Samstag, Februar 22

Künstlich die Sonne zu dimmen, um das Klima abzukühlen, ist sehr heikel. Forschung zum sogenannten solaren Geoengineering stösst deshalb auf grossen Widerstand. Der britische Geograf Duncan McLaren erklärt, wie sich trotzdem ein Weg finden liesse.

Spiegel im All, schweflige Partikel hoch in der Atmosphäre oder manipulierte Wolken sollen die Sonneneinstrahlung verringern, damit die Temperatur auf der Erde sinkt – das ist das sogenannte solare Geoengineering. Die höchst umstrittene Technologie gilt wegen ihrer hohen Risiken allenfalls als Notlösung für den Klimaschutz.

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Der Geograf Duncan McLaren hat sich der künstlichen Beeinflussung des Klimas in zahlreichen Studien gewidmet. Neulich hat der Brite zusammen mit einem Kollegen einen Vorschlag gemacht, um die Erforschung solaren Geoengineerings trotz vielen Bedenken möglich zu machen. Im Gespräch erläutert er, wie man Bewegung in die Diskussion über das heikle Thema bringen könnte.

Zur Person

Tamara Kenyon

Duncan McLaren

Der britische Geograf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute for Responsible Carbon Removal der American University in Washington.

Herr McLaren, unter dem neuen Präsidenten Donald Trump treten die USA aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Das verringert die Chance auf erfolgreichen Klimaschutz. Erwarten Sie darum ein verstärktes Interesse an solarem Geoengineering?

Das Interesse an solarem Geoengineering ist generell in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, und das wird auch so weitergehen. Wissenschafter dürften aber zurückhaltender sein, dieses Thema unter Trump zu verfolgen. Denn sie befürchten, dass dann nicht die Emissionen gesenkt werden, sondern Geoengineering gefördert werden könnte. Aber Trump umgibt sich mit Beratern aus dem Silicon Valley – und die sind von solarem Geoengineering sehr begeistert. Risikokapitalgeber dort sehen das auch als eine Chance.

In der Forschung gilt solares Geoengineering allerdings als heisses Eisen. Warum ist das so?

Wir sollten auf jeden Fall über alle möglichen Wege nachdenken, um die Lebensbedingungen der Menschen vor dem Hintergrund des Klimawandels zu verbessern. Denn dieser ist bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich. Aber viele Forscher machen sich über solares Geoengineering Sorgen, und ich teile diese Bedenken. Denn für manche Länder und manche Unternehmen wirkt es sehr verführerisch, die Temperaturen zu senken, ohne die Emissionen zu reduzieren. Sie werden das als Ausrede benutzen, um weiter fossile Brennstoffe zu fördern und die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu schädigen.

Selbst wenn solares Geoengineering die Klimawirkung von Treibhausgasemissionen perfekt neutralisieren könnte – was die Technologie nicht kann –, hätten wir immer noch acht Millionen Tote pro Jahr wegen der Luftverschmutzung, die entsteht, weil wir fossile Brennstoffe verfeuern. Die Verringerung der Emissionen bringt weitere positive Nebenwirkungen, die solares Geoengineering nicht hat.

Gibt es in den USA nicht schon viele Startups, die Experimente zum solaren Geoengineering planen oder sogar durchführen?

Wir sollten hier nicht übertreiben, wie viel tatsächlich bereits im Gange ist. Es gibt zurzeit nur zwei bekannte Startups, Make Sunsets und Stardust Solutions. Erst wenn ein Risikokapitalgeber kommt und sagt: «Wir haben einen grossen Fonds, und wir lenken den auf Geoengineering-Technologie», dann wird es vielleicht mehr Gründungen in diesem Bereich geben.

Die existierenden Startups machen mir allerdings Sorgen. Make Sunsets zum Beispiel setzt auf die Idee, dass man solares Geoengineering mit Carbon-Credits finanzieren kann. Jedes Gramm Schwefeldioxid, das Make Sunsets in der Stratosphäre (in 10 bis 50 Kilometer Höhe, die Redaktion) freisetzt, um die Erde zu kühlen, würde dann bestehende oder künftige Emissionen von Treibhausgasen legitimieren und ausgleichen.

Bestehen denn gegenwärtig Regulierungen für diese Startups?

Es gibt in den USA keine spezifischen Regulierungen bezogen auf die technischen Methoden des solaren Geoengineerings. Make Sunsets muss nur die National Oceanic and Atmospheric Administration informieren, wenn das Startup Ballons in die Stratosphäre steigen lassen will. Mehr ist nicht nötig. Die Firma muss nicht einmal eine Erlaubnis einholen. Stardust Solutions hat meines Wissens noch keine Experimente ausserhalb des Labors durchgeführt.

Nehmen wir an, ein Staat entschiede eigenmächtig, solares Geoengineering zu betreiben, um die Erderwärmung zu dämpfen: Wie sähe dieses Szenario technisch aus?

Eines ist ganz wichtig: Wenn diese Technik sicher verwendet werden soll, muss sie symmetrisch auf beiden Erdhalbkugeln eingesetzt werden. Denn die Staubpartikel wandern kaum zwischen den beiden Halbkugeln hin und her. Wenn es keine Symmetrie gibt, ist auch die Abkühlung asymmetrisch, und dann verschieben sich Wetterbänder in den Tropen und damit auch die Regenfälle. Das muss vermieden werden. Um eine gleichmässige Kühlwirkung auf der Erde zu erzielen, braucht es also Injektionen von Schwefeldioxid an vielen Punkten auf der Nordhalbkugel und auf der Südhalbkugel, möglicherweise zu verschiedenen Jahreszeiten. Die technischen Voraussetzungen sind enorm.

Das ist einer der Gründe, weshalb viele Wissenschafter die USA als einziges plausibles Land sehen, das die Technik einsetzen könnte. Denn nur sie haben ein solch weit verteiltes Netz von Militärstützpunkten, von denen aus das Programm durchgeführt werden könnte.

Wie würden die Staubpartikel in die Stratosphäre gebracht?

Es brauchte pro Tag Hunderte oder Tausende Starts von Flugzeugen. Normale Flugzeuge können nicht in die Stratosphäre fliegen, vor allem nicht mit einer grossen Last. Vertreter der Flugzeugindustrie sagen zwar, dass sie solche Flugzeuge bauen könnten, aber ich bleibe etwas skeptisch gegenüber dieser Art von technologischem Optimismus.

Würde solch eine Aktion von einem einzelnen Staat eine internationale Reaktion auslösen?

Ja, die Verteilung des Schwefeldioxids in der Stratosphäre würde aussehen wie eine Militäraktion, bei der möglicherweise viele fremde Staaten überflogen würden. Das wäre ein Grund für erhöhte internationale Spannungen. Vor allem dann, wenn die Aktion unilateral unternommen würde, ohne irgendeine Form der Vorabstimmung.

Was die Wirkung angeht, können viele Dinge schiefgehen, vor allem beim Niederschlag. Was passiert zum Beispiel, wenn Indien so etwas macht, und dann gibt es möglicherweise eine Dürre oder eine Überschwemmung in Pakistan? Vielleicht sind die Regierungen besonnen genug, dies nicht als Anlass zu einem Konflikt zu betrachten. Aber in der heutigen Welt der Desinformation und Fehlinformation scheint es mir unvermeidbar, dass eine solche Aktion auf jede mögliche Art interpretiert werden würde.

Ist so etwas in dieser Art schon passiert?

Als Anfang 2023 ein chinesischer Wetterballon über die USA flog, führte das zu erhöhten Spannungen. Und vergangenes Jahr gab es Berichte in indischen Zeitungen über Risiken für die Landwirtschaft aufgrund von Geoengineering. Die National Oceanic and Atmospheric Administration in den USA hatte Pläne für ein Programm angekündigt, das Geoengineering erkennen sollte. Die Behörde wollte gar nicht selbst Geoengineering durchführen. Würde tatsächlich eines Tages diese Technik eingesetzt, müssten wir mit einer Verdopplung dieser Art von Fehlinformation rechnen. Das hätte alle möglichen Folgen für die internationalen Beziehungen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

In vielen Ländern ist nicht nur der Einsatz von solarem Geoengineering umstritten, sondern sogar die Erforschung. Welche Argumente sprechen denn dafür, diese Technik genauer zu erkunden?

Zurzeit bewegen wir uns schlafwandelnd in eine Welt mit 2,5 bis vielleicht 3 Grad Erwärmung. Solares Geoengineering könnte ein nützliches Werkzeug sein, um das menschliche Leid in so einer Welt zu verringern. Es ist aber auch möglich, dass diese Technik etwas verschlechtern würde. Es gibt zwar eine Menge Studien mit Rechenmodellen, aber wir wissen nicht, ob solares Geoengineering tatsächlich funktionieren würde. Experimente könnten dabei helfen, das herauszufinden.

Würde auch die Klimaforschung von Experimenten zum solaren Geoengineering profitieren?

Ja, man könnte etwas über die Physik von Wolken lernen, die verstehen wir noch nicht sehr gut. Es gibt Überlappungen zwischen der Wolkenforschung und den Forschungsarbeiten, die wir benötigen, um die Möglichkeiten des solaren Geoengineerings besser zu verstehen.

Gibt es noch weitere Gründe, die für die Erforschung sprechen?

Auch Sicherheitsexperten wollen mehr über solares Geoengineering wissen. Sie glauben nicht, dass diese Technik als eine gezielte Waffe eingesetzt werden könnte, aber als ein Mittel, das vielleicht einen relativen Vorteil bringen würde. Sicherheitsexperten wollen auch wissen, wie man der Technik entgegenwirken könnte.

Neulich haben Sie zusammen mit Olaf Corry von der University of Leeds eine internationale Vereinbarung zum solaren Geoengineering gefordert. Diese Vereinbarung soll nicht die Erforschung verbieten, aber den konkreten Einsatz. Was war der Grund für den Vorschlag?

Schon seit ungefähr einem Jahrzehnt kursiert die Idee, einen Bann oder ein Moratorium auf solares Geoengineering auszusprechen. Was wir vorschlagen, ist ein bisschen anders. Unserer Erfahrung nach können die Länder sich nicht darüber einigen, wie man ein Forschungsprogramm zum solaren Geoengineering durchführen sollte, wer zum Beispiel die Daten erheben sollte. Sie können sich nicht einmal darüber einigen, ob ein solches Programm zurzeit erwünscht wäre. Der Grund dafür ist, dass manche Länder ein solches Programm als einen Schritt auf dem Weg zu einem tatsächlichen Einsatz betrachten. Und das halten sie für unvernünftig.

Aber nicht alle Länder denken so, oder?

Diejenigen Länder, die dieser Idee eines Einsatzes am offensten gegenüberstehen, hängen fast alle stark von der Produktion fossiler Brennstoffe ab. Sie sehen es als schwierig an, die Emissionen zu senken. Solares Geoengineering würde ihnen erlauben, den Übergang zu einer emissionsärmeren Wirtschaft zu verlangsamen. Die meisten Länder wollen aber die Emissionen schneller senken. Auch befürchten sie, dass Geoengineering in der Praxis womöglich gar nicht das liefert, was es verspricht.

Und was ist konkret Ihr Vorschlag für die internationale Vereinbarung?

Bannten wir den Einsatz von solarem Geoengineering – oder verhängten wir ein Moratorium –, würden wir einen Raum schaffen, um in Ruhe über all diese Dinge zu diskutieren. Solch eine Vereinbarung würde die Furcht mindern, dass die Forschung uns auf einen abschüssigen Weg hin zum Einsatz der Technik bringen könnte. Auch die Anreize für eine kommerzielle Nutzung wären damit verschwunden. Mit Geoengineering könnte ein Startup kein Geld verdienen. Andererseits minderte solch eine Vereinbarung die Furcht, dass auch jede Forschung zum solaren Geoengineering gebannt würde.

Wie sollte man mit der Erforschung des solaren Geoengineerings denn international umgehen? Wären ethische Leitlinien nötig?

Absolut, ohne solche Regelungen sollten Wissenschafter nicht weitermachen. Es gibt neue Empfehlungen zur Erforschung des Geoengineerings von der American Geophysical Union, an denen ich mitgewirkt habe, und von wissenschaftlichen Beratern der EU zur Erforschung der solaren Variante. Diese Empfehlungen bilden eine gute Grundlage und gehen in eine ähnliche Richtung; sie ergänzen einander.

Was ist der Kern dieser Empfehlungen?

Die EU-Berater regen eine breite öffentliche Diskussion über die Klimapolitik an und schlagen ein europaweites Moratorium und eine globale Governance vor, um den Einsatz des solaren Geoengineerings zu verhindern. Sie empfehlen Massnahmen, um sicherzustellen, dass die Forschung in diesem Bereich «rigoros, ethisch korrekt und unter expliziter Berücksichtigung von Unsicherheiten» erfolgt. Und die Forschung soll sich kritisch mit allen direkten und indirekten Auswirkungen sowie mit Fragen der Governance und der Gerechtigkeit auseinandersetzen.

Die American Geophysical Union schlägt einen Rahmen für verantwortungsvolle Forschung mit ethischer Aufsicht, vollständiger Transparenz, breiter öffentlicher Beteiligung und Rechenschaftspflicht vor. Die Forschung soll auf Klimagerechtigkeit ausgerichtet werden und einschlägiges sozialwissenschaftliches und ethisches Fachwissen einbeziehen.

Wie üblich sind solche Leitlinien für die Forschung?

Wenn eine Technologie jung ist und man noch nicht weiss, welche Folgen sie haben könnte, ist es oft schwer, Regeln für die Erforschung zu setzen. Aber solche Regeln sind notwendig. Viele Wissenschafter in der medizinischen Forschung arbeiten täglich mit Regeln, die von Ethikkommissionen erarbeitet werden. Die Forschung zum Geoengineering mit seinen globalen Risiken sollte keine Ausnahme sein.

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