Sonntag, Oktober 6

Ein abenteuerlicher Parcours mit Requisiten des Superstars lockt dessen Fans – Swifties – in Londons ehrwürdigen Museumstempel und führt sie an Kunst aus der ganzen Welt vorbei.

Es war ganz unkompliziert. Das Victoria and Albert Museum hatte die Idee, Taylor Swifts jüngste Konzerttournee zum Anlass für eine Ausstellung zu nehmen, setzte sich mit ihrem Team in Verbindung, und man einigte sich schnell. Die Künstlerin besitzt ein sorgfältig verwaltetes Archiv: eine wahre Fundgrube für ein Museum. Das Londoner Museum hat sich für ein moosbewachsenes Klavier, ein von einer Schlange umwundenes Mikrofon, einen Regiestuhl, ein Sortiment von Paillettenkleidern, Instrumenten und anderen Dingen entschieden – alles Objekte, mit denen Swift gearbeitet hatte oder aufgetreten war.

Die Objekte sind allerdings nicht in einem Ausstellungsraum vereint wie etwa bei der berühmten David-Bowie-Schau. Stattdessen bauten die Ausstellungsmacher Installationen an dreizehn Stationen in die Galerien mit den Sammlungen des Hauses ein. Herausgekommen ist eine nahtlose Synergie aus Alt und Neu, die zeigt, wie Museen auf phantasievolle Weise Geschichten erzählen können.

Jede Station spiegelt die Bedeutung der ausgestellten Objekte und verstärkt deren Wirkung. Vor den Walhalla-Mosaiken, die allesamt von männlichen Künstlern stammen, werden Swifts Drag-Outfit, ihre falsche Gesichtsbehaarung und der Regiestuhl aus ihrem selbst gedrehten Video zu «The Man» gezeigt.

Swifts Vorliebe für Märchen

Ein Mannequin trägt ein rotes Swift-Kleid aus der Zeit ihrer «Fearless»-Tournee und blickt wie Romeos Julia von einem Balkon auf die berühmten Raffael-Entwürfe für Tapisserien in der Sixtinischen Kapelle hinab. Ein schwarzes Kleid aus dem Musikvideo zu «Fortnight» aus dem letzten Album «The Tortured Poets Department» wurde auf Büchern unter einer Treppe inszeniert, die zur National Art Library führt: Dort befindet sich die umfassendste Sammlung Grossbritanniens von Büchern als Kunst und Büchern über Kunst. Die Inszenierung passt zu Taylor Swifts Vorliebe für Geschichten und Märchen.

Die Swift-Schau mit dem Titel «Songbook Trail» führt kreuz und quer durchs Museum, und zwar an weit voneinander entfernte Stellen. So sind die Besucherinnen – und auch einige Besucher – gezwungen, die Weite und Höhe des V&A – dieser labyrinthischen Schatzkammer – zu vermessen. Und dabei vielleicht den Blick auf das zu werfen, was das Museum sonst alles an Schätzen zu bieten hat.

Swifties und alte Kunst

Damit wird ein junges Publikum in die heiligen Hallen gelockt, das normalerweise die Schwelle des alten Museumskolosses kaum überschreiten würde. In kleinen Gruppen, zum Teil Familien mit Kinderwagen, machen sich die Swifties auf die Suche nach den hell erleuchteten Vitrinen mit den Accessoires des derzeit vielleicht grössten Stars.

Die Wege führen über Mosaikfussböden und kostbar ausgelegte Treppenhäuser, durch Galerien mit Silberwaren, Skulpturen, Miniaturen, viktorianischen Gemälden und Grafiken von Lucian Freud oder auch vorbei an ostasiatischer, mittelalterlicher und Renaissance-Kunst.

Man muss die Augen offenhalten, um das nächste Hinweisschild nicht zu verpassen. Aber das Auslegen von Fährten gehört zu den Taktiken, die Taylor Swift selber verwendet: mit Querverweisen zwischen ihren Songs, Anspielungen auf zukünftige Projekte, auf immer wiederkehrende Vorlieben und Abneigungen.

Damit hat sie, die vom Country- und Pop-Star längst zum Kulturphänomen geworden ist, einen von den Fans geistig begehbaren Kosmos geschaffen. Dieser aber passt ideal in ein Museum, das neben Kunst und Design der Vergangenheit nicht die Augen vor dem Aktuellen verschliesst und vor Jahren schon begriffen hat, dass sich mit Snobismus keine Besucherscharen anziehen lassen.

«Taylor Swift – Songbook Trail», Victoria and Albert Museum, London, bis 8. September.

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