfilialen an. Um einen Bankschalter für sie attraktiv zu machen, müssen Finanzhäuser mehrere Aspekte berücksichtigen. Laut ihm braucht es eine moderne Architektur, die zum Verweilen einlädt, mit zeitgemässen Möbeln und Farben. Weiter bevorzugten die Jungen eine umweltfreundliche Gestaltung mit nachhaltigen Materialien. Auch Energieeffizienz sei wichtig.

Die ab 1997 geborenen Bankkunden würden Filialen vor allem dann nutzen, wenn es um komplexere Bankgeschäfte wie Finanzierungen gehe. «Viele gehen auch in die Geschäftsstelle, weil einfache Vorgänge wie Adressänderungen noch nicht bei allen Banken digital möglich sind.»

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