Freitag, Oktober 11


Stilkritik

Stars wie Rihanna und Taylor Swift sah man jüngst mit Uhren als Choker um den Hals. Der Zeitmesser verkommt damit endgültig zum Accessoire.

Wissen Sie, wie viel Uhr es ist? Taylor Swift nicht. Obwohl sie eine Uhr trägt. Allerdings um den Hals und damit auch für die gelenkigsten Menschen ausser Sichtweite. Das Modell der Schweizer Uhrenmarke Concord wurde ihr von der Haute-Joaillerie-Designerin Lorraine Schwartz für die Grammy-Verleihung 2024 auf den Hals geschmiedet. Swift ist nicht die Einzige, die sich mit einem solchen Schmuckstück zeigt.

Rihanna trug bereits im Juni 2023 das Modell «Brilliant Flying Tourbillon» von Jacob & Co. am Hals; die Uhrenmarke aus Genf kreierte das Stück nach einer Idee der Sängerin. Und Schauspielerin Emma Chamberlain trat im Oktober des gleichen Jahres mit einer «Baignoire» von Cartier geschmückt auf.

Würger oder Kropfband?

Hier vereinen sich zwei Trends zu einem. Seit Mode aus den 1990er und 2000er Jahren wieder gerne von jungen Frauen getragen wird, sind auch die eng anliegenden Halsketten zurück. Diese gehörten dort quasi zur Grundausstattung: aus dehnbar verwobenen Plastikfäden für Teenager, mit Diamanten bestückt an die Hälse von Stars wie Paris Hilton oder Gwyneth Paltrow, die eine solche Kette zu den Oscars 1999 trug.

Was den Namen des engen Halsbands angeht, hat man die Wahl zwischen zwei eher unschönen Bezeichnungen: Choker, zu deutsch Würger. Passt zwar zum Tragegefühl, ruft aber keine Freude hervor. Oder Kropfband, ein Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Halskette. Sie etablierte sich im 15. Jahrhundert als Teil der Tracht in der Region Salzburg. Hier herrschte Jodmangel, was zu angeschwollenen Schilddrüsen führte und damit zu einem Kropf. Das um den Hals getragene Band, gerne noch versehen mit Anhängern, Perlen oder Spitzen, diente dazu, diesen zu kaschieren und von ihm abzulenken.

Unter Königin Viktoria im 19. Jahrhundert wurde es dann zum Fashion-Piece. Danach war die Kette eher nur im Trachtenkontext zu sehen. Eine der wenigen Ausnahmen: Romy Schneider trägt in «Das Mädchen und der Kommissar» (1971) immer farblich zu ihrem Kleid passende Schleifen um den Hals.

Dekorativ statt funktional

Uhren trug man aber im historischen Kontext nicht so nutzlos: Zu kostbar waren sie, um ihre Funktion so zu verschwenden. Auch verbargen Frauen sie gerne diskret unter Schmuckdeckeln; man hatte ja keinen Beruf und somit keine Termine. Mittlerweile trägt aber jede und jeder ein Handy bei sich, das die Uhrzeit auf die Sekunde genau anzeigt.

Demnach kommt Uhren eine neue Rolle zu: Sie sind Statussymbol und schmückendes Accessoire, dienen also der reinen Dekoration. Wo man sie dann trägt, ist egal. Und um Taylor Swifts Zeitmanagement muss man sich sowieso keine Sorgen machen: Dafür wird wohl jemand aus ihrem Team zuständig sein.

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