Freitag, Januar 10

Wie kein anderer beherrscht der Konzern aus Shenzhen die chinesische Social-Media-Welt. Dadurch wurde er zum führenden Anbieter von Videospielen. Ein Porträt.

Ma Huateng, besser bekannt unter seinem englischen Namen Pony Ma, sticht unter den Chefs und Gründern der glitzernden chinesischen Tech-Szene hervor. Der CEO des Technologiekonzerns Tencent scheut grosse öffentliche Auftritte, gilt als eher introvertiert und liebt das geflüsterte Wort.

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Die Folge von Mas Zurückgezogenheit: Chinas Regierung lässt ihn und sein Technologie-Imperium relativ unbehelligt walten – natürlich nur, solange es innerhalb der von den Behörden gezogenen roten Linien operiert.

Und anders als etwa der Alibaba-Gründer Jack Ma oder der frühere Bytedance-Chef Zhang Yiming ist Pony Ma seit der Tencent-Gründung im Jahr 1998 noch immer im Amt. Jack Ma liebte grosse Auftritte, bisweilen in Lederjacke und mit E-Gitarre, schmiss am WEF pompöse Partys und trat den Machthabern in Peking nicht selten recht unverhohlen auf die Füsse. Er musste im Jahr 2019 den Alibaba-Chefsessel schliesslich räumen. Der Bytedance-CEO Zhang Yiming musste im Jahr 2021 abtreten.

Pony Ma dagegen konnte sein Unternehmen in den vergangenen Jahren ungestört zum führenden chinesischen Technologieunternehmen ausbauen. Kern des Konzerns ist die Social-Media-Plattform WeChat. Sie firmiert in China unter dem Namen Weixin.

WeChat hat 1,1 Milliarden aktive Nutzer

WeChat, eine Mischung aus Twitter, Facebook, Amazon und Whatsapp, hat täglich rund 1,1 Milliarden aktive Nutzer. Es gibt kaum einen Chinesen, der den Messenger-Dienst von WeChat nicht nutzt. In den sogenannten WeChat-Momenten posten die Menschen, ähnlich wie auf Facebook, etwa Fotos von Ferienerlebnissen. In den WeChat-Kanälen können Nutzer Kurzvideos schauen.

Doch die WeChat-App kann viel mehr. Detailhändler können auf der Plattform ihre Produkte anbieten. Chinesinnen und Chinesen bezahlen per WeChat, buchen Flug- oder Zugtickets, reservieren einen Arzttermin oder vereinbaren einen Besichtigungstermin für eine Wohnung.

Eine derartige Vielseitigkeit auf einer Plattform wäre im Westen aus Gründen des Datenschutzes wohl undenkbar. In China lässt die Regierung Tencent allerdings ungestört agieren. Sie weiss um die Popularität von WeChat. Einschränkungen oder Verbote einzelner Dienste würden unweigerlich zu Unzufriedenheit, womöglich sogar Wut bei den Menschen führen. Das möchte Peking vermeiden.

Tencent beschäftigt eine Vielzahl von Zensoren

Der Chef und Gründer Ma Huateng, dem eine Nähe zu den chinesischen Machthabern nachgesagt wird, muss allerdings dafür sorgen, dass keine unliebsamen Äusserungen wie zum Beispiel Kritik an der Regierung auf WeChat erscheinen. Daher beschäftigt kein chinesisches Tech-Unternehmen so viele Zensoren wie Tencent.

Die grosse Popularität der WeChat-App beschert Tencent einen gewaltigen Traffic. Dieser führt dazu, dass Tencent den Vertrieb von Videospielen in den vergangenen Jahren zu einer der wichtigsten Säulen seines Geschäfts ausbauen konnte.

Dabei entwickelt der Konzern aus Shenzhen keine eigenen Spiele. Vielmehr verkauft Tencent Spiele von Entwicklern, die das Unternehmen übernommen hat oder an denen es Anteile erworben hat.

Im Jahr 2011 erwarb Tencent zum Beispiel für 230 Millionen Dollar einen Mehrheitsanteil an dem Unternehmen Riot Games, dem Erfinder des beliebten Spiels «League of Legends». Etwas mehr als ein Jahr später stieg der Konzern bei Epic Games ein. Das Unternehmen aus den USA hat den Welterfolg «Fortnite» entwickelt.

Kräftig gewachsen

Der Einstieg in das Geschäft mit Videospielen hat dafür gesorgt, dass Tencent während der vergangenen Jahre kräftig gewachsen ist. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen aus dem Süden Chinas mehr als 100 000 Mitarbeiter. Lag der Umsatz im Jahr 2019 noch bei 51,4 Milliarden Dollar, waren es 2023 bereits 83 Milliarden Dollar. Der Nettogewinn betrug im selben Jahr 16,1 Milliarden Dollar.

Die Entscheidung der USA vom Montag, das Unternehmen auf eine Liste mit chinesischen Unternehmen, die angeblich mit dem Militär zusammenarbeiten, zu setzen, dürfte keine unmittelbaren Folgen für das Geschäft des Konzerns haben. Denn juristische Folgen sind mit dem Entscheid aus Washington nicht verbunden.

Das Vorgehen der amerikanischen Regierung gegen Tencent habe «sehr begrenzte negative Auswirkungen» auf die Umsatzentwicklung des Unternehmens, könne allerdings Investitionen und Kooperationen im Ausland erschweren, schreiben die Analysten der australischen Investmentbank Macquarie. Die Kostenstruktur und die volle Pipeline an Videospielen sorgten allerdings dafür, dass die Gewinne auch in Zukunft weiter wüchsen.

Der Aktienkurs knickte nur kurzzeitig ein

So knickte der Kurs der in Hongkong gelisteten Tencent-Aktie denn auch nur am Dienstag und Mittwoch kurzzeitig ein. Am Donnerstag konnte sich das Papier bereits deutlich erholen.

Die US-Regierung nannte keine Begründung für seinen Entscheid. Ein Tencent-Sprecher wehrte sich denn auch massiv gegen die Vorwürfe aus Washington. «Die Aufnahme in die Liste ist ein klarer Fehler», sagte der Sprecher. «Wir sind kein militärisches Unternehmen und kein Lieferant des Militärs.» Tencent werde mit dem amerikanischen Verteidigungsministerium zusammenarbeiten, um Missverständnisse zu adressieren, erklärte der Sprecher.

Sehr dünne Hinweise auf eine mögliche Verbindung zum chinesischen Militär liefert lediglich die Website der staatlichen Behörde für das Beschaffungswesen. Dort heisst es, die Sparte Cloud-Computing von Tencent biete einen Service mit dem Namen Tencent Yu Jian an. Dieser könne von grossen Unternehmen, etwa der Finanzwirtschaft, oder von öffentlichen Institutionen, zum Beispiel aus dem Bildungssektor, oder eben vom Militär genutzt werden.

Im März 2023 veröffentlichte die Behörde für Beschaffung des chinesischen Militärs eine Mitteilung, nach der mögliche Lieferanten der Armee sich für die Teilnahme an Ausschreibungen über die Meeting-Software von Tencent registrieren können. Nicht mehr und nicht weniger.

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