Samstag, Februar 22

Für den bekannten Investor und TV-Juror ist die Innovationsfähigkeit in Europa in desolatem Zustand, und der KI-Wettlauf ist bereits verloren. Kommt kein Regierungswechsel, will er Deutschland verlassen.

Herr Thelen, China hat mit Deepseek die Welt geschockt. Wird das die Hackordnung im Wettlauf um künstliche Intelligenz neu definieren?

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Deepseek ist keine tiefgreifende Disruption. Man hat aber gesehen, dass China durch Sanktionen nicht aufgehalten werden kann. Es ist innovativ, wie Deepseek Modelle erstellt und trainiert. Es sind neue Konzepte dabei, auf die Forscher aus den USA oder Grossbritannien noch nicht gekommen sind. Was hier mit knappen Ressourcen erreicht wurde, ist erstaunlich – auch wenn die Entwicklung des Modells teurer war als behauptet und Fähigkeiten von Chat-GPT übernommen wurden.

Werden dank mehr Effizienz und dem Open-Source-Zugang von Deepseek Startups besonders profitieren?

Für kleinere Tech-Firmen werden die Modelle günstiger. Der Preisrückgang war aber schon vorher im Gang und wird jetzt beschleunigt. Auch Meta treibt mit seinem KI-Modell Llama die Open-Source-Philosophie voran. Je mehr offene Modelle es gibt, desto besser. Das ist eine gute Nachricht für mittelständische Unternehmen, die noch mehr KI einsetzen werden. Die Entwicklung der Rechenleistung bei den Chips sorgt dafür, dass die Kosten um jährlich siebzig Prozent sinken werden.

Was bedeutet Deepseek für die etablierten Tech-Konzerne? Sind ihre Börsenkurse nicht viel zu hoch?

KI-Modelle sind kein langfristiges Alleinstellungsmerkmal. In der Frühphase von Open AI wurde uns angeboten, in Chat-GPT zu investieren. Das haben wir nicht getan. Ich sehe da langfristig keinen grossen Wert. Die Grossen wie Microsoft, Amazon, Alphabet werden weiter massiv davon profitieren, weil sie ihren Kunden neue Anwendungen anbieten. Von ihren grossen KI-Modellen haben sie direkt nichts. Der einzige Anbieter, der ein eigenständiges KI-Modell hat, das sehr wertvoll ist, ist Tesla.

Inwiefern?

Tesla hat eigene Daten über das weltweite Strassennetz und Verhaltensmuster im Verkehr. Zusätzlich besitzt Tesla spezialisierte Software und Rechenzentren, die keine andere Firma hat. Sie hat ein Modell, das über visuelle Signale Autos selbst fahren lässt. Das ist wahrscheinlich eines der wenigen KI-Modelle, welche einen Vorteil behalten werden.

Der KI-Wettlauf findet in den USA und in China statt. Ist Europa abgehängt? Der französische Präsident Emmanuel Macron hat 109 Milliarden Euro an Investitionen angekündigt.

Europa ist mehr als abgehängt, aktuell spielt es überhaupt keine Rolle: Wir haben kein relevantes Modell, kein relevantes Rechenzentrum und keine relevanten Daten. Um eine Rolle zu spielen, braucht Europa enorm viel günstige Energie rund um die Uhr – die im Jahr 2024 ausgelieferten H100-Chips von Nvidia verbrauchen pro Jahr so viel Strom wie ganz Irland. In Deutschland kann also kein Rechenzentrum entstehen. Selbst wenn wir günstigen und stabilen Strom hätten, ist mir kein grosser Investor bekannt, der bereit ist, Hunderte Milliarden in diese Industrie zu investieren.

In der Schweiz haben Startups Mühe, Investoren zu finden, die ihr Wachstum finanzieren. Wie sieht es in Deutschland aus?

Deutschland ist in der schlimmsten Lage. Die Ampelregierung hat nicht funktioniert, wir haben einen inkompetenten Wirtschaftsminister, die Wirtschaft schrumpft seit drei Jahren. Wir schaffen es nicht, deutsche Startups zu halten, sie ziehen weg. Grosse wie das Quantencomputer-Startup IQM sind nach Frankreich, Marvel Fusion ist in die USA gegangen. Es gibt keine bedeutenden Erfolgsgeschichten. Es wird unterschätzt, wie gross die Panik unter den DAX-Chefs oder im Mittelstand ist. Unternehmer sind in Schockstarre, keiner investiert mehr in Deutschland. Konzerne wie SAP oder die Deutsche Telekom sind nur dank dem Auslandsgeschäft erfolgreich. Das US-KI-Unternehmen Palantir wollte nach Deutschland kommen, wurde aber von mangelnder Begeisterung für die Chancen durch KI verschreckt.

Was sollte Deutschland denn tun?

Deutschland steht kurz davor, zu kollabieren, und das ist ein Problem für Europa. Es braucht einen dringenden Wechsel in Politik und Wirtschaft. Die deutsche Automobilindustrie hat den Wechsel zu E-Mobilität komplett verpasst, der Absatz von Volkswagen, Porsche und Audi in China bricht ein. Wenn die deutsche Autoindustrie mit ihren Zulieferern wegbricht, dann wird es richtig schlimm. Ich spreche zwar viel über Startups und Innovation, doch was Deutschland am dringendsten braucht, ist ein Regierungswechsel.

Würde sich die Situation unter einem Kanzler Friedrich Merz gleich zum Positiven wenden?

Ja. Deshalb unterstütze ich ihn auch im Wahlkampf. Ein Bundeskanzler Merz mit einer vernünftigen Koalition ist die einzige Chance, dass Deutschland relevant bleibt. Und selbst unter Merz wird es wirklich schwierig. Ich habe ihn gefragt, was sein Ziel sei. Er antwortete: zwei Prozent Wachstum, und das sei schon richtig anspruchsvoll. Mehr geht auch gar nicht. Kommt es zu einer Linkskoalition, dann heisst das für Deutschland: game over.

Was werden Sie dann tun? Gibt es gar keine Hoffnung?

Ich werde dann Deutschland verlassen und komme vielleicht in die Schweiz. Deutschland ist aktuell ein Land voller Angst, in das die Unternehmen nicht mehr investieren, weil sie nicht wissen, was fiskalisch passieren wird. Wir sind nicht einmal in der Lage, gewisse Grundrechte an unseren Grenzen durchzusetzen.

Angenommen, es kommt zu einem Regierungswechsel, was würde Innovation und Investitionen wieder in Gang bringen?

Das Wichtigste ist Vertrauen. Olaf Scholz oder Robert Habeck haben es komplett verloren. Wenn sie weg wären, hätte dies eine starke Signalwirkung und würde wieder Investitionen auslösen. Sehr wichtig sind auch Steuersenkungen für die Wirtschaft und die Verkleinerung des Staates durch den Abbau von Regulierung und Bürokratie. Was wann wie greift, kann keiner sagen. Aber dann würde ich in Deutschland bleiben. Es braucht die Sichtbarkeit, dass einigermassen fähige Köpfe unser Land leiten.

Braucht Deutschland ein Department of Government Efficiency (Doge) nach US-Vorbild, um die Bürokratie abzubauen?

Auf jeden Fall. Was die Amerikaner alles an wilden Ausgaben finden, grenzt an Satire. Auch wir haben viele verrückte Projekte mit enormem Einsparpotenzial. Das ist auch unfair, denn die Leute zahlen in Deutschland mitunter die höchsten Steuern. Wenn die Menschen weiterhin Milliarden für einen riesigen Staatsapparat und «Wokeness» ausgeben wollen, können sie sich in einer Demokratie dafür entscheiden. Aber als Wirtschaftsexperte sage ich: So geht die Wirtschaft kaputt, und dann gehe ich.

Den Doge-Chef Elon Musk hat keiner gewählt, sein Team geht nicht demokratisch vor.

Das ist eine berechtigte Kritik. Ich finde es auch nicht gut, dass Elon so viel Macht hat. Aber das scheint der einzige Weg zu sein, damit sich etwas bewegt. Musks Chef Donald Trump ist gewählt, und er kann ihn jederzeit feuern. In Deutschland sollten wir das strukturierter machen, mit klarer Aufgabenteilung und Restriktionen. Unnötiges einfach zu streichen, finde ich super.

Sie sind ein Fan von Musk. Er hat sich in die Innenpolitik eingemischt und sich für die AfD ausgesprochen. Sie haben ihm in einem Brief widersprochen. Weshalb?

Ich bin sehr, sehr überzeugt davon, was Elon Musk unternehmerisch aufbaut. Es ist in vielen Bereichen einfach das Beste auf der Welt. Zudem nehme ich ihn als sehr reflektierten, klugen und vernünftigen Menschen wahr. Seine Wahlempfehlung für die AfD hingegen fand ich völlig daneben. Die AfD ist keine gute Partei und wird Deutschland nicht helfen. Deshalb habe ich den Brief geschrieben. Es war mir wichtig, mich von seiner Wahlempfehlung abzugrenzen. Einige Tesla-Mitarbeiter, die das ähnlich sehen wie ich, hatten mich davor bereits nach meiner Meinung dazu gefragt.

Sie sind selbst ein Tesla-Investor. Einige Vorhaben Donald Trumps sind nicht gut für Elektroautos. Was bedeutet das für Tesla?

Ich finde Trump persönlich unsympathisch, aber er ist wirklich «pro USA». Beispielsweise unterstützt er das KI-Projekt Stargate, bei dem unter anderem der Open-AI-Chef Sam Altman federführend ist – und das, obwohl Altman eine Art Feind von Elon Musk ist. Trump hilft auch nicht Tesla, bloss weil Musk ihn unterstützt. Tesla braucht die bisherige Förderung sowieso nicht mehr. Selbst wenn die Subventionen für Elektroautos wegfallen, werden Tesla und BYD mittelfristig die grossen Gewinner sein. Sie sind die einzigen, die profitabel Elektroautos bauen können – im Gegensatz zu deutschen und amerikanischen Autoherstellern.

Sie hatten beim Flugtaxi-Unternehmen Lilium investiert, das in Insolvenz ging. Wie viel Geld haben Sie verloren?

Sicherlich über 100 Millionen Euro, wenn ich auf dem Höhepunkt meine Aktien verkauft hätte.

Gehören solche Verluste bei Startup-Investments einfach dazu?

Es war grausam. In Lilium wurden 1,8 Milliarden Euro investiert, vor allem von professionellen, aber auch von privaten Investoren. Ob das Unternehmen gerettet werden kann, muss man jetzt sehen. Ja, solche Entwicklungen gehören dazu, sonst entsteht keine Innovation. Es braucht vermögende Menschen, die verrückte Ideen prüfen und mit ihrem Kapital unterstützen. Wir bauen mit unserem Freigeist-Portfolio gerade die grösste Satellitenproduktion in Europa, wir sind bei einem sehr guten Krebsmedikament engagiert. Wir bauen hoch skalierbare Energiespeicher für die Energiewende. Das sind wichtige Bausteine, um in Europa in Zukunft überhaupt noch eine Chance zu haben, etwas zu machen.

Seit 2021 legen Sie auch Technologie-Aktienfonds auf. Vorübergehend gab es höhere Verluste. Sind solche Fonds für Kleinanleger geeignet?

Vorab: Das Freigeist-Investment Lilium war nie Teil unserer TEQ-Fonds. Solche hochriskanten Investitionen passen nicht zu unserer Aktienstrategie. In den letzten zwei Jahren haben unsere TEQ-Fonds auch eine sehr starke Performance geliefert und die breiten Indizes hinter sich gelassen. Generell sind sie als Beimischung in einem breit diversifizierten Portfolio gedacht.

Wie steht es grundsätzlich um den Unternehmergeist der Deutschen?

Unternehmer zu sein in Deutschland, ist nicht einfach. Wenn man beispielsweise einige Berichte über den Start meines Fonds liest, dann könnte man denken, dies sei ein grundsätzlich schlechtes Produkt. Ja, wir hatten am Anfang eine schlechte Performance mit unseren Fonds – aber andere Fonds haben noch mehr unter dem veränderten Zinsumfeld gelitten. Und wir haben immer alles transparent gemacht: unsere aktuellen Holdings, unsere Analysen und mein eigenes Investment mit über 10 Millionen Euro. Als Unternehmer muss man viel gegen Unwahrheiten kämpfen.

Sie haben gesagt, Sie würden aus Deutschland wegziehen, wenn es nicht zu einem Regierungswechsel kommen sollte. Würden Sie auch in die Schweiz kommen?

Ich finde die Schweiz hochattraktiv. Liechtenstein mag ich auch sehr gerne. Ich habe noch keine Entscheidung getroffen, wo ich hingehen würde. Noch habe ich Hoffnung.

Wäre das ein richtiger Umzug mit Mitarbeitern oder nur eine Verlegung des juristischen Sitzes?

Es geht auch um Sicherheit. Ich bin ein ganz normaler Bürger und würde mich gerne abends an Bahnhöfen und in unseren Städten sicher fühlen. Daher würde ich auch komplett umziehen – weil die Sicherheit in Deutschland nicht mehr gewährleistet ist. Als ich neulich mit Friedrich Merz in Bonn unterwegs war, wurde sein Auto in Köln von Linksradikalen aufgehalten, und die Polizei musste eingreifen. Die Stimmung in Deutschland ist sehr aufgeladen, die Zahlen zu den Messerstechereien und Vergewaltigungen sind ja bekannt. Wenn jetzt nicht eine Regierung kommt, die wieder Recht und Ordnung einführt, dann war es das hier für mich.

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